Aktienmärkte in China unter Dauerbeschuss
Regulierungsbehörden in China stehen laut der Nachrichtenagentur Bloomberg vor einem aussichtslosen Kampf, wenn es darum geht, Investoren davon zu überzeugen, in die Aktienmärkte des Landes zu investieren, da die Bemühungen zur Marktankurbelung nicht mit stärkeren Wachstumsstimuli einhergehen. Alle bisherigen Maßnahmen, von Verbal-Interventionen über geldpolitische Lockerungen (Zinssenkungen), Infrastrukturprojekte und laxere Kreditvorgaben für staatliche Banken haben nicht gefruchtet.
Auch die zunehmenden Sanktionen zwischen dem Westen und China sowie zwischen China und dem aufstrebenden Indien. Die berechtigte Angst vor einer Eskalation des Taiwan-Konflikts halten das internationale Kapital ebenfalls von den chinesischen Aktienmärkten fern. Kapital ist bekanntlich ein scheues Reh. Die Handelsverbote und De-Listings russischer Aktien als Reaktion des Westens auf die Invasion Russlands in der Ukraine sind noch in frischer Erinnerung und eine Mahnung für die Zukunft.
Erst am Samstagmorgen gab es in der Taiwanstraße einen erneuten militärischen Zwischenfall, bei dem laut taiwanesischem Verteidigungsministerium 32 Flugzeuge und neun Marineschiffe des chinesischen Militärs entdeckt wurden. Teile der chinesischen Flotte hatte dabei die Landesgrenze überquert. Taiwan hat seinerseits sein Militär zur Abwehr aktiviert. Damit trüben sich die Perspektiven für die Aktienmärkte im Reich der Mitte auch geopolitisch weiter ein.
Schlechteste relative Wertentwicklung seit 2001
Seit Jahresbeginn hat der MSCI China Index bereits knapp 6,9 Prozent verloren, während z. B. der heimliche Weltleitindex, der S&P-500, um 11 Prozent zulegen konnte.
In einem Interview mit Bloomberg äußert sich die auf die chinesischen Aktienmärkte spezialisierte Partnerin bei dem Vermögensverwalter East Capital Asset Management, Karine Hirn, skeptisch:
„Investoren waren enttäuscht über das Fehlen konkreter Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Ohne strengere Maßnahmen der Regierung und während die politischen Spannungen zwischen China und dem Westen anhalten, könnte der Markt weiterhin nach unten tendieren.“
Das dritte Jahr in Folge im Minus
Die chinesischen Aktienmärkte laufen aktuell so schlecht wie im Oktober letzten Jahres nicht mehr und liegen das dritte Jahr in Folge im Minus. Die „Red Chips“, wie die Aktien chinesischer Unternehmen auch genannt werden, laufen ebenso lange deutlich schlechter als die Aktien im S&P 500.
Die jüngste Talfahrt folgt auf mehrere Jahre enttäuschender Marktentwicklungen. Dadurch hat sich die Kluft zwischen den Finanzmärkten Chinas und denen der USA auf ein nahezu historisches Niveau vergrößert. Chinesische Aktien und die Währung befinden sich im Vergleich zu ihren US-Konkurrenten fast auf dem schwächsten Stand seit mindestens 2007.
Zu dieser Underperformance beigetragen hat laut Bloomberg vor allem die Krise am Immobilienmarkt in China. Allein Country Gardens Holding Co., zuvor Chinas größter Projektentwickler, belastete im August mit einem Wertverlust von bisher 49 Prozent den MSCI China, da befürchtet wurde, dass das Unternehmen seinen Kreditverpflichtungen nicht nachkommen könne. Das Unternehmen geriet wegen der andauernden Probleme am Immobilienmarkt trotz einer Kapitalspritze von 7 Milliarden US-Dollar im November letzten Jahres im August erneut in Zahlungsschwierigkeiten. Der Konzernverlust betrug im ersten Halbjahr 7,6 Milliarden US-Dollar und hatte den Not-Kredit damit mehr als aufgefressen. Zum 4. September wird das Unternehmen aus dem prestigeträchtigen Aktienindex Hang Seng Index (HSI) entfernt und durch den halbstaatlichen Pharmakonzern Sinopharm ersetzt. Davon verspricht man sich wohl eine eine Stabilisierung des Aktien-Index.
Kapitalflucht statt Zuflüsse
Globale Fonds haben die Aktienmärkte auf dem Festland verlassen und in einer seit zwei Wochen anhaltenden Kapitalflucht fast 11 Milliarden US-Dollar aus China abgezogen. Dies ist die längste Phase seit Beginn der Datenverfolgung durch Bloomberg im Jahr 2016. Auch Wall-Street-Analysten sind jetzt pessimistischer, darunter Morgan Stanley und Goldman Sachs Group Inc., die ihre Kursziele für chinesische Aktien senkten, nachdem man zu Beginn des Jahres noch positiv für China gestimmt war.
Obwohl die Spitzenpolitiker der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf der Sitzung des Politbüros am 24. Juli wachstumsfördernde Maßnahmen versprachen, wurde in der Praxis wenig unternommen, um der Verlangsamung der Wirtschaft entgegenzuwirken. Dies macht auf die Entschlossenheit von Präsident Xi Xinping aufmerksam, vom schuldengetriebenen Wachstumsmodell seiner Vorgänger abzuweichen und stattdessen die chinesische Wirtschaft zu stabilisieren. Wachstum ist aber genau das, was Investoren sehen wollen, zumindest eine dahin gehende Fantasie. Der chinesische Präsident hat diese Fantasie vorerst zerstört.
Prognoseanhebung aus Peking mutet surreal an
Chinas Regierung hebt trotz der signifikanten Wachstumsverlangsamung und der sich eintrübenden Frühindikatoren die Wachstumsprognosen erneut an, genau wie im Jahr 2021, als die Behörden hart gegen Privatunternehmen vorgingen, sagte Matt Maley, Chef-Marktstratege bei Miller Tabak + Co.
„Das Gleiche passiert dieses Jahr, da chinesische Beamte weniger rigoros auf die Schwäche ihrer Wirtschaft reagieren, als der Konsens erwartet hat“, sagte Maley. „Es zeigt, dass China sich überhaupt nicht darum kümmert, was andere denken, dass es tun sollte. China wird das tun, was seine Führung für das Beste für sie hält.“
Die neuesten Wirtschaftszahlen aus China sind eine düstere Lektüre: Die Bankkredite sind im Juli auf den tiefsten Stand seit 14 Jahren gesunken, die Deflation hat eingesetzt und die Exporte schrumpfen. Zhongzhi Enterprise Group Co., eine der größten Schattenbanken Chinas, hat seit letztem Monat die Zahlungen für zahlreiche hochverzinsliche Anlageprodukte eingestellt, was Befürchtungen einer Ansteckung durch den einbrechenden Immobilienmarkt hervorruft.
Morgan Stanley, JPMorgan Chase und Barclays gehen nun davon aus, dass China das von der Regierung gesetzte Wachstumsziel von rund 5 Prozent für 2023 deutlich verfehlt. Die Stimmung der Investoren ist daher weit entfernt von der im Frühjahr als dieses Ziel allgemein als noch zu konservativ angesehen wurde.
„Die Menschen sind besorgt über die mangelnde politische Reaktion“, sagte Dave Perrett, Co-Leiter für asiatische Investitionen bei M&G Investments. „Sie blicken auf die nächsten drei bis sechs Monate und gehen nicht davon aus, dass es der Wirtschaft viel besser geht, und die Menschen haben Angst vor einer Ansteckung.“
Kein Licht am Ende des Tunnels
Die Wirtschaftsdaten Chinas „führen alle zu einer schwächeren Überzeugung internationaler Anleger, das Risiko zu rechtfertigen, das sie für chinesische Aktien gegenüber Vermögenswerten anderswo ein besseres Risiko-Ertrags-Verhältnis eingehen“, sagte Xiadong Bao, Fondsmanager bei Edmond de Rothschild Asset Management in Paris gegenüber Bloomberg.
Die Beamten im Peking hoffen immer noch, ausländische Investoren zu überzeugen, wieder in die Aktienmärkte des Riesenreichs zu investieren. Die chinesische Wertpapieraufsichtsbehörde (CSRC) plant ein Treffen mit einigen der weltweit größten Vermögensverwalter in Hongkong einzuberufen, darunter Fidelity International Ltd. und Goldman Sachs, berichtete Bloomberg News am Freitag.
Laut Matthew Poterba, Senior Analyst bei Richard Bernstein Advisors, suchen globale Fondsmanager nach Beweisen für eine sich verbessernde Wirtschaft. Die aktuell aber nicht auszumachen sind.
„Ausländische Anleger stehen chinesischen Aktien derzeit unglaublich pessimistisch gegenüber“, so Poterba. „Viele Manager sind nach wie vor in chinesischen Aktien unterinvestiert und wollen zunächst weitere konkrete Anzeichen einer dauerhaften Erholung erkennen, bevor sie wieder einsteigen.“
FMW/Bloomberg
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Man darf gespannt sein, wie sich die Entwicklung von BRICS auf das westliche Sanktionsregime auswirken wird.
Ja China hat grosse Probleme als Folge des jahrelang schuldengepushten Wirtschaftswachstums.Aber es scheint,dass China jetzt bewusst eine längere Schmerzphase in Kauf nimm. XI Jinping bezeichnete das Streben nach kurzfristigen Wohlstandsgewinnen als Dekadenz ab.
China Korrespondent Fabian Kretschmer schreibt unter anderem einen guten Artikel darüber – DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI –
Die verschmähten Kommunisten handeln also kapitalistischer als der Westen und lässt die Lehre von Schumpeter wieder aufleben.
Googeln: Fabian Kretschmer
Ergänzend dazu:
https://www.timepatternanalysis.de/Blog/2023/08/23/vr-china-wachstumsdelle-oder-mehr/
China will eine sozialistische Ideologie aufbauen. Nehmen die wirklich De als Vorbild? Da diese Vorbilder gerade die deutsche Exportindustrie zerstören könnten doch diese Experten nach China exportiert werden und dort Aufbauhilfe leisten.