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Aktienmärkte: kommt die „Katastrophen-Rally“?

Kommt es schon im nächsten Jahr zu einer Katastrophen-Rally der Aktienmärkte, einem Crack-Up-Boom?

Es ist wahrscheinlich eine Vision abseits des Mainstream: eine Katastrophen-Rally der Aktienmärkte, ein Crack-Up-Boom – jenes Szenario, das Hannes Zipfel in seinem Artikel „Aktienmarkt: Der Lackmustest für die Katastrophen-Hausse“ in den Raum gestellt hat.

Derartiges erwarten aber nicht einmal optimistische Analysten, die für das Jahr 2020 wahrscheinlich einen Anstieg von etwa acht Prozent zu dem letzten Kursstand des Jahres vorhersagen werden. Nach ein paar Jahren mit „knapp-daneben-Prognosen“ wird man sich eher am statistischen Mittel der Kurssteigerungen orientieren.

Aber was müsste es für Rahmenbedingungen geben für eine Fortsetzung der Hausse der Aktienmärkte?

Zinssenkungen, eine zumindest schwach wachsende Weltwirtschaft, Pause im Handelsstreit, keine Inflation, Verstärkung von TINA und Euphorie der Anleger – so könnte man die Zutaten für ein derartiges und seltenes Szenario salopp umschreiben. Und natürlich das Ausbleiben von externen Schocks – die üblichen „unknown unknowns“.

 

Aktienmärkte: Das Zinsumfeld

Beginnen wir mit der Zinslandschaft: Um eine Katastrophenhausse der Aktienmärkte zu generieren, muss nicht nur der Anleihemarkt als Konkurrenz für die Dividendentitel ausfallen, nein, aufgrund der hohen Bewertung der Aktien müssten die Zinsen weltweit, wo es möglich ist, weiter gesenkt werden. Deutlich über 100 Zinssenkungen global waren es bereits in diesem Jahr – der Spitzenreiter dürfte die indische Zentralbank sein, die den Leitzins bereits fünfmal gesenkt hat im Jahr 2019.  Der monetäre Faktor müsste den Anlagenotstand weiter potenzieren, hingegen wären schon leichte Zinssteigerungen an den Kapitalmärkten Gift für die zombiefiizierte Unternehmenslandschaft.

Aktienmärkte und das Wachstum der Weltwirtschaft 

Was mögen Aktienmärkte am liebsten? Eine schwach wachsende Wirtschaft und sehr billiges Geld, denn bei einer stark wachsenden Wirtschaft würden die Mittel nämlich in die Realwirtschaft fließen. Was Aktienmärkte überhaupt nicht mögen ist das Abgleiten in eine Rezession. Es gab meines Wissens nach – zumindest seit 1945 -, noch keine Rezession, ohne dass es nicht zu einem vorherigen Einbruch der Märkte gekommen ist. Glaubt man den Voraussagen der großen Institute IWF, OEICD Weltbank u.a., so könnte dieses Szenario der schwach wachsenden Wirtschaft 2020 gegeben sein.

 

Pause im Handelsstreit

Der nun bereits schon seit Januar 2018 andauernde Handelsstreit der USA mit Ländern wie Mexiko, Kanada, China, Japan, Südkorea, Brasilien, Argentinien, und der EU – um nur die wichtigsten Zollopfer von Donald Trump zu nennen – hat die Weltwirtschaft bereits nicht nur geschätzte 700 Milliarden Dollar gekostet, sondern auch den fälligen zyklischen Abschwung verstärkt. Aber die wichtigste Auswirkung dürfte die daraus resultierende Unsicherheit der Firmen über die jeweiligen Standortbedingungen sein. Es soll schon Firmen geben, die wegen der Zölle ihren Produktionsstandort zweimal gewechselt haben (aber nicht in die teure USA), nur um dann von neuen Zöllen betroffen zu sein. Zumindest eine Pause im Handelskrieg wäre Grundvoraussetzung für das oben angedeutete Aktien-Szenario. Die Weltwirtschaft verträgt keine weitere Abschwächung, es befinden sich bereits fast 90 Prozent der großen Länder in einer wirtschaftlichen Abschwungphase.

Hinter diesen Gedanken verbirgt sich auch die wirtschaftliche Logik, dass Donald Trump gut zehneinhalb Monate vor den Präsidentschaftswahlen nicht den Zollstreit gegenüber China und vielleicht der EU eskalieren wird, in dem Bewusstsein (auch wenn es ihm Ex-Goldman Sachs-Direktor Steven Mnuchin eingetrichtert hat), dass sich derartige Entscheidungen erst richtig in einem halben Jahr realwirtschaftlich auswirken, vor allem am Arbeitsmarkt und damit in der heißen Phase des Wahlkampfs.

 

TINA

Das mittlerweile sehr populäre Akronym „There is no alternative“ ist derzeit sehr in Mode – und es bekommt wöchentlich neue Bedeutung. So auch in der letzen Woche, als die deutschen Versicherer ihre Ausschüttungsquote ein weiteres Mal absenken mussten. Ihre Hauptanlage-Terrain ist aus rechtlichen Gründen der Rentenmarkt und hier verschwindet der positive Zins von auslaufenden (10-jährigen) Langläufern von Monat zu Monat. Dies ergeht auch anderen Kapitalsammelstellen wie Pensionsfonds und Stiftungen so. Aus diesem Grund hat Börsenurgestein Gottfried Heller schon die Frage aufgeworfen, ob man in Erwartung einer längeren Niedrigzinsphase nicht die Anlagerichtlinien ändern könnte. Ähnlich wie beim norwegischen Staatsfonds (Statens pensjonsfond), der 2018 seinen Aktienanteil von 60 auf 70 Prozent hochgefahren hat.

Das Modell der meisten Volkswirtschaften ist nicht auf Nullzinsen ausgelegt, man braucht Rendite, sonst kollabiert das ganze System.

 

Aktienmärkte und die Euphorie der Anleger

Die letzte Zutat für eine Milchmädchen-Hausse  ist die Euphorie der Anleger, insbesondere der Kleinen, die zumeist auch noch in Schlagzeilen großer Massenmedien zu vernehmen ist. Dazu braucht es neue All-Time-Highs, um den Gierfaktor im limbischen System vieler zu aktivieren: wenn Freunde und Arbeitskollegen von ihrer tollen Rendite schwärmen, gemäß der alten Börsenweisheit: „ Es ist für die Seele sehr bedrückend, einen Freund reich werden zu sehen!“

Das Kapital wäre da, schließlich existieren in Deutschland auf schlecht verzinslichem Konten immerhin 2,4 Billionen Euro, davon schon mindestens eine Billion Euro ohne jede Verzinsung. Dafür könnte man nicht nur Apple kaufen, sondern fast den gesamten Dax. Dafür wäre aber ein gewaltiges Umdenken des deutschen Anlegers erforderlich. Aber es gibt einen Faktor, der dies gar nicht so unwahrscheinlich macht: Wie lange werden es die deutschen Sparer aushalten, auf ihren Kontoauszügen schrumpfende Beträge zu sehen?

Es ist eine bereits allgemein gültige und prämierte psychologische Erkenntnis, dass die Verlustaversion im Anlegergehirn stärker negativ wirkt, als die Freude über Gewinne positiv.

Einen richtigen Crack-Up-Boom der Aktienmärkte haben wir zuletzt 1999/2000 erlebt, als man selbst bei einem Stand von 100 Euro für die Telekom-Aktie noch mit einem Kursziel  von 140  Euro geworben hatte, bei der damals unangefochtenen deutschen Volksaktie. Bei 103,90 Euro war Schluss, anschließend ging es bis auf fünf Euro in den Keller.

 

Fazit

Wenn man sich die Konjunkturzyklen der letzten Jahrzehnte in ihrer Ausprägung betrachtet, so fällt auf, dass in der Regel ein Aufschwung erst dann beendet war, wenn der monetäre Faktor, plus eine anziehende Inflation, ihm den Garaus gemacht hat.

Leitzinsanhebungen sind in unserem Schuldenumfeld in Bälde nicht zu erwarten, deshalb dürfte die große Gefahr für die Hausse von steigenden Kapitalmarktzinsen ausgehen. Damit wären wir wieder beim Thema Zombiefizierung und BBB-Risiko.

Was das Szenario Katastrophenhausse angeht, müssten die obigen Faktoren akkumulativ auftreten, ein wahres „Goldilocks-Szenario“, welches nur ganz selten vorkommt. Ist es zuviel des Guten auf einmal?

Auf der anderen Seite erleben wir mit der Nullzinspolitik ein epochales Experiment, welches kein gutes Ende nehmen kann. Aber was kann nicht alles vor dem „Big Bang“ passieren, wenn die Notenbanken in monetärer Panik das Unheil abzuwenden versuchen. Da kann man schon etwas ins Grübeln kommen..

Gehen die Aktienmärkte in eine "Katatrophen-Rally" über?

Foto: Avarice (2012), by Jesus Solana / Wikipedia (CC BY 2.0) – Ausschnitt aus Originalfoto



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