Mir ist die Rally – vor allem im Dax – langsam etwas unheimlich. Vor allem der Anstieg in diese Woche scheint mir arg übertrieben. Aber letztlich hat der Markt immer recht! Eine FOMO-Rally (die Angst Gewinne zu verpassen) dürfte ein nicht greifbarer Faktor sein, der vor allem den Dax gepusht hat. Aber vor allem ist es interessant, dass die europäischen Aktienmärkte diese Woche Trumps neue Zollankündigungen zu ignorieren scheinen, die noch zu einem üblen Erwachen führen könnten.
Aber nochmal: Der Markt hat recht. Und wenn Der Dax hier und heute bei über 22.500 Punkten notiert, ist das die Realität. Die gute Laune nach dem Trump-Putin-Telefonat lässt ein Kriegsende erahnen. Aber mehr als eine maue Hoffnung ist das noch nicht. Und warum ein Kriegsende gut für die europäische Konjunktur wäre? Energiepreise könnten sich langfristig wieder entspannen, das mag sein! Dennoch wirkt die Rally der europäischen Aktienmärkte übertrieben. Nach dem Motto: Wer will schon verkaufen, wenn die Kurse zügig immer weiter ansteigen? Und wer will noch länger am Seitenrand stehen, und schöne einfache Gewinne verpassen?
Die Rally der europäischen Aktienmärkte ist überhitzt und wird eine Pause einlegen, da die Anleger zu optimistisch in Bezug auf einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine geworden sind, so auch die aktuelle Berichterstattung bei Bloomberg News. Weiter wird berichtet: Das Ende des Krieges war für die europäischen Aktienmärkte immer ein Unsicherheitsfaktor. Jetzt beginnen sich die Anleger auf dieses Szenario vorzubereiten und kaufen aggressiv energieintensive Sektoren und europäische Nachzügler. Obwohl einige Sektoren noch viel Aufwärtspotenzial haben, dürfte der weitere Weg volatil sein. Der Referenzindex Euro Stoxx 50 war in den letzten vier Jahren selten so überkauft und die Rallye dürfte sich zumindest vorübergehend abkühlen.
„Es wäre fantastisch, wenn es dazu käme, aber um ehrlich zu sein, halte ich es für viel zu früh, um von einem Waffenstillstand zu sprechen“, sagt Marija Veitmane, Senior Multi-Asset Strategist bei State Street Global Markets, und verweist auf den Arbeits- und Zeitaufwand, der erforderlich ist, um beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Tatsächlich ist der Weg zu einer Einigung nach wie vor ungewiss. Selbst wenn Gespräche beginnen, hat der russische Präsident Wladimir Putin wenig Kompromissbereitschaft gezeigt und macht auf dem Schlachtfeld immer noch nur langsam Boden gut.
Einige Investoren haben aggressiv ihre Leerverkäufe auf Europa zurückgekauft, während andere sich von teuren und stark konzentrierten US-Aktien abwenden. Europäische Aktienmärkte werden mit einem Abschlag von etwa 40 % gegenüber den USA gehandelt, und diese Lücke könnte sich schließen. Auch innerhalb des Stoxx Europe 600 gibt es noch Spielraum für Gewinne, da sich nur 20 % seiner Mitglieder im überkauften Bereich befinden.
„Dies würde wahrscheinlich die Bewertung europäischer Aktienmärkte erhöhen und insbesondere die Sektoren und Regionen unterstützen, die am anfälligsten für hohe Gaspreise sind“, sagen Strategen der Goldman Sachs Group, darunter Lilia Peytavin. “Allerdings sind die Korrelationen seit Beginn des Krieges gesunken, was das Potenzial für eine europäische Outperformance begrenzen könnte.“
Da die Aussicht auf einen Waffenstillstand besteht, nachdem die Staats- und Regierungschefs der USA und Russlands sich auf die Aufnahme von Verhandlungen geeinigt haben, stehen Aktien, die auf den Wiederaufbau der Ukraine ausgerichtet sind, im Fokus, wie die Bauaktien Heidelberg Materials und Holcim, sowie das Chemieunternehmen BASF.
Die Strategen von Barclays sind in Chemietiteln übergewichtet, aber bei Autotiteln vorsichtiger, was zum Teil auf die Gefahr von US-Zöllen zurückzuführen ist. Sie sagen, dass Baustoffe bereits eine starke Performance gezeigt haben, während Bergbau und Stahl zusammen mit Transport und Freizeit möglicherweise mehr Aufholpotenzial haben. „Obwohl unklar ist, ob ein Waffenstillstand in dem Konflikt in absehbarer Zeit zu einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und einer verbesserten Energieversorgung für Europa führen würde, glauben wir, dass Investoren dies als logischen nächsten Schritt ansehen könnten“, sagen die Strategen von Barclays unter der Leitung von Emmanuel Cau. “Dies könnte die Stimmung in den energieintensiven Sektoren (der europäischen Aktienmärkte) und bei den Produktionsunternehmen heben, die in den letzten drei Jahren im Allgemeinen unterdurchschnittlich abgeschnitten haben.“
Der Wiederaufbau der Ukraine wäre eines der größten Bauvorhaben der letzten Jahre, mit Gesamtkosten von fast 500 Milliarden US-Dollar, so die Weltbank. Dies wäre sehr rohstoffintensiv, insbesondere bei Stahl und Zement, um Gebäude und Infrastruktur wiederherzustellen. Die Ökonomen von Goldman Sachs schätzen, dass ein Friedensabkommen wahrscheinlich die russische Gasversorgung nach Europa erhöhen und die Gaspreise um 15 % bis 50 % senken wird, während die Analysten von Jefferies eine Deeskalation oder Lockerung der Sanktionen im Zusammenhang mit russischem Öl und Gas als einen großen Gewinn für die Rentabilität der Chemieindustrie ansehen.
Günstigere Energie könnte auch für kleinere Unternehmen ein Segen sein. Der deutsche Midcap-Index MDAX hat seit Beginn des Krieges um über 40 % schlechter abgeschnitten als sein Large-Cap-Pendant DAX, so die Strategen der Société Générale unter der Leitung von Alain Bokobza. Das ist die größte Lücke seit der Einführung des Euro.
„Es ist eindeutig eine gute Nachricht für die europäischen Aktienmärkte, wenn es zu einer Normalisierung der Energiepreise und der Energieversorgung aus Russland kommt“, sagt Edward Cole, Leiter des Bereichs Multi-Strategy Equities bei der Man Group. “Aber statt einer breit angelegten Beta-Chance sehen wir eher die Notwendigkeit für eine gezielte Aktienauswahl.“
FMW/Bloomberg
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