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Aktienmärkte – neue Allzeithochs an US-Börse?

Moderate Korrekturen trotz jeder Menge „Bad News“ - steigen die Aktienmärkte der USA bald auf ein neues Allzeithoch?

Steigen die Aktienmärkte der USA bald auf ein neues Allzeithoch? Mir ist klar, dass ich mit den folgenden Argumenten bei vielen Anlegern keine Freudenstürme auslöse. Aber wenn man sich die Aktienmarktentwicklung an der Wall Street in den letzten Wochen ansieht – moderate Korrekturen trotz jeder Menge „Bad News“ – und jetzt die Rally, fragt man sich unweigerlich: Was steckt dahinter?

Erinnern wir uns: Warum waren die Kurse an der Wall Street im Februar und Dezember 2018 so drastisch gefallen? Weil zuerst Euphorie geherrscht hat, die Fed das Geld verknappte und urplötzlich Rezessionsängste aufkamen. Und die Situation heute? Gründe für neue Hochs an der New Yorker Börse:

 

Aktienmärkte – Das Sentiment und die Positionierung der Investoren

Im August herrschte ein großer Pessimismus vor, wegen der Folgen des Handelsstreits, der Abschwächung der Weltwirtschaft und der geopolitischen Risiken. Bei Google wurde das Wort Rezession in selten gekannten Dimensionen angeklickt.

Das Sentiment der Anleger und die Positionierung standen eindeutig auf Risk Off. Zuflüsse in Anleihen in Rekordhohe und eine erheblich Unterinvestition der Fonds (aktuelle Umfrage Bank of America Merril Lynch) in Aktien zeigen dies auf. Dazu die üblichen Sentimentindikatoren Bull/Bear-Index und der Fear & Greed-Index, der auch nach den Kursanstiegen der letzten Tage noch im Angstbereich steht, deuteten große Vorsicht an. Zudem ist der Volatilitätsindex VIX in den letzen Tagen zusammengefallen, die großen Anleger haben etwas auf Risk On-Modus umgeschaltet. Der VIX steht derzeit bei 16, vor den großen Einbrüchen im Januar und Dezember 2018 lag er doppelt so hoch.

Ein weiteres Zeichen gibt der Economic Surprise Index der Citigroup, der von seinem kürzlich erreichten Tief von unter minus 60 gerade wieder in die Pluszone gesprungen ist.

Ergo: Die große Angst vor dem September erzeugte eine große Vorsicht und symbolisiert das Gegenteil von Euphorie.

Dies war auch bei der Positionierung in den einzelnen Sektoren erkennbar. Aktien aus dem Basiskonsumsektor und von Versorgern sprangen in den USA in die Höhe und natürlich Gold. Dazu die Daten des letzten Monats: Seit Ende Juli hatte sich der ETF auf Basiskonsumgüter um fast 4 Prozent verteuert, der ETF Versorger war um mehr als 7 Prozent gestiegen, das Gold-Pendant sogar um mehr als 9 Prozent. Und der Gesamtindex S&P 500? Dieser fiel im Betrachtungszeitraum bis vor wenigen Tagen um über 1 Prozent.

 

Ein Hoffnungsschimmer in den Wirtschaftsdaten

Auch wenn man den Eindruck gewinnen könnte, dass es mit der Weltwirtschaft ungebremst nach unten ginge, gab es in den letzten Tagen ein paar Daten, die das Rezessionsgespenst schlagartig etwas vertrieben haben.

In China stieg der Einkaufsmanagerindex Verarbeitendes Gewerbe über die Wachstumsschwelle (50,4 Punkte), der PMI Dienstleistungssektor sogar auf 52,1 Punkte. Auch in Europa und Deutschland war dieser Teilindex im letzten Monat gestiegen. In den USA rutschte der PMI Industrie zwar unter die 50-er Marke, der konkturell wesentlich bedeutsamere ISM Service sprang dafür im letzten Monat auf 56,4 Punkte. Die Auftragseingänge legten deutlich zu, der Arbeitsmarkt fiel zwar etwas schwächer aus (was wiederum gut für die Zinssenkungshoffnungen zu werten ist) aber die Stundenlöhne legten einmal mehr deutlich zu (0,4%), was den Konsum im anstehenden Weihnachtsgeschäft befeuern könnte. Hinzu kommt das Gesamtsignal:

Der globale PMI stieg trotz des Handelsstreits im August sogar von 53,2 auf 53,5 Punkte.

Ja, und noch erwähnenswert: Der Baltic Dry Index hat als Frühindikator für den Welthandel ein neues Mehrjahreshoch erreicht – 2518 Punkte (eine Vervierfachung binnen Jahresfrist). Ich frage mich: Fährt man die Gütermengen zum Spaß in der Gegend herum?

 

Die Konkurrenzsituation Aktien zu Anleihen, Zinssenkungen

Seit ewigen Zeiten gibt es die Konkurrenz in den Hauptanlageklassen – Aktien oder Anleihen. Wie sieht es bewertungstechnisch aus? Hier die USA, in Europa ist das Ganze noch viel extremer:

Das KGV des S&P 500 liegt (derzeit) bei gut 17 und damit nicht allzu hoch über seinem langjährigen Durchschnitt. Im Vergleich zum KGV der Rentenmärkte (ca. 60 bei den 10 -jährigen US-Treasuries) sind die Aktienmärkte, wie Warren Buffett schon bemerkte, ziemlich billig. (Warum er selbst noch nicht gekauft hat, darüber lässt sich nur spekulieren.)

Hinzu kommt noch eine Dividendenrendite im S&P 500 von 1,90 Prozent, die damit höher liegt als die Rendite bei den Langläufern am Bondmarkt.

Nachdem sich die Wirtschaftsdaten ein bisschen verbessert hatten, gab es sofort ein kleines Blutbad bei den Langläufern. Die Kurse der 30-jährigen US-Staatsanleihe fiel innerhalb weniger Stunden um über 10 Prozent. Dennoch werden die Leitzinsen in vielen Ländern, neben den USA, weiter fallen. Auch wenn die Geldpolitik der Notenbanken in einigen Regionen kaum mehr Effekte erzielen kann, in summa wird in vielen Ländern (67 Zinssenkungen in 2019 bisher) das Geld billiger gemacht. Allen voran China, das eine Senkung des Mindestreservesatzes um einen Prozentpunkt zum Ende des Monats in Aussicht stellt. Warum spricht das alles für Aktien?

Die Marktwirtschaft und ihre Akteure sind nicht auf eine Welt ohne Zinsen eingestellt, deshalb bleiben die Aktienmärkte immer wieder attraktiv (Dividenden, Kursgewinne und sei es nur wegen der Buybacks) – und nicht etwa weil irgendwelche Mächte die Kurse nach oben manipulieren. Keine Kapitalsammelstelle – ob Fonds, Versicherung oder Stiftung – kann auf Dauer ohne Zinsen überleben.

Also bleiben viele notgedrungen in Aktien, manch einer muss sogar die Quote erhöhen.

 

Aktienmärkte und Kursmanipulationen an den Wertpapiermärkten?

Immer wieder wird in Börsenforen von einem gemeinsamen Interesse gesprochen, die Kurse der Aktienmärkte hochzuziehen – ganz übergeordnet stimmt das natürlich, denn alle Aktienanleger sind auf Vermehrung ihres Kapitals bedacht, also prinzipiell long. Man könnte den Kurstreiber Aktienrückkäufe auch als eine Art Manipulation bezeichnen. Diese werden aber vorher angekündigt, genehmigt und sind seit Jahrzehnten Usus in den USA.

Aber kann es im Aktienbereich überhaupt gemeinsame, übergeordnete Aktionen geben? Allein die größten sieben Staatsfonds: Government Pension Fund (NOR), China Investment Corporation, Abu Dhabi Investment, Kuweit Investment, Hongkong Monetary Authority Investment, SAMA Foreign Holding (Saudi-Arabien) und SAFE Investment Company (China) haben ein Anlagevolumen von fast 5 Billionen Dollar. Gemeinsame Strategie?

Dazu die Handelsabteilungen von Bank of America, JPMorgan, Morgan Stanley oder Goldman Sachs, die in tiefer Konkurrenz zueinander stehen, die aggressiven Hedgefonds (mit milliardenschweren Leerverkäufen), die billionenschweren Fonds Blackrock, Vanguard, State Street, Fidelity, die auch Hundertausende Sparpläne verwalten, die zu Beginn des Monats oder zur Monatsmitte kaufen, die Optionshändler an der CBOT in Chicago?

Wie koordiniert man die Ereignisse in London, in Italien, in Hongkong, aus China kommende Äußerungen zum Handelsstreit und die emotional geprägte Antwort aus Washington? Man braucht nicht die Bücher des Risikohändlers Nassim Nicolas Taleb (Der schwarze Schwan, Narren des Zufalls, Antifragilität, Das Risiko und sein Preis), der 18 Jahre an der Wall Street tätig war, gelesen zu haben, um zu erkennen, dass kurzfristige Kursreaktion hauptsächlich dem Zufall geschuldet sind. Kleine Versuche mag es immer geben, an besonders kritischen Marken.

Manipuliert wird eindeutig am Anleihemarkt und zwar durch die Notenbanken. Ankäufe von Anleihen über 10 Billionen Dollar weltweit tätigen (was der 10-fachen Summe des Dax entspricht) können nur Organisationen, die Geld drucken können und das sind nunmal nur Fed, EZB, PBoC, BoJ, SNB u.a. und sie werden dieses Experiment wahrscheinlich noch eine Weile fortsetzen.

 

Das Damoklesschwert geopolitische Risiken

Wir haben natürlich die so genannten geopolitischen Risiken, die es aber in jedem Jahr gibt. Vonseiten Brexit, Italien und auch Hongkong gab es versöhnliche Signale, die manchen Investoren zum Umdenken brachten.

Wäre da nicht der Handelsstreit mit dem unberechenbaren US-Präsidenten. Aber dessen Unberechenbarkeit könnte sich zunehmend verringern mit dem Ablauf der Zeit zum Wahltermin 2020. Man hatte es ja erst kürzlich gesehen: mal schnell die Zölle um 10 Prozent androhen und schon sind 800 Punkte im Dow Jones dahin. Da die Wirkung von Zöllen jetzt immer stärker auf den Konsumenten durchschlägt, ist für mich hier eher ein Waffenstillstand oder ein ewiges Hin und Her zwischen Ankündigung und Verschiebung wahrscheinlich.

 

Fazit – die Lage der Aktienmärkte

Es sieht doch noch einmal sehr nach einem Strohfeuer an den Börsen aus.

Der Dax befindet sich in einer großen Seitwärtsbewegung, bereits seit 2015, vor allem weil die deutsche Exportunternehmen mehr als genug interne und externe Probleme haben. Trotzdem könnte auch hier ein kleiner Sprung nach oben erfolgen. Und die Wall Street?

Ich habe es in zahllosen Kommentaren der letzten Jahre erwähnt. Der wichtigste Faktor an der Börse ist der monetäre und damit auch die Konkurrenz zwischen Aktien und Rentenmärkten. Je niedriger die Zinsen, desto lukrativer die Aktienmärkte. Außer, und das ist der entscheidende Punkt – es kommt eine Rezession, denn dann stehen die Dividendenzahlungen auf der Kippe und die Kurse stürzen ab – man flüchtet in Anleihen und in Gold. Die letzte Woche hat einige Entspannung an der Konjunkturfront gebracht, die Zinsen sind dennoch extrem niedrig. TINA is back!

Wie lange? Das Strohfeuer könnte so lange lodern, bis die Rezessionsängste wieder zurückkehren oder eine plötzlich anziehende Inflation den Notenbanken Fesseln angelegt.

 

Steigen die Aktienmärkte der USA auf neue Allzeithochs?



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1 Kommentar

  1. Werter Herr Müller, mit Ihrem Artikel haben Sie die entscheidenden Einflussfaktoren wieder einmal bestens aufgezeigt und zusammengefasst. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu. Ich denke, wir sind in einer hochspannenden Phase, in der alles möglich ist. Nach unten wie auch nach oben.

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