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Aktienmärkte mit goldenem Oktober oder Herbstblues?

Gebäude der Börse in New York ist das Symbol der US-Aktienmärkte

Der erwartete Rückschlag für die großen Aktienmärkte in Richtung Korrektur (> 10 Prozent) ist in der Vorwoche ausgeblieben. Bereits kleine Zeichen der Entspannung und technische Gründe haben dazu geführt, dass einige Anleger ihre Shortpositionen verkleinert haben, an den Markt zurückgekehrt sind, der damit so etwas wie einen kurzfristigen Mehrfachboden ausgebildet hat. Die Pattsituation an den Märkten zwischen zinsbedingter Alternativlosigkeit und schlechterer Datenlage wurde auch nicht durch enttäuschende Arbeitsmarktdaten am Freitag beendet. Die Abgaben vor dem Wochenende waren marginal. Jetzt kommt aber in nächster Zeit etwas aufs Tableau, was für die Märkte eine ganz zentrale Bedeutung aufweist – immer noch: Der Ausweis über die Gewinne der Unternehmen in der Berichtssaison.

Stabilisierung der Aktienmärkte, aber noch kein neuer Trend

Der S&P 500 beschloss die Woche im Plus, mit einem Anstieg von 0,75 Prozent auf Wochensicht. Dies geschah ohne die Unterstützung von BigTech, die Zykliker haben es „herausgerissen“.

Chart zeigt mit S&P 500 den wichtigsten Index der Aktienmärkte

Auch andere Indizes zeigten sich zum Wochenende relativ stabil, kaum Gewinnmitnahmen: Dow minus 0,02 Prozent, Nasdaq minus 0,51 Prozent, Dax minus 0,3 Prozent. Aber: Obwohl der S&P 500 nur 3,21 Prozent von seinem Allzeithoch von Anfang September entfernt liegt, ist man noch nicht in den Aufwärtstrend zurückgekehrt.

S&P 500 Chart

Die Zeichen der Wirtschaftsabschwächung

Wie bereits mehrfach in diesem Jahr ausgeführt, ist der Versuch einer langfristigen Wirtschaftsprognose „Trial and Error“. Demzufolge hat der Internationale Währungsfond seine Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft von 6 Prozent (2021) bereits gesenkt. Auch für die USA werden die kommunizierten sieben Prozent nicht mehr für realistisch gehalten. Hier noch einmal die Juli-Prognose des IWF für das Jahr 2021. Insgesamt soll(te) die Weltwirtschaft 2021 um sechs Prozent wachsen, im Jahr darauf noch einmal um 4,9 Prozent. Die im Juli angenommenen Veränderungen beim Bruttoinlandsprodukt ausgewählter Staaten, in Klammern der Einbruch im Vorjahr:

Indien: plus 9,5 Prozent (-7,3 Prozent)
China: plus 8,1 Prozent (+2,3 Prozent)
Großbritannien: plus 7,0 Prozent (-9,8 Prozent)
USA: plus 7,0 Prozent (-3,5 Prozent)
Kanada: plus 6,3 Prozent (-5,3 Prozent)
Spanien: plus 6,2 Prozent (-10,8 Prozent)
Frankreich: plus 5,8 Prozent (-8,0 Prozent)
Italien: plus 4,9 Prozent (-8,9 Prozent)
Russland: plus 4,4 Prozent (- 3,0 Prozent)
Deutschland: plus 3,6 Prozent ( minus 4,8 Prozent)
Japan: plus 2,8 Prozent ( – 4,7 Prozent)

Könnte etwas schwierig werden, für China, die USA, aber auch für Deutschland. Aktuell zeigt der GDP Now-Indikator der Notenbank von Atlanta nur noch ein Wachstum von 1,3 Prozent für das 3. Quartal in den USA an. Was für eine Divergenz zu den Markterwartungen von fünf Prozent!

GDP Now Indikator

Die Gründe für die sich eintrübenden Wirtschaftsaussichten wurden bei FMW tagtäglich präsentiert. Für die USA, aber auch für Deutschland, überall das Gleiche: Stark gestiegene Energiekosten, Lieferengpässe in allen Sektoren, Materialmangel, Margendruck für die Unternehmen, ein nachlassendes Verbrauchervertrauen in den USA, was allerdings noch nicht zu stark rückläufigen Einzelhandelsumsätzen geführt hat.

Stark steigende Preise für Öl und Gas haben die Inflation angetrieben, täglich gibt es neue Meldungen zur neuen „Energiekrise“, insbesondere aus China. Aktuell besonders brisant: Die chinesische Regierung fordert in großem Maße zum Energiesparen auf, auch bei der Förderung von Magnesium. Hier ist man fast Monopolist und die Exportbeschränkungen betreffen Deutschlands Schlüsselindustrie wie ein Hammer. 87 Prozent der globalen Förderung stammt aus China und 95 Prozent der Exporte gehen davon nach Europa. Das Element wird benötigt u.a. im Leichtbau für unsere Luxuskarossen.

Ein weiteres Problem, denn die deutsche Industrie stellte im Monat August (zusammen mit Bauwirtschaft und Energieversorgung) schon vier Prozent weniger her als im Vormonat, der stärkste Rückgang seit April 2020. Überall fehlen Materialien, insbesondere Halbleiter. Das Wort Materialengpass fehlt derzeit in fast keinem Wirtschaftsbericht. Es dürfte in einigen Branchen nicht allzu schnell zu einem Schließen der Angebotslücken kommen. Was für Lieferzeiten für die Halbleiter!

Lieferzeiten für Halbleiter

Hinzu kommt auch noch zunehmender Lohndruck, wie der Anstieg der Löhne um 0.6 Prozent im Vergleich zum Vormonat durch die jüngsten Arbeitsmarktdaten gezeigt hat. Kurzum: Die amerikanische Konjunktur kühlt stärker ab, als mancher zu glauben bereit ist. Aber all das hat es bisher nicht geschafft Börsenindizes stärker ins Minus zu zwingen, denn es gibt auch eine positive Auslegung der derzeitigen Wirtschaftsprobleme.

Die Antriebsfaktoren

Neben des Glaubens an die Vergänglichkeit der übergroßen Preisanstiege (Inflation – transitory) und der nachlassenden Lieferkettenprobleme, ist es vor allem die Hoffnung auf eine Verschiebung des Aufschwungs ins Jahr 2022. Wenn also die Produktion wieder vollständig in Fahrt kommt und die Nachfrage bedient werden kann. Was natürlich in den für die Aktienmärkte relevanten Zeitraum fiele. Q3 ist schon vorbei, die Märkte blicken weit ins Jahr 2022, mit all den Unsicherheiten. Wie auch im Jahr 2020, wo Viele ständig moniert hatten, es könne keine V-förmige Wirtschaftserholung geben, wie es die Kursanstiege andeuteten. Nach dem Investoren-Sentimentindex AAII sind immer noch 36 der Profis pessimistisch eingestellt und rechnen mit fallenden Notierungen, 37 Prozent sind neutral positioniert, nur noch ein kleiner Teil optimistisch – ein Kontraindikator? Entspannungszeichen bei den Containerpreisen?

Frachtraten bei Schiffen

Ein weiteres Entspannungsmoment war der Kompromiss im US-Kongress zur Anhebung der Schuldengrenze, zumindest bis in die Vorweihnachtszeit hinein. Damit hat man allerdings nur Zeit gewonnen, das Problem ist noch nicht vom Tisch. Insgesamt scheinen Investoren die derzeitige Problematik so zu interpretieren:

– Tapering wird kommen, aber nicht mit der Brechstange.
– Die Nachfrage nach Gütern ist fantastisch, die Angebotsprobleme führen zu den aktuellen und global erkennbaren Problemen in der Wirtschaft.
– Aber das Wachstum ist auf das nächste Jahr verschoben. Verschoben ist nicht aufgehoben.

Die ganze Spekulationen über die Wirtschaftsaussichten finden aber in den nächsten Tagen und Wochen ein Ende, wenn die Unternehmen ihre Quartalsergebnisse bekannt geben und dabei noch über die Aussichten ihrer Firmen für die nächsten Quartale berichten. Zunächst beginnt es wie üblich mit den Berichten der Banken, die allerdings über den jüngsten Zinsanstieg nicht gerade unglücklich sein dürften. Der heutige Montag wird schon einmal spannend: Kehrt der S&P 500 in seinen Aufwärtstrend zurück, oder gibt es den nächsten Abpraller für die Aktienmärkte?

Fazit

Die erste Oktoberwoche ist vorbei, die Korrektur hat sich wieder einmal nicht ausgeweitet. Die Nachrichten aus der Wirtschaft deuten auf Abschwächung hin und trotz des schwachen Arbeitsmarktberichts sollte es mit dem Tapering der US-Notenbank noch in diesem Jahre beginnen.

Aber wird dies noch zu einer Belastung für die Märkte führen, etwas, was schon lange angekündigt wurde und demzufolge eingepreist sein dürfte? Denn was bedeutet dies für die Geldversorgung in den nächsten sechs Monaten? Selbst bei einer monatlichen Reduktion um 15 Milliarden Dollar bei den Anleihekäufen käme damit eine weitere Geldzufuhr von 400 Milliarden Dollar zustande – in Verbindung mit den vielen genehmigten und angekündigten Aktienrückkäufen an der Wall Street. Wahrlich noch keine aggressive Bremse für die Aktienmärkte. Von einer Anhebung der Leitzinsen ist für den börsenrelevanten Zeitraum auch noch nichts zu erwarten.

Nach meiner Wahrnehmung gibt es (abseits exogener Schocks) zwei Gefahrenpunkte für die Marktentwicklung: Ein rascher Anstieg der Kapitalmarktzinsen über die zwei Prozent hinaus, der sofort Druck auf die Hightech-Werte ausüben würde, mit ihrer 25 Prozent-Gewichtung im breiten Markt. Ein absoluter Bremsklotz für die Aktienmarktentwicklung.

Das zweite Gefahrenmoment für die Aktienmärkte könnte sich aus der bald beginnenden Quartalsberichtssaison ergeben. Nicht so sehr aus den Ergebnissen für Q3, die aufgrund des Margendrucks deutlich schlechter als noch vor ein paar Monaten erwartet herauskommen dürften, sondern von den eventuell schlechteren Ausblicke für die nächsten Quartale. Diese würden die Marktbewertungen auf ein anderes Level bringen. Denn unabhängig von der Geldflut geht es immer noch um die Gewinne der Unternehmen und deren Bedeutung für Steuern und den Arbeitsmarkt. Sehr schön erkennbar an dieser Grafik, die den bisherigen Rückgang des Markt-KGVs aufgrund der Wirtschaftserholung zeigt.

Aktienmärkte im Vergleich zu den KGVs

Sollte es bei den Gewinnaussichten eine Wende geben, wäre Gefahr im Verzuge für die aktuelle Hausse.



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3 Kommentare

  1. Italien plus 4,9%
    Deutschland plus 3,6%

    Nicht schlecht für das von Nordländern gern und viel geschmähte Südland!

    1. @Columbo

      Wenn Sie bei Ihrem Kommentar die 4,9 Prozent Wachstum für dieses Jahr, in Relation zu den minus 8,9 Prozent Schrumpfung (fast doppelt so stark wie in Deutschland) des Vorjahres berücksichtigt hätten, dann wäre Ihnen vielleicht aufgefallen das die Nordländer weiterhin das Südland „schmähen“ können ;-)

  2. @Richie Rich

    Na und? Die Vergangenheit ist vergangen.
    Die nördliche Zukunft sehe ich mit dem Sparbuchkanzler eher suboptimal.
    Da ist mir ein südlicher Goldman-Regierungschef tatsächlich lieber. Der rät seinen Untertanen wenigstens nicht zu Girokonto und Sparbuch als Geldanlage.

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