Die weltweiten Aktienmärkte sind am Mittwoch zum ersten Mal seit sieben Tagen gefallen, da die durch den Waffenstillstand im Zollstreit zwischen den USA und China ausgelöste Rallye an der Wall Street Anzeichen einer Erschöpfung zeigte. Der rasante Anstieg – vor allem von US-Technologiewerten – macht Aktien anfällig für negative Überraschungen und Rückschläge. Neue Impulse für die zum Teil „überkauften” Aktienindizes könnten schon heute kommen.
Aktienmärkte: Rally legt Verschnaufpause ein
Der MSCI all-country Index gab am Mittwoch und Donnerstagmogen nach, da die asiatische Aktienmärkte und US-Futures ihren jüngsten Anstieg konsolidierten. Dies spiegelt die Vorsicht in einer Woche wider, die von einer starken Erholung der Risikoanlagen geprägt war, was durch die Fortschritte bei den Handelsgesprächen und die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft angeheizt wurde. Einem Bericht von Bloomberg zufolge schwebt im Hintergrund jedoch die Sorge, dass die Aktienmärkte so stark gestiegen sind, dass sie anfällig für negative Überraschungen sind.
„Es ist ganz normal, dass der stark gestiegene Aktienmarkt eine kleine Verschnaufpause einlegt“, sagte Rashmi Garg, Senior Portfolio Manager bei AL Dhabi Capital, gegenüber Bloomberg Television. Die Verträge für US-Chiphersteller zur Belieferung Saudi-Arabiens sowie positive Unternehmensergebnisse stützen die Rally insgesamt. „Angesichts der Gewinne, des Handelsabkommens zwischen den USA und China sowie der jüngsten Flut von Ankündigungen weiterer Deals ist die Zuversicht zurückgekehrt“, sagte sie.
Dennoch haben der beginnende Handelsfrieden zwischen den USA und China, ein Pakt zwischen Großbritannien und hochkarätige Abkommen am Golf die Anleger beruhigt.Angetrieben von den Kursgewinnen der Nvidia-Aktie legten der S&P 500 und der Nasdaq 100 am Donnerstag erneut leicht zu. Durch den zuletzt kräftigen Kursanstieg von Nvidia konnte ein Semiconductor-Index seine Verluste aus dem Jahr 2025 vollständig wettmachen.

China-USA-Deeskalation bereits eingepreist
Als weiteres Anzeichen für die Entspannung im Zollstreit hat China am Mittwoch die Beschränkungen für die Ausfuhr von Seltenen Erden und anderen Gütern und Technologien für militärische Zwecke aufgehoben. Dieser Schritt folgte auf eine Vereinbarung zwischen China und den USA über eine vorübergehende Senkung der gegenseitigen Zölle auf Produkte des jeweils anderen Landes. Die Regelung gilt für 90 Tage, wie das chinesische Handelsministerium in einer Erklärung mitteilte.
Die Schwäche der chinesischen Aktienmärkte am Donnerstag dämpfte die zu Beginn der Woche gestartete Rallye, daran konnten auch die ermutigenden Zahlen von Tech-Gigant Tencent nichts ändern. Richard Tang, China-Stratege bei Julius Baer, führte dies darauf zurück, dass sich die verbesserten Beziehungen zwischen Washington und Peking bereits in den gestiegenen Aktienkursen widerspiegeln.
„Wir glauben, dass die Aktienmärkte ein gewisses Maß an Deeskalation der Handelsspannungen zwischen den USA und China eingepreist hat”, sagte er. „Wir gehen davon aus, dass der chinesische Aktienmarkt von seinem derzeitigen Niveau aus länger brauchen wird, um seinen Höchststand vom März zu erreichen oder zu übertreffen.“
Neue Impulse für die globalen Aktienmärkte könnte es bereits heute geben, wenn um 14:30 Uhr deutscher Zeit eine Reihe wichtiger Konjunktur- und Inflationsdaten aus den USA veröffentlicht wird. Unter anderem werden die US-Erzeugerpreise erwartet. Anleger werden darauf achten, ob die gestiegenen Zölle bereits die Unternehmen belasten. Darüber hinaus stehen die Einzelhandelsumsätze für April sowie die Philly-Fed- und der NY-Empire-State-Herstellungsindex im Fokus. Nach den Entspannungssignalen im Zollstreit werden die Konjunkturdaten wieder stärker in den Blickpunkt rücken, da sich die Zölle nach und nach in den Daten niederschlagen könnten. Enttäuschende Daten könnten die aktuell gute Stimmung eintrüben und nach der starken Rally zu einem Rücksetzer führen.
Geldpolitik im Fokus
Auch die Geldpolitik der Fed rückt wieder mehr in den Vordergrund. Verkäufe von US-Staatsanleihen über die gesamte Kurve hinweg ließen die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen am Mittwoch auf den höchsten Stand seit etwa einem Monat steigen, da die Wetten auf eine Zinssenkung durch die Federal Reserve zurückgingen. Die Benchmark-Rendite hat damit die viel beachtete Marke von 4,5 % überschritten.
Der Präsident der Fed-Bank of Chicago, Austan Goolsbee, sagte, dass es für die Zentralbanker wichtig sei, nicht auf die tägliche Volatilität der Aktienmärkte und wirtschaftspolitische Äußerungen zu reagieren. Er wies darauf hin, dass die Wirtschaftsdaten vorerst stabil blieben. Der stellvertretende Fed-Vorsitzende Philip Jefferson sagte, Zölle und damit verbundene Unsicherheiten könnten das Wachstum verlangsamen und die Inflation in diesem Jahr ankurbeln, die Geldpolitik sei jedoch gut aufgestellt, um bei Bedarf zu reagieren.
Krishna Guha von Evercore sagte: „Die gestrige Rede des stellvertretenden Fed-Vorsitzenden Jefferson ist nach einer Reihe von eher hawkistischen Kommentaren von Fed-Vertretern etwas dovish und signalisiert, dass die Fed-Führung (vernünftigerweise) vorsichtig ist, selbst nach einer Deeskalation zwischen den USA und China keine Entwarnung bezüglich des Abwärtsrisikos für die US-Wirtschaft zu geben.“
Volatile Märkte
Der Anstieg der US-Aktienmärkte am Mittwoch verdeckte einen im Großen und Ganzen rückläufigen Tag für die meisten Sektoren. Eine wichtige Ausnahme bildeten die großen Technologieunternehmen und einige Einzelwerte. Boeing erholte sich aufgrund des größten Geschäftsabschlusses aller Zeiten: Qatar Airways hatte während eines Besuchs von Donald Trump in Doha einen Auftrag für Langstreckenjets erteilt. Die europäischen Aktienmärkte gaben nach der Eröffnung am Freitag weiter nach, wobei der Dax auf ein neues Wochentief fiel.
Der Goldpreis setzte seine jüngste Korrektur fort und fiel am Freitagmorgen bis auf 3.120 USD. Der Ölpreis sank ebenfalls und ist dabei den dritten Tag in Folge nachzugeben nachdem ein Regierungsbericht gezeigt hatte, dass die US-Rohöllagerbestände so stark gestiegen waren wie seit zwei Monaten nicht mehr.
„Ich bin heute etwas vorsichtiger als noch vor sechs Wochen“, sagt Andrew Slimmon, leitender Portfoliomanager bei Morgan Stanley Investment Management, im Gespräch mit Bloomberg Markets über den Zustand der Aktienmärkte.
FMW/Bloomberg
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