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Aktienmärkte – geschieht das Unerwartete?

Steigen die Aktienmärkte im Schlussquartal 2019 auf neue Höhen? Nach all den Warnungen der großen Wirtschaftsinstitute, von IWF bis Weltbank, nach sich verschlechternden US-Konjunkturdaten, nach gesenkten Prognosen der Großbanken mit ihrer Heerschar von Analysten und einer im Jahresverlauf ständig gestiegenen Belastung durch die Handelsstreitigkeiten, steht der S&P 500 nur knapp zwei Prozent unter seinem Allzeithoch – der Dax nicht weit entfernt von seinem Jahreshoch. Beide Indizes liegen seit Jahresanfang 18 Prozent im Plus. Wie lässt sich das erklären?

 

Aktienmärkte – der Fokus der Anleger

Seit geraumer Zeit wird das Anlageverhalten der Aktionäre sehr stark von der Psychologie geprägt, von der Hoffnung auf Zinssenkungen der Notenbanken bereits seit der Jahreswende und auf eine Stabilisierung der US-Wirtschaft. Man rechnet nicht mit der absoluten Eskalation des Handelsstreits, zu viel hätten die USA und insbesondere der um seine Wiederwahl kämpfende Donald Trump zu verlieren.

Zur Beurteilung der jetzigen Situation der Aktienmärkte spielt auch der Investitionsgrad der großen Anleger und natürlich das Konkurrenzniveau zwischen Anleihen und Aktien eine große Rolle. Dazu kommen die vielen täglichen Meldungen über die zahlreichen geopolitischen Themen, wie Brexit und Nahostkonflikt, aber von allen News hat sich eine Person aus dem Weißen Haus per Twitter die größte Kursrelevanz „erarbeitet“. Ebenso haben die fundamentalen Daten natürlich ihre Wirkung, aber richtig bedeutsam sind diese eher im langfristigen Kontext.

Wichtiger ist, ob die Erwartungen der Anleger auf die Daten übertroffen werden oder nicht – und da ist es nicht einmal so wichtig, in welcher Höhe sie sich gerade befinden. In der aktuellen Betichtssaison werden wir wieder ein paar Beispiele dafür finden. Hier ein Versuch der Darstellung der aktuellen Lage der Aktienmärkte an ein paar Punkten, die das eigentlich nach logischen Gesichtspunkten widersinnige Marktverhalten zu erklären versuchen.

 

Psychologie

In den USA hat der Vorlauf des fortlaufenden Handelsstreit und die Eintrübung der weltweiten Konjunktur sichtbar Spuren hinterlassen. Die Anleger sind vorsichtig und pessimistisch geworden, was als Kontraindikation zu werten ist.

Hier sichern sich die institutionellen Investoren weiter vor fallenden Kursen ab, ablesbar am Put/Call-Verhältnis der Chicagoer Terminbörse CBOE, wie die wöchentliche Auswertung des Sentimenthauses AnimusX aufzeigt.

Auch der Bull/Bear-Index der US-Privatanleger zeigte mit einem Wert von minus 18 Prozent einen deutlichen Überhang der Bären an, was bedeutet, dass die privaten US-Anleger sehr pessimistisch eingestellt sind.

Damit sind in den USA sowohl Privatanleger als auch Profis pessimistisch in ihrer Einschätzung, trotz der vermeintlichen Fortschritte im Handelsstreit.

Der Fear&Greed-Index hat darauf reagiert und befindet sich mit 42 Punkten im neutralen Bereich.

In Deutschland hatten diese Hoffnungen eine viel stärkere Auswirkung, vermutlich weil man als Exportnation stärker von einer Eskalation betroffen ist. Der Dax stieg in der letzten Woche um 4,2 Prozent, obwohl es eigentlich keine Fakten gab, die solch einen Kurssprung rechtfertigen konnten – ganz im Gegenteil die Nachrichtenlage aus der Industrie hatte sich eher verschlechtert.

Die Auswertung zu Wochenbeginn zeigt: Das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart ist in eine neutrale Positionierung der Privatanleger gestiegen. Die großen Absicherungspositionen der Vorwochen, als die privaten Anleger sehr pessimistisch waren, wurden aufgelöst, genau wie bei den Profis, die sich über die Frankfurter Terminbörse Eurex abgesichert haben. Das Put/Call-Verhältnis stand mit einem Wert von 1,1 im neutralen Bereich

Marktpositionierung

In den USA spiegelt sich der Pessimismus in Sachen Aktienmärkte auch in der niedrigen Investitionsquote der Fondsmanager wider, denn sie ist mit 57 Prozent auf dem niedrigen Niveau der Vorwoche geblieben. Damit sind die Investmentfonds, wie auch die Hedgefonds unterinvestiert. Letztere lagen aber schon mehrfach in letzter Zeit in Summa falsch, im Dezember 2018 und im Frühjahr 2019, wie es an den Performancedaten ablesbar ist. Sollte der Markt wider deren Erwartung steigen, müssten sie per „Pain Trades“ wieder in die Märkte einsteigen.

 

Zinsniveau

Eine zentrale Bedeutung für die Märkte hat das Konkurrenzverhältnis zwischen den Anleihe– und den Aktienmärkten. Die maßgebliche 10-jährige US-Treasury hat aktuell einen Zinswert von 1,71 Prozent, bei einem KGV von 58 (100/1,71), das Zinsniveau liegt damit auf der Höhe der Dividendenrendite im S&P 500.

Das KGV des größten Aktienindex der Welt beträgt nach Shiller 22,1, nach den üblichen Darstellungen (CNBC) 17,5 und damit steht es nicht weit über dem historischen Durchschnitt von ca. 16. Der Dax, wie auch die europäischen Märkte liegen hier, wie berichtet, deutlich niedriger.

Keine unmittelbaren Argumente also, um aus den Aktienmärkten auszusteigen, außer das Rezessiongespenst taucht wieder auf, sonst gilt weiter TINA.

 

Zinssenkungszyklus

Wie bereits mehrfach beschrieben, befindet sich die Welt in einem Wettstreit der Zinssenkungen. Allein im dritten Quartal waren es bereits 58 Zinssenkungen der globalen Notenbanken. Und die so bedeutsame dritte Zinssenkung der Federal Reserve könnte Ende Oktober anstehen. Dazu kommt noch das QE4, ein Quantitative Easing mit dem Kauf von kurzlaufenden US-Staatsanleihen in Höhe von 60 Milliarden Dollar monatlich, welches man aber so nicht bezeichnen darf. Insgesamt ein entscheidender Faktor zur Stützung der Aktienbörsen, das Gegenteil haben wir im Jahr 2018 gesehen.

 

Aktienrückkäufe

Im Bereich der so genannten „Buybacks“ hat man zwar im Jahresverlauf einen Rückgang der Käufe gesehen. Aber haben wir nicht gerade den Höhepunkt der Blackout Period, vom 10. – 17. Oktober, wo die großen Unternehmen keine Aktien zurückkaufen dürfen. Ich habe schon daraufhin gewiesen, in welcher Höhe noch genehmigte Buybacks ausstehen: Microsoft mit Aktienrückkäufen in Höhe von 40 Milliarden $ (4 % des gesamten Bestandes), Oracle, Target und jede Menge weiterer Unternehmen, die noch Aktienrückkäufe angekündigt haben. Der Markt ist in diesen Tagen nicht gefallen, obwohl diese Käufe ausgefallen sind – der entscheidende Kurstreiber in den letzten Jahren.

Was passiert, wenn diese in den nächsten 45 Börsentagen bis Weihnachten noch umgesetzt werden?

 

Und wie steht es um den Dax?

Eine Hiobsmeldung nach der anderen im Industriesektor, bei Automobil und Maschinenbau. Dazu noch die Abstufungen des deutschen Wirtschaftswachstums der großen Institute im Quartalrhythmus, die aber eigentlich zu spät kommen (müssen) – in der Voraussage einer Rezession und auch für den Beginn des neuen Abschwungs, was für ein Umfeld! Der Dax hatte sein Zyklushoch bereits am 23. Januar 2018 vor fast 21 Monaten gesehen. Jetzt hat mit dem Monat Oktober das jahreszeitlich starke Quartal begonnen. Im letzten Jahr verlor der Dax im vierten Quartal 14 Prozent an Wert, was historisch eine Ausnahme darstellt.

In den 31 Jahren seines Bestehens waren 26 Q4-Perioden positiv, entsprechend einer Quote von 84 Prozent. Wenn die ersten neun Monate positiv verliefen, stieg diese Quote noch deutlich über 90 Prozent an. Historische Daten geben natürlich keine Gewähr für die Zukunft, aber man sollte sie nicht ignorieren.

 

Fazit – die Lage der Aktienmärkte

Ich weiß, dass das von mir gezeichnete Szenario einer Jahresendrally sich nicht nur aus der Sicht der Bären als ziemlich absurd lesen muss. Aber an den Börsen passiert kurzfristig meist das Gegenteil dessen, was der Mainstream und die Masse der Anleger – und der Bankanalysten erwartet.

Um nicht missverstanden zu werden, ich schreibe hier nicht von einem neuen Aufwärtstrend oder einem Zwischenzyklus im Aufwärtstrend, wie Notenbankchef Powell es vor nicht allzu langer Zeit bezeichnet hat. Eher von einem möglichen „Sugar Rush“ zu Jahresende. Die Rezession und große Kurseinbrüche werden kommen.

Derzeit herrscht an den Märkten und insbesondere in den Analyseabteilungen von Banken (JP Morgan, Goldman Sachs und Co.) eine große Skepsis darüber, was die Konjunktur und der Handelsstreit in der nahen Zukunft bringen werden. Darin liegt genau das Überraschungsmoment: hoher Pessimismus, eine niedrige Investitionsquote und das desaströse Zinsniveau – da genügen nur vage Andeutungen des selbst ernannten größten Dealmakers, um eine Rallye auszulösen. Das mittel- und langfristige Problem bleibt aber bestehen, der große Einbruch wird kommen. Aber auf kurze Sicht sollte man das scheinbar „Unmögliche“ nicht außer Acht lassen.

Die Berichtssaison wird mit den Ausblicken etwas Klarheit bringen.

Steigen die Aktienmärkte im 4.Quartal auf neue Höhen?



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1 Kommentar

  1. So unerwartet ist das nicht. Depressive Börsengesichter im Herbst und dann Weihnachtsrally bedingte Freudentränen unterm Weihnachtsbaum. War eigentlich immer so, außer letztes Jahr vielleicht, aber da gabs dafür eine Neujahresrally.
    „Der große Einbruch wird kommen“, jaja, irgendwann, aber doch niemals zwischen dem 24. Dezember und dem nächsten 24. Dezember.

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