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Aktienmärkte: Kommt jetzt wieder die Wall of Worry?

Desto länger die Korrektur der Aktienmärkte auf sich warten lässt, umso größer wird die Nervosität in der aktiven Fondsbranche

Aktienmärkte Wall of worry

Der Monat September brachte für die Aktienmärkte bisher eine Reihe von Verlusttagen, aber wo steht man im Vergleich zum Monatsbeginn? Beim S&P 500 gab es in den gut drei Wochen (16 Handelstage) neun Verlusttage und sogar einen kleinen Washout am vergangenen (roten) Montag. Mit 4394 Punkten lag der Leitindex zum gestrigen Handelsschluss aber gerade einmal 154 Punkte oder 3,38 Prozent unter seinem am 6. September erreichten Allzeithoch. Auch die gestrige Fed-Sitzung brachte zunächst keine große Änderung der Lage. Die Korrektur im September war von vielen Geldhäusern erwartet worden und man hatte sich entsprechend vorbereitet/abgesichert. Ist dies ein Grund dafür, warum der Abschwung der Aktienmärkte bisher noch keiner normalen Korrektur (-10 Prozent) entsprochen hat?

Könnte es damit in Kürze wieder zu einem erneuten Kursanstieg an einer Wand der Angst (Wall of Worry) kommen?

Aktienmärkte: Die Situation nach der Fed-Sitzung

Bedrängt durch den großen und beharrlichen Anstieg der Inflation und der Situation am Arbeitsmarkt (die Ziele der Notenbank: Price Stability and Maximum Employment) war das Fazit der gestrigen Tagung, dass man die 120 Milliarden Dollar umfassenden Käufe von Anleihen bald zurückfahren und auch die Zinsen früher als erwartet erhöhen könnte. Im Großen und Ganzen war dieses Ergebnis von den Märkten erwartet worden, denn es gab einen Satz, der wie eine Beruhigungspille für die Aktiemärkte gewirkt haben muss:

Der entscheidende Satz, der den Bullen gefallen haben könnte:

„If progress continues broadly as expected, the Committee judges that a moderation in the pace of asset purchases may soon be warranted.“

Wenn die Konjunktur weiter durchstartet, sprudeln die Gewinne der Unternehmen. Wenn nicht, bleibt die Geldflut noch länger erhalten.

Der Zeitplan und das Ausmaß dürfte bei der Novembersitzung bekannt gegeben werden, so dass man sich in nächster Zeit wieder den Konjunkturdaten und den Entwicklungen in der Weltwirtschaft widmen dürfte.

Die Sorgen abseits des Taperings

Natürlich gibt es derzeit genügend Entwicklungen, die eine Belastung für die Aktienmärkte darstellen. Ob die externen Probleme um den Immobilienmarkt in China mit den Konsequenzen für die Wirtschaft der zweitgrößten Ökonomie als Ganzes – kann es dort überhaupt ein größeres Wachstum geben, bei 65 Millionen leer stehenden Wohnungen, 20 Prozent des Gesamtbestandes und viel auf Pump gebaut? Wenn jetzt die chinesische Regierung versucht kontrolliert Luft aus der Blase zu entlassen, was heißt dies für die Rohstoffmärkte, deren größter Abnehmer über Jahre das Reich der Mitte gewesen ist?

Die USA selbst haben natürlich auch spürbare wirtschaftliche Verwerfungen, entstanden aus dem großen Reopening nach Corona. Lieferkettenprobleme allerorten, Materialmangel, eine hartnäckige Inflation bei den Produzentenpreisen, Probleme am Arbeitsmarkt, bei dem es mehr offene Stellen als Bewerber gibt, eine daraus langsam abspringende Lohn-Preis-Spirale, auch innenpolitische Grabenkämpfe. Die Konsequenz des Ganzen: Man befürchtet in den letzten beiden Quartalen eine Dämpfung des US-Wachstums, rückläufige Unternehmensergebnisse infolge eines inflationsbedingten Drucks auf die Margen. Alles das ist seit Längerem bekannt, auch die Faktoren, die die Aktienmärkte stützen.

Die Realrenditen bleiben tiefrot

Trotz der gestrigen Hinweise auf ein baldiges Ende des geldpolitischen Krisenmodus bleiben die Kapitalmarktzinsen weiter niedrig. 1,30 Prozent bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen, was in Kombination mit einer Inflationsrate bei den Verbraucherpreisen (minus 5,25 Prozent) eine Negativrealrendite von fast 4 Prozent bedeutet. Damit haben sich die Nöte für die Geldverwalter in keinster Weise geändert, zumal sich auch noch, trotz Tapering, eine halbe Billion Dollar an frisch gedrucktem Geld an die Märkte bewegen wird.

Viele aktive Fondsmanager stehen derzeit in Erwartung einer Herbstkorrektur der Aktienmärkte an der Seitenlinie, oder haben sich mit Putoptionen abgesichert. Es herrscht immer noch ein allgemeiner Anlagenotstand, ablesbar in folgender Zahlenreihe:

Minus 0,11%, -0,17%, +0,25%, -0,06%, +0,22%, -0,96%, -0,21%, -0,39%, -0,81%, +0,79%,-0,83%, +0,70%, -0,02%, -0,67%, -1,82%, -0,07%, +0,90%.

Dies sind die Tagesveränderung beim S&P 500 im Verlauf des Börsenmonats September, die aufzeigen, dass das große Geld den Markt nicht verlassen will (kann).

Warum Wall of Worry?

Viele Fondsmanager stehen also an der Seitenlinie, oder haben sich abgesichert in der Erwartung eines Rückschlags von mindestens zehn Prozent. Aber was ist, sollte sich dieser nicht einstellen will, immerhin sind es nur noch sechs Börsentage bis zum Monatsultimo? Was passiert, wenn sich die Benchmark wieder in Richtung alter Höchststände bewegt und damit auch die Performance der passiven Fondsbranche (Exchange Traded Funds)? Baut sich hier nicht Druck auf, wieder einmal?

Fazit

Noch liegen einige saisonal schwache Tage vor uns, noch können die Belastungsfaktoren auf die Aktienmärkte durchschlagen (ungeachtet stets möglicher negativer Überraschungen) – zu einem größeren Rückschlag führen, welcher aus sentimenttechnischer Sicht sogar gut wäre, um den Boden für eine kleine Jahresendrallye zu bereiten. Allerdings dürfte diese nach der bisherigen Jahresperformance bei den Indizes nicht mehr allzu groß ausfallen.

Denn nach 28,88 Prozent (2019), 16,66 Prozent (2020), lag der S&P 500 vor Kurzem schon fast 21 Prozent im Plus. Sollte es da noch einmal groß nach oben gehen, das dritte Jahr in Folge? Auf der Suche nach vergleichbaren Performance-Daten muss man schon in die Zeit vor der Dotcom-Blase zurückblicken, in der die Kurse zeitweise außer Rand und Band waren.

Aber um auf die eingangs gestellte Frage nach der Wall of Worry zurückzukommen: Desto länger die Korrektur der Aktienmärkte auf sich warten lässt, umso größer wird die Nervosität in der aktiven Fondsbranche, aufgrund folgender Entwicklung: Im Börsenjahr 2021 sind den Indexfonds mit 834 Milliarden Dollar jetzt schon 10 Prozent mehr an Anlagekapital zugeflossen als im letzten Rekordjahr 2020. Laut Datenanbieter ETFGI global bereits 9,7 Billionen Dollar, die dreifache Summe gegenüber 2018.

Die Mehrheit der aktiven Fonds liegt in ihrer Performance hinter den passiven. Daher könnte es bald wieder zu FOMO kommen (Fear of Missing Out), wenn….!



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