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Aktienmärkte: Haben die Notenbanken ihr Pulver verschossen?

Wir haben eine biologische Krise - und diese ist erheblich schädlicher für die Wirtschaft als (nur) ein Ausfall von Produktionsketten

Um kurz vor 14:00 Uhr konnte man es gestern an den Reaktionen der Aktienmärkte ablesen: Trotz eines bereits gewaltigen Abschlags an den europäischen Märkten von sieben Prozent zum Vortag, ging es weiter nach unten. Und das, obwohl die Europäische Zentralbank den angeschlagenen Banken unter die Arme gegriffen hat – keine Zinssenkung, Senkung des Refinanzierungssatzes um 25 Basispunkte und die Ankündigung bis zum Jahresende für 120 Milliarden Euro weiter Anleihen ankaufen zu wollen. Die Enttäuschung der Märkte zeigt, dass man das Programm als nicht wirksam erachtet, um einen Wirtschaftseinbruch durch das Coronavirus entgegenzuwinken. Hat der monetäre Faktor an Wirksamkeit verloren?

Aktienmärkte: Auch die Fed-Intervention verpuffte

Nur wenige Stunden später kam die Überraschungsaktion der Federal Reserve. Das Hineinpumpen von 500 Milliarden Dollar in den Repo-Markt am gestrigen Tag und die Ankündigung weitere Milliarden (Billionen?) für die nächsten Tage und Wochen. Dazu die Ankündigung von Anleihekäufen in Höhe von 60 Milliarden Dollar, wieder eine gewaltige Notenbank-Bazooka.

Die Kursverluste von 2200 Punkten beim Dow Jones halbierten sich in Minutenschnelle, um sich in den nächsten Stunden wieder aufzubauen – und sich bis zum Tagesende sogar noch zu verstärken. Es gab einen historischen Sechs-Prozent-Sprung in wenigen Minuten. Aber auch die Wirkung der Fed-Bazooka ließ nach. Der Tag endete tiefrot mit riesigen Verlusten beim Dow (minus 9,9 Prozent ), beim S&P 500 (minus 9,51 Prozent) und beim Nasdaq Composite (minus 9,43 Prozent).

Worauf hoffen die Aktienmärkte?

Was die Aktienmärkte zur Abwendung der Wirtschaftskrise erwarten war tags zuvor schon beim Treffen der Banken-CEOs im Weißen Haus mit Donald Trump erkennbar: Man setzt auf eine koordinierte Aktion von monetären, aber speziell von fiskalpolitischen Maßnahmen. Dies brachte ganz besonders Brian Moynihan, Chef der Bank of America zum Ausdruck, der direkt neben dem Präsidenten saß. Fiskalpolitischer Stimulus in Zeiten von Stress sei extrem wchtig, um sicherzustellen, dass die Menschen genügend Barmittel hätten, um ihre wichtigsten Ausgaben abzudecken.

Turmp selbst war bisher kein Freund von großen Stimulus-Paketen. Sein Vorschlag zur Lohnsteuersenkung fand bei den Wall-Street-Chefs jedoch nur wenig Begeisterung. Trump stellte bisher Maßnahmen zur Stützung der Kreuzfahrt- und Luftfahrttindustrie in Aussicht. Bei allen folgenden Maßnahmen steht aber immer das Problem der politischen Einigung mit den Demokraten im Raum – und das in einem Wahljahr. Aber die USA gehen die Unterstützung der Wirtschaft mit Dynamik an, anders als Deutschland, wo man gestern bei den Pressestatements von Merkel/Söder den Eindruck gewinnen konnte, es gebe auf kurze Sicht immer noch keine „richtigen“ Aktionen zur Abfederung der erwartbaren Einbrüche.

Kurzfristig müsste es aus technischen Gründen für die Aktienmärkte aber eine Gegenbewegung geben. Ein Fear&Greed-Index von 1, dem niedrigst möglichen Stand – dazu ein VIX von 75 Punkten zeigen extreme Panik an, die bei einem nur geringen Hoffnungsschimmer eigentlich zu einer kurzen „Relief Rally“ führen müsste.

 

Aktienmärkte: Die Kursreaktionen in Deutschland

Wenn die Aktienmärkte in den USA husten, bekommt Deutschland eine Grippe. Gestern zeigte sich einmal mehr, dass der deutsche Leitindex erheblich heftiger auf Wirtschaftskrisen reagiert als andere Indizes – wegen der vielzitierten Exportabhängigkeit. So muss man schon weit in die Vergangenheit blicken, um eine vergleichbare Kursreaktion zu finden, wie die am gestrigen Handelstag.

Der Dax verlor bis zum Handelsschluss 12,2 Prozent und lag mit 9.161 Punkten zum ersten Mal seit 2016 wieder unterhalb von 10.000 Punkten.

Es war nach dem 16. Oktober 1987 der zweitgrößte Tagesverlust in seiner Geschichte, aber damals war das Minus mit 12,8 Prozent auch nicht wesentlich größer. Ein Wahnsinnsrückgang von 32 Prozent oder über 4600 Punkte vom Allzeithoch in nur drei Wochen.

Die Investoren versuchen in Kurse zu packen, was es an wirtschaftlichen Folgen geben könnte, bei einer Pandemie, die zum gestrigen Tag schon in 114 Ländern Fuß gefasst hat.

Ganz besonders trifft es die Banken mit zweistelligen Kursverlusten, an vorderster Front die Institute aus dem stark betroffenen Italien. Der Cocktail aus Anstieg fauler Kredite, Ausfall an Einnahmen und höherer Risikovorsorge für ausfallgefährdete Kredite sargten für die extremen Abschläge.

Aber die massiven Verluste an der Aktienmärkte zeigen auch, dass das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems noch immer sehr fragil ist.

Wird aus der Wirtschaftskrise auch noch eine Finanzkrise?

Das alles findet seine Entsprechung im Volatilitätsindex VDAX, der am Donnerstag um 33 Prozent auf 77 Punkte gestiegen ist. Ein neuer Höchststand in diesem Zyklus, nur in der Panik bei der Finanzkrise lag man mit 85 Punkten noch höher.

Fazit

Mit geldpolitischen Maßnahmen ist der Krise nicht mehr beizukommen.

Wir haben eine biologische Krise – und diese ist erheblich schädlicher für die Wirtschaft als (nur) ein Ausfall von Produktionsketten. Was die Aktienmärkte extrem verunsichert: Dafür gibt es kein historisches Vorbild.

Sollten die eingeleiteten Abschottungsmaßnahmen in vielen Ländern nicht in kurzer Zeit zur Eindämmung der Virusinfektionszahlen führen, so ist nach meiner Meinung ein Wirtschaftseinbruch gewaltiger Dimension nicht zu verhindern. Mit Kurseinbrüchen der Aktienmärkte von 28 Prozent, wie es der Durchschnittswert beim S&P 500 in den Nachkriegsrezessionen darstellt, wäre es dann sicherlich nicht mehr getan. Dann müsste man sich eher auf einen Rückgang wie bei der Finanzkrise 2009 einstellen. Und beim Dax? Da könnte man sich, den bisherigen Erfahrung folgend, sogar noch auf höhere Verluste einstellen.

Vor allem, wenn die Wirtschaftskrise infolge Corona zu einer Finanzkrise „mutieren“ sollte. Es geht in den nächsten Tagen und Wochen schlicht um die Beantwortung der Frage: Besitzt Covid-19 das Potenzial zum größten Wirtschaftseinbruch seit dem 2. Weltkrieg zu führen – oder wird ihm durch die Schutzmaßnahmen sowie das anstehende warme Wetter das Vermögen hierzu entzogen? Da Ersteres noch nicht ausgeschlossen werden kann, befinden sich die Aktienmärtke bisher im freien Fall.

Die Aktienmärkte hoffen, dass die Fed die Dinge noch im Griff hat



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