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Aktienmärkte: Powells Zinspause und die Rally

Die Kurse werden kurzfristig nicht bestimmt durch Charts oder volkswirtschaftliche Daten, sondern durch die Hoffnungen und Nöte der Anleger!

Die Zinssenkung der US-Notenbank in der letzten Woche sowie die Ankündigung einer Zinspause durch Fed-Chef Powell, haben die Aktienmärkte in Wallung versetzt – weltweit. Vor allem die verbale Abkehr von einer baldigen Möglichkeit einer geldpolitischen Straffung befeuerte die Rally, weil damit klar wurde, dass es immer schwerer wird, am Zinsmarkt eine Rendite zu erzielen, die überhaupt noch über der Inflationsrate notiert. Die Politik des billigen Geldes produziert manche Fehlallokation. In Deutschland scheint man sich umzubesinnen, vor allem weil das Thema Negativzinsen immer mehr die Runde macht – auch bei denjenigen, die sich nicht für das Thema Geldanlage interessieren.

 

Aktienmärkte und das Geldvermögen der Deutschen

Können Sparer diese Dinge weiter ignorieren, nach jahrelanger, schleichender Enteignung? In Deutschland scheint man sich umzubesinnen, vor allem weil das Thema Negativzinsen immer mehr die Runde macht, auch bei denjenigen, die sich nicht für das Thema Geldanlage interessieren. Nach neuen Angaben der Bundesbank ist das Geldvermögen der deutschen Haushalte im zweiten Quartal 2019 um weitere 1,5 Prozent gewachsen, auf sagenhafte 6,237 Billionen Euro. Dabei betrugen die wichtigsten Posten:

  • 2,520 Billionen, entsprechend 39,5 Prozent – Bargeld und Einlagen
  • 2,297 Billionen, 37 Prozent – Versicherungen, Altersvorsorgesysteme
  • 652 Milliarden, 11 Prozent – Aktien
  • 614 Milliarden, 10 Prozent – Investmentfondsanteile

Angesichts der Riesensumme von zweieinhalb Billionen Euro auf unverzinslichen Konten, wird vielleicht verständlich, warum Mario Draghi einfach stur an seinen Niedrigzinspolitik festhielt, um wenigstens einen Teil davon in den Konsumsektor zu transportieren. Bisher mit wenig Erfolg. Diese Summen sind natürlich auch den Zentralbanken anderer EU-Länder bekannt.

Auswirkungen der Notenbankpolitik

Wie bereits gestern beschrieben („Kommt jetzt die Santa Claus Rally? Euphorie mahnt zur Vorsicht“), löste dies weltweit einen weiteren Schub an den Aktienmärkten aus, in zeitlicher Koinzidenz mit wirtschaftspolitischen (Brexit, Handelsstreit) und konjunkturellen Entspannungssignalen (Einkaufsmanagerindizes, Arbeitsmarktdaten).

Für die Dax-Anleger scheint diese Entwicklung im Zusammenhang mit dem Zinsschritt der EZB und dem Anleihekaufprogramm zu einem Umdenken zu führen. Dazu bemerkte der Vermögensverwalter Bert Flossbach: „Damit ist jedem klar geworden, dass für sehr lange Zeit eine Zinserhöhung ausgeschlossen ist“, zudem würde dies einen Permafrost beim Zins signalisieren.

Auf Weltebene haben 85 Prozent der wichtigsten Notenbanken die Zinsen gesenkt, vor einem Jahr betrug dieser Anteil 40 Prozent. Das ist für mich der Hauptgrund für die derzeitige Aktienhausse – und nicht etwa die Freude über den Phase-1-Deal. Was haben denn Dutzende von Staaten von einem Landwirtschafts-Deal zwischen den USA und China? Die US-Börsen steigen derzeit auch schwächer als die in den Emerging Markets und in zahlreichen Industriestaaten.

Der „Scheinfortschritt“ bei den Handelsgesprächen wird als Zeichen gewertet, dass es zu keiner weiteren Verschärfung im Handelsstreit kommt, mit weiteren Störungen der Weltwirtschaft. Der Wahltermin 2020 hat die Jahresfrist bereits unterschritten – mit jeder Woche wird es für Trump nun kritischer für Eskalationen in der Auseinandersetzung, die sich in Konjunktur und Arbeitsmarkt erst richtig in einem halben Jahr zeigen würde (sehr zur Freude für den politischen Gegner!).

Die Emerging Markets freuen sich über die Abschwächung des Dollars, weil sie in dieser Währung verschuldet sind und erst 2018 bei den US-Zinssteigerungen und der damit verbundenen Dollarstärke unter Wasser gerieten. Die Underperformance gegenüber den USA wird jetzt ausgeglichen, das Powell-Statement, dass es zu keinen Zinsanhebungen kommt, wirkt wie eine Befreiung. Die Rezessionsgefahr sinkt, wie auch am Rentenmarkt erkennbar.

Hauptverantwortlich für die Börsenhausse bleibt nach meiner Wahrnehmung eine weltweite Politik des billigen Geldes, der so genannte monetäre Faktor, der fast immer zu steigenden Aktienkursen führte: Einer statistischen Erhebung zufolge war der S&P 500 nach drei Zinssenkungen in den kommenden Monaten in vielen Zyklen zumeist spürbar gestiegen: Im Durchschnitt nach einem Monat um 2,2 Prozent, nach drei Monaten um 7,9 Prozent, nach einem halben Jahr um 10,1 Prozent und nach einem Jahr sogar um 20 Prozent. Nur eine Statistik, die aber keinem Anleger mit Short-Positionierung gefallen dürfte.

 

Aktienmärkte und die Nöte des deutschen Kapitalanlegers

Es wurde bereits viel geschrieben über die Vorsicht des deutschen Kapitalanlegers, seine Angst vor der Volatilität der Aktienanlage und den dabei stets auftretenden Kurseinbrüchen und seine Präferenz für Zinsanlageformen, so niedrig sie aus ausfallen mögen. Dann erhöht man eben lieber die Sparsumme. Dies hat sich erkennbar geändert, wie diverse Umfragen ergeben haben (siehe den Artikel „Aktien: Interesse der Deutschen steigt, weil sie teurer werden?“).

Der Auslöser könnte nun die ständige Drohkulisse von Minuszinsen sein, die von vielen Instituten schon einmal prophylaktisch angedeutet werden.

Der „Knackpunkt“ ist nämlich ein psychologischer: Verluste sind, wie es zahlreiche Studien nachgewiesen haben, erheblich schwerer zu verkraften als Gewinne Freude bringen! Der Fachterminus dazu lautet Verlustaversion. Sollten jetzt tatsächlich Minuszinsen kommen – nicht nur für Geldmarktfonds – so sehen Sparer die Verluste real auf dem Depotauszug und nicht nur numerisch unbemerkt nach Abzug der Inflationsrate. Dies könnte allein schon für einen Verzweiflungseinstieg in ein Engagement in die Aktienmärkte führen – aus zyklischer Sicht reichlich spät, aber nicht aus langfristiger Betrachtungsweise.

Das ist erneut ein Beispiel für die Aktienmärkte als selbstrefrentielles System, welches sich durch Rückkoppelung ändert. Die Marktteilnehmer sind Beobachter und zugleich handelnde Marktteilnehmer, die die Hoheit (kurzfristig) über die Kursentwicklung haben – und nicht etwa die Wirtschaftsdaten – was auch immer wieder zu Anomalien führt.

 

Fazit

Auch wenn mich persönlich ein immer schlechteres Gefühl beschleicht – die Fundamentaldaten einer überschuldeten Welt schreien doch förmlich nach Beendigung des fast elfjährigen Zyklus. Derzeit existieren aber ganz spezielle, einmalige Faktoren, die es in den letzten 70 Jahren nicht gegeben hat: Stichwort Kampf um Rendite. Daher läuft gerade eine zins- und notenbankgetriebene Rally, die mit jedem Zinsschritt noch befeuert wird. Zumindest wenn keine Rezession auf mittelfristiger Sicht kommt!

Eine Erkenntnis, deren Missachtung für Short-Investoren kurz- und vielleicht auch noch mittelfristig teuer werden könnte. Die Kurse werden kurzfristig nicht bestimmt durch Charts oder volkswirtschaftliche Daten, sondern durch die Hoffnungen und Nöte der Anleger, die die Kurshöhen bestimmen, egal wie unsinnig Käufe gegen den Datenkranz auch erscheinen mögen.

Die Nullzinspolitik der EZB, aber auch der weltweite Zinssenkungswettlauf hat eine Situation geschaffen, die historisch einmalig ist und die die nach Rendite hungernden Investoren jeglicher Größe in die Aktienmärkte zwingt bzw. dort hält. Die Frage ist, ob historische Gesetzmäßigkeiten da kurzfristig noch gelten, langfristig bestimmt, aber ich schreibe hier auch schon Monate über die Gefährlichkeit von Short-Investments – trotz des Auftretens von Korrekturphasen, die auch im Zusammenhang mit einer Santa Claus Rally jetzt fällig sind.

 

Die Aktienmärkte werde derzeit von den Notenbanken nach oben getrieben



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1 Kommentar

  1. USD CNH 6.99
    ist gleich Kuschelkurs!

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