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Aktienmärkte: Liquiditätshausse und Fundamentalbaisse

Für die Aktienmärkte bricht nun eine wichtige Zeit an: In dieser Woche beginnt die US-Berichtssaison. Die Indikatoren sind auf Anschlag..

Für die Aktienmärkte bricht nun eine wichtige Zeit an: In dieser Woche beginnt die US-Berichtssaison, traditionell mit den US-Banken. Nachdem der S&P 500 im vergangenen Jahr um 28 Prozent zulegen konnte – obwohl es in mehreren Quartalen Gewinnrückgänge der Unternehmen gab – hat sich in den USA eine riesige Diskrepanz zwischen Aktienmarktbewertung und Unternehmensgewinnen gebildet. Das Aktien-KGV ist auf den hohen Wert von 18,5 gestiegen, während es vor Jahresfrist noch 13,9 betrug. Man hat ein ordentliches Wachstum für 2020 eingepreist. Jetzt müssen die Unternehmen liefern.

Aktienmärkte und Die Erwartungen für den Jahresstart 2020

Die US-Berichtssaison beginnt, wie üblich wesentlich früher als die deutsche, mit Airlines-, Bank- und Finanzwerten. Hier die Termine:

Montag:

Delta Airlines, United Airlines

Dienstag:

Blackrock, Citigroup, JP Morgan, Wells Fargo

Mittwoch:

Bank of America, Goldman Sachs, Morgan Stanley, US Bancorp

Donnerstag:

Bank of New York Mellon, Charles Schwab

Die Banken haben im Jahr 2019 schon eine deutliche Gewinnsteigerung eingepreist, anders ist der zweistellige Anstieg der Bankwerte – allen voran Citi plus 53 Prozent, Bank of America, JP Morgan beide plus 43 Prozent – kaum zu erklären. Das Jahr 2019 war für die US-Unternehmensergebnisse, was die akkumulierten Quartalsergebnisse betrifft, eine wahre Enttäuschung: Nach einem schwachen Start erwartete man für Q2 bis Q4 stetig Steigerungen, die aber immer ausblieben – und man schließlich von einer „Earnings Recession“ sprechen muss. Allenfalls von einer unveränderten Gewinnsituation, der große US-Leitindex ist aber um 28 Prozent nach oben geklettert.

Die Prognose für das letzte Quartal 2019 beläuft sich aktuell auf minus 0,6 Prozent bei den Unternehmensgewinnen, aber 2020 soll wieder einmal alles besser werden – die Erwartung:

Q1 plus 6,1 Prozent
Q2 plus 7,2 Prozent

Im abgelaufenen Jahr hatte die Federal Reserve mit drei Zinssenkungen und Käufen von kurzlaufenden T-Bills sowie der Flutung des Repo-Marktes für einen Gegenpol zu den Gewinnenttäuschungen gesorgt. Nachdem die US-Notenbank in jüngster Zeit aber verkündet hat, für eine längere Zeit die Zinsen auf ihrem jetzigen Niveau zu belassen, darf es eigentlich zu keinen großen Verfehlungen kommen, ohne dass die heiß gelaufenen Aktienmärkte mit Enttäuschung reagieren. Die von Markus Fugmann schon mehrere Male gezeigte Schere im Chart zwischen Aktienmarktentwickung und Ergebnisrealisierung ist bereits riesig – und schreit geradezu nach einer Schließung!

Liquiditätshausse contra Fundamentalbaisse, so bezeichnet Analyst Robert Halver diesen Wettstreit der entlastenden und belastenden Faktoren für die Aktienmärkte.

Zum Beginn der Berichtssaison gesellt sich Mitte der Woche ein Ereignis, was man fast schon als den am öftesten angekündigten Deal in der Wirtschaftsgeschichte bezeichnen möchte. „Was lange währt, wird …?

Der Phase 1 -Deal, Gelegenheit für Gewinnmitnahmen?

Wie oft wurde das Zustandekommen des ominösen Landwirtschaftsdeals, auch Phase 1-Deal genannt, versprochen und auch in den Märkten eingepreist? Am kommenden Mittwoch soll es nach dem Eintreffen der chinesischen Delegation in Washington und einem medienwirksamen Treffen mit Unterschrift der beiden Kontrahenten endlich soweit sein. Nachdem immer noch kein Text mit dem Inhalt des Vertrags publik gemacht wurde, könnte es bei Abschluss des langen Gezerres aber zu Gewinnmitnahmen der Aktienmärkte kommen – vor allem, wenn der Deal die hochgesteckten Erwartungen verfehlen sollte.

Man wird zwar gleich über die Verhandlungen zum Phase 2-Deal fabulieren, aber wie realistisch ist ein substanzieller Fortschritt vor den US-Wahlen im November, vor allem unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Divergenzen bei den Verhandlungspunkten (Stichworte: Geistiges Eigentum, Öffnung der Märkte, Abbau von Subventionen)?

Fazit

Kommt sie jetzt, die erwartete Korrektur der Aktienmärkte, wie es die heiß gelaufenen Indikatoren schon seit einiger Zeit nahelegen, oder doch noch nicht? Ob Fear&Greed-Index (derzeit 91), der relative Stärke-Index RSI mit seinem starken Überkauftmomentum, oder die im Langzeitvergleich betrachtet extrem niedrige Absicherung der Investoren in den USA (Put/Call-Ratio auf niedrigstem Stand seit acht Jahren). All das sind eigentlich gute Voraussetzungen für eine Korrektur. Auf der anderen Seite gibt es die stets weiter vorhandene Geldflut, speziell der Federal Reserve, die parallel zu den Aktiennotierungen steigt. Dazu kommt das Verhalten der Kleinanleger, die bekanntlich dann auf einen fahrenden Zug aufspringen, wenn die Märkte bereits teuer sind – einmal mehr angefacht durch die Angst etwas zu verpassen: FOMO!

Der US-Notenbank dürfte es aber intern langsam etwas mulmig werden mit der Bubble am Aktienmarkt (Dow 29000, plus 11000 Punkte seit Ende 2016), die sie mit ihrer Liquiditätsflut selbst mitverursacht hat – und die bei einem Platzen und dem Absturz der Aktienmärkte eine große Delle im US-Verbrauchervertrauen sowie im US-Konsum verursachen würde. Letzterer ist nach wie vor der große Stabilisator für die US-Wirtschaft und nicht der Produktionssektor, auch wenn manche Aktienbewertung etwas anderes suggeriert.

Also, wie langsam ein bisschen Druck aus den Kessel nehmen? Gibt es ein neues Wort für diesen Zustand? „Irrational Exuberance“ (irrationaler Überschwang), ein treffender Begriff von Alan Greenspan aus dem Jahre 1996, dieser ist aber bereits verbraucht (spätestens nach dem gleichnamigen Buch von Nobelpreisträger Robert Shiller, 2000) und negativ besetzt, aber er würde die aktuelle Lage dennoch recht gut beschreiben. Aber wehe, der Notenbankchef würde eine Andeutung in dieser Richtung machen, wo Donald Trump doch davon gesprochen hat, man habe mit den Gewinnen der Aktienmärkte erst den Anfang gemacht, das Beste komme noch! Alice (USA) im Wunderland, 155 Jahre später.

Die Aktienmärkte ignorieren die schwachen Fundamentaldaten und feiern die Liquidität der Notenbanken



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