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Aktienmärkte: Hat die „Sell on good News-Phase“ begonnen?

Werden gute Nachrichten abverkauft?

Aktienmärkte - sell on good news?

Bereits seit mehreren Tagen wird immer wieder die gleiche Wasserstandsmeldung geliefert: Neue knappe Hochs der Aktienmärkte, niedrige Umsätze und immer mehr Aktien, die fallen – nur wenige schergewichtige Aktien wie Apple sind für die Kursanstiege der Index verantwortlich. Jetzt hat die lang erwartete Berichtssaison für das zweite Quartal begonnen – und es könnte trotz großer Gewinne zu einem recht unlogisch anmutendem Prozedere kommen, die ersten Anzeichen sind bereits erkennbar.

Aktienmärkte: Ein langsames Hochschaukeln der Kurse

Obwohl es aus den USA ständig über neue Hochs zu berichten gibt, mit dem 39. Allzeithoch beim S&P 500 in diesem Jahr, geht es nur sehr zögerlich nach oben. Zur Freude aller Anleger, die investiert sind, denn beim Depotstand spielen technische Aspekte nun wirklich keine Rolle, noch nicht.

Aber der größte Anstieg der Aktienmärkte ist schon im ersten Quartal erfolgt, zehn Prozent plus, seither ging es beim großen Leitindex erst einmal über zwei Monate seitwärts, bis der Ausbruch nach oben kam. Getrieben durch Apple und Co, die Big Seven aus dem Techsektor, die mit ihrer gewaltigen Marktkapitalisierung den Index nach oben zogen. Der Dax verhielt sich ähnlich, seine neuen Hochs kamen nur drei Wochen später. Sehr auffällig ist die Rotation von der Rotation. Zuerst lief Value, dann Growth, jetzt im ständigen Wechsel und abhängig von der Zinsentwicklung. Was im Endeffekt zu ständig leicht steigenden Kursen geführt hat.

Warum bleiben die Großen im Markt?

Es dürfte sich um eine Reihe von Gründen handeln, die die großen Adressen daran hindern, die Aktienmärkte zu verlassen.

Die Realrenditen

Ein Verbraucherpreisindex von aktuell 5,4 Prozent und die Rendite der 10-jährigen US-Treasury bei 1,35 Prozent – das ergibt eine historisch niedrige Realrendite (seit 1980) und einen sofortigen Kaufkraftverlust, sollte man hier in größerem Ausmaß einsteigen. Das Ganze würde nur Sinn ergeben, bei einem Dauerengagement bis Laufzeitende oder wenn man Durationsgewinne einstreichen möchte, aber das setzte voraus, dass die Zinsen noch weiter sinken. Ansonsten hat man bereits bei kleinen Zinsanstiegen heftige Kursverluste in den Büchern. Gewinne gäbe es nur, wenn die Wachstumsgeschichte in sich zusammenfiele. Zusammengefasst das Akronym mit den vier Buchstaben: TINA.

Die US-Berichtssaison

Hat nicht Q1 mit seinem Wachstum von 50 Prozent für die Unternehmen im S&P 500 viele überrascht und die pessimistischen Fondsmanager Lügen gestraft? Und erwartet man jetzt für Q2 nicht gleich noch über 60 Prozent Gewinnwachstum? Da werden sich einige überlegen, ob man hier tatsächlich vorher aussteigt, um dann von den Gewinnüberraschungen „geplättet“ zu werden?

Die andauernden Short Squeezes

Immer wieder setzt insbesondere Hedgefonds auf fallende Kurse. Wie Daten des Finanzdatenanbieters S3 Partners zeigen, ist die Shortquote im zweiten Quartal wieder angestiegen, auf 1,21 Billionen Dollar. Aktuell sollen die spekulativen Anleger auf einem Verlust von über 93 Milliarden Dollar sitzen. Wetten auf AMC brachten bis zum Ende des Quartals 4,38 Milliarden Dollar (Buch)Verluste, was sich derzeit ändern könnte. Aber große Milliardenverluste brachten auch die Leerverkäufe auf Nvidia, Apple, Amazon und Microsoft. Jetzt kommen bald deren Quartalsberichte.

Viele Fondsmanager befürchten weitere Short Squeezes. Deshalb auch die seltsam hohe Aktienquote laut der aktuellen Umfrage der Bank of America. Man hat zwar heftige Zweifel an der Höhe der Wachstumstory, setzt aber weiter auf die Aktienmärkte. Wie schon oft erwähnt, Short-Positionierung sind an der Börse stets sehr riskant. Mit einer Aktie kann man nur 100 Prozent verlieren, bei einem riskanten Leerverkauf jedoch sehr viel mehr. Während Corona war das Risiko noch höher als vorher, Stichwort Reddit-Foren, und viele Großinvestoren werden vorsichtiger: „Gebranntes Kind scheut das Feuer.“

Die Erfahrungen seit Ende Oktober 2020

Wie viele „heiße“ Marktindikatoren machten schon die Runde seit den US-Wahlen im November 2020? Ob ein Warren-Buffett-Indikator, die Marktbreite, der RSI, das Put/Call-Ratio, die Investitionsquoten und vieles, vieles mehr und was ist passiert? Gerade mal kleine Korrekturen der amerikanischen Aktienmärket von etwa vier Prozent, die auch noch in einer Short Squeeze mündeten.

Hier die Marktschwankungen des Jahres 2021 im Vergleich zu den Vorjahren: Es geht sogar noch langweiliger. Keine einzige Korrekturphase, jetzt schon achteinhalb Monate.

Aktienmärkte in den letzten Jahren

Fazit

Die obigen Überlegungen geben Anlass für die Schlussfolgerung, dass der „Sell on good News-Effekt“, bei den überreifen Marktparametern einmal mehr eine große Chance hat, für deutlichere Gewinnmitnahmen zu sorgen. Vor allem, wenn die ganz großen FANGMAN-Aktien gemeldet haben und man nicht mehr von guten Zahlen überrascht werden kann.

Nicht nur bei der Inflation gibt es hier einen Basiseffekt, nur in anderer Weise. In Q2des Jahres 2020 rutschte die US-Wirtschaft mit minus 9,5 Prozent in eine der stärksten Kurzzeitrezessionen der letzten Jahrzehnte, die Internetwerte konnte als Stay-at-Home-Gewinner die ganz großen Ausnahmegewinne einfahren. Also werden zukünftige Gewinnsteigerungen ziemlich schwer zu realisieren sein, im Jahresvergleich.

Aber es ist und bleibt dennoch ein Riesenproblem, selbst wenn man in einem Sommerloch die Gelegenheit bekommt, billiger wieder in die Aktienmärkte einzusteigen. Egal was die Fed beschließt, die Realrenditen können nicht (ohne Schockeffekt) ins Positive drehen, das KGV für Anleihen bleibt noch für geraume Zeit jenseits von Gut und Böse – anders als in den Jahren 2000 oder 2007.

Dass das Thema – Sell on News – bereits Fahrt aufgenommen hat, zeigen die Marktreaktionen auf die ersten Ergebnisse der Berichtssaison. Trotz sehr guter Zahlen bei JP Morgan, Goldman Sachs, oder auch von BlackRock, zunächst sind Gewinnmitnahmen die Folge.

Aber die Gesamtlage für die Aktienmärkte bleibt auf mittlere Sicht geradezu lähmend. Der CEO des größten Geldverwalters, Blackrock, Larry Fink, hat Jerome Powell widersprochen und die Inflation nicht als transitory eingestuft. Man müsse noch längere Zeit mit 3-4 Prozent Inflation rechnen. Aber was bedeutet das? Ist das nicht der Bereich, wo Aktien immer noch einen Inflationsschutz darstellen – und wenn die Fed zu tapern beginnt, so ist der Anleihemarkt noch immer keine echte Alternative zu Dividendentiteln?

Im Extremfall bleibt es noch eine längere Zeit bei einer Pattsituation für die Aktienmärkte. Wenn 10 Prozent von den Aktienmärkten global abgezogen würden – wohin mit den über 10 Billionen Dollar?



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2 Kommentare

  1. „Mit einer Aktie kann man nur 100 Prozent verlieren, bei einem riskanten Leerverkauf jedoch sehr viel mehr.“

    Sehr richtig! Mit einem riskanten Leerverkauf kann man theoretisch unbegrenzte Verluste bis zum Bankrott erleiden.

    Zur Zeit sieht es so aus, als würden sich Marketmaker, Hedgefunds, Banken, Kleininvestoren etc. versuchen den schwarzen Peter zu zuschieben. Es ist immer noch ein Krieg, Jeder gegen Jeden, welcher voraussichtlich noch in weiteren Runden ausgetragen wird.

    So lange Leerverkäufe nicht ausreichend reguliert werden (Transparenz wäre dahingehend vielleicht hilfreich;-) kann hier eine echte Gefahr für den Finanzmarkt entstehen.
    Man muss sich einmal vorstellen welche Schäden angerichtet werden könnten, wenn sehr sehr große Käufer (z.B. böse Staaten) diese Systematik verdeckt ausnutzen würden, um Wirtschaftsakteure (Banken, Hedgefonds, Kleinanleger die shorten etc.) und das Wirtschaftssystem eines Konkurrenten zu schädigen. Auf der Welt herrscht, wenn es ums Geld und Macht geht ja nicht nur Friede Freude Eierkuchen ;-)

    Eine Bank hat vielleicht in dem Zusammenhang schon eine Warnung an beteiligte Zocker ausgesprochen (wie gesagt, nicht nur Kleinaktionäre zocken):

    https://www.risk.net/investing/7853221/jp-morgan-warns-hedge-funds-to-expect-intraday-margin-calls

    Wie wir wissen, beißen den letzten die Hunde (wie u.a. Credit Suisse feststellen musste).

    Was würde wohl passieren wenn da ein paar Hedgefunds und deren Banken auf dem falschen Fuß erwischt werden und diese Aufgrund des Anlagenotstandes und der zu niedrigen Zinsen hochgehebelt im Markt agierten?

  2. Transitory, also vorübergehend – die Frage ist, wie lange? In the long run…, know what I mean?
    Die Frage, wohin mit dem Kapital, nun ja, da gibt es doch noch Kryptos, Immos, Gold, etc.

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