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Aktienmärkte: Sell in May and go away – schon wieder?

Etwas für Aufsehen hat eine aktuelle US-Studie zu den Risikofaktoren für Coronapatienten gesorgt. Die Volkskrankheit Adipositas, an der mittlerweile 42 der Amerikaner leiden, soll eine große Gefahr darstellen für einen schwereren Verlauf der Lungenkrankheit. In dieser Studie wurden 4100 Covid-19-Patienten im Monat März untersucht. Mit folgendem Ergebnis: 40 Prozent der Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, waren adipös. Etwa die Hälfte davon musste aufgrund des Krankheitsverlaufs künstlich beatmet werden. Diese Erkenntnis deckt sich auch mit Erfahrungen deutscher Ärzte. Keine guten Aussichten für die USA mit ihrer Fast Food-Kultur.

Warum hat dies eine große Bedeutung für die Aktienmärkte?

Ohne die größte Wirtschaft der Welt gibt es keine richtige Erholung der Weltwirtschaft. Wenn eine Woche Lockdown in Deutschland schon über 40 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung kostet, so kann man sich vorstellen, was dann in der sechsmal so großen Wirtschaft der USA los ist. Sollte sich also in den nächsten Wochen keine stark steigende Tendenz im „Containment“ von Covid-19 einstellen, fiele das optimistische Szenario, das die Aktienmärkte bereits eingepreist haben, in sich zusammen. Wenn aus 30 Millionen Arbeitslosenanträgen eben so viele Dauerarbeitslose würden, käme auch das Gelddrucken der Federal Reserve rasch an seine Grenzen: die Depression wäre unausweichlich.

In Deutschland haben die Anträge zur Kurzarbeit die Zahl von 10 Millionen erreicht. Fraglich ist, ob diese wirklich in Anspruch genommen werden, ähnlich wie in der Finanzkrise. Kleines Beispiel: Ab Dienstag öffnen alle über 80.000 Friseurläden wieder für ihre Kunden. Der Friseursaloon nebenan hat mir berichtet, dass alle Termine für Damenhaarschnitte bereits für den gesamten Monat Mai ausgebucht sind, Kurzarbeit passé. Klar nur ein Beispiel, aber eines von vielen.

Was bringt diese Woche für die Aktienmärkte?

In dieser Woche gibt es jede Menge an Konjunkturdaten, denen wohl eines gemein sein wird: Sie werden so schlecht sein, dass man beim üblichen Vergleich, nicht mal mit Daten während der Finanzkrise 2008 aufwarten kann – die Begründung wurde auch schon öfters geliefert. Noch nie seit dem 2. Weltkrieg wurde eine Wirtschaft (unter Ansage) so abrupt in den Keller gefahren. Ob Einkaufsmanagerindizes für die Eurozone (Montag und Mittwoch) und die USA (Dienstag), Daten zur Industrieproduktion und zum Export für Deutschland (Donnerstag und Freitag), dazu viele Unternehmensmeldungen zu Q1. Was wird das alles wieder für Negativschlagzeilen sorgen! Viele dieser Zahlen könnten sich aber bereits in relativ kurzer Zeit wieder bessern.

Aber vor allem werden die Zahlen zum US Arbeitsmarkt von Bedeutung sein, der größte Volkswirtschaft der Welt, die aber im Corona-Zyklus am weitesten zurückhängt.

Dort haben in den vergangenen sechs Wochen bereits 30 Millionen Menschen ihren Job verloren, mehr als dreimal so viele wie während der Finanzkrise 2008.

Am Donnerstag kommen die nächsten Berichte zu den „Jobless Claims“. Wie viele kommen noch hinzu? Von großem Interesse für die Aktienmärkte ist auch die Arbeitslosenquote für den April, die am Freitag veröffentlicht wird und die im zweistelligen Prozentbereich liegen wird. Man erwartet, dass diese sie bei gut 18 Prozent liegt und damit deutlich höher als während der Finanzkrise, die im Oktober 2009 ihren Höhepunkt bei zehn Prozent erreicht hatte.

Was für eine Entwicklung: In nur wenigen Monaten von der niedrigsten Arbeitslosenrate seit 50 Jahren mit 3,5 Prozent auf das höchste Niveau seit einem Jahrhundert – Corona macht’s möglich.

Fazit

Auch wenn eine Korrektur der Aktienmärkte wenig überraschend käme – ein Sell in May-Szenario -, ist die weitere Entwicklung aufgrund der divergierenden Einflussfaktoren nicht im Ansatz voraussehbar. Wenn sich selbst Virologen in ihren Projektionen überaus uneinig sind, Lungenfachärzte, Systembiologen und Pathologen zu unterschiedlichen Gefährdungszahlen kommen, Mathematikprofessoren zu divergenten Eindämmungskurven – wie sollen dann erst die Kapitalmärkte etwas zuverlässig vorhersagen können?

Im Falle der weiteren Entwicklung um Covid-19 und der Kapitalmärkte kann man den fast 91-jährigen Philosophen Jürgen Habermas zitieren:

„Eines kann man sagen: So viel Wissen über unser Nichtwissen und über den Zwang, unter Unsicherheit handeln und leben zu müssen, gab es noch nie.“

Wir sind alle Unwissende und tappen im Dunkeln – das gilt auch für die Aktienmärkte.

Das größte Rätsel ist für mich das 1,4 Milliarden-Menschen-Land China: Wie kann es in dem Staat mit 49 Städten über einer Million Einwohner (allein 10 davon über 12 Millionen) bereits seit Anfang März praktisch keine relevante Neuinfektionen mehr geben, trotz einer fast schon zweimonatigen Aufhebung des harten Lockdowns – nicht einmal den Ansatz einer zweiten Welle? China hat über 28.000 Krankenhäuser und viele der Ärzte stehen in Kontakt zu ausländischen Kollegen – alle Nachrichten unter Kontrolle?

Wären Erkenntnisse über ein weiteres Vertuschen von Covid-19-Fällen, erhoben etwa durch den US-Geheimdienst, nicht ein gefundenes Fressen für US-Präsident Trump, der unaufhörlich auf China mit dem Finger zeigt, um von seiner anfänglichen und fatalen Fehleinschätzung abzulenken? Alles merkwürdig.

Trump versucht, die Aktienmärkte stabil zu halten



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4 Kommentare

  1. Der Weltkrieg der Moderne besteht darin, dass die virtuell erschaffene Waffe Geld eingesetzt wird ohne Limit, um alles aufzukaufen was an echten Werten überhaupt noch zu haben ist. Die Völker erarbeiten dann als sog. Gerettete fleissig Dividenden für die neuen Besitzer. Und da es für die Besitzenden gar keine Risiken mehr gibt, besteht diese nur noch im Neid untereinander wer mehr mit gedrucktem Geld aufgekauft hat und deshalb etwas von den echten Werten abgeben müsste.

    Ein Märchen? Wirklich? Ach ja Sie kaufen Anleihen bei denen Sie in 10 Jahren trotz Inflation Nominal weniger erhalten als der Kaufpreis? Wenn das kein märchenhafter Zustand für die Gelddrucker unserer Zeit ist…

  2. Pingback: Equity markets: Sell in May and go away | En24 News

  3. Irgendwer kann da nicht richtig rechnen oder hat etwas falsch wieder gegeben:
    wenn 42 % der Amerikaner an Adipositas leiden und 40 % der Patienten im Krankenhaus adipös waren – was sorgt da bitte für Aufsehen?

    1. @Wolfgang Franz. Hallo.
      Vielleicht habe ich mich etwas missverständlich ausgedrückt. Die Studie besagt: Von 4103 Fällen mussten 1999 ins Krankenhaus eingeliefert werden.
      Fast 40 Prozent der Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, waren adipös. 
      Das Risiko, bei einer Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus zu kommen, steigt der Studie zufolge bei Menschen, die 65 Jahre alt oder älter sind sowie bei jenen mit einem Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 40 und bei Menschen mit Herzinsuffizienz. Die Patienten waren häufiger adipös (39,8 versus 14,4 Prozent) als Patienten mit Covid-19, die nicht stationär aufgenommen wurden. Die Adipositas gefährdete die Patienten damit ungefähr so stark wie eine Herzinsuffizienz, aber deutlich stärker als Lungen- oder Krebserkrankungen.
      Demnach gehöre Adipositas neben Herz/Kreislauferkrankungen und Diabetes zu den Risikofaktoren für einen schweren Verlauf des Coronavirus.
      Zudem dürften die Fälle bei jungen und schlanken Menschen, die sich infiziert haben und ohne große Symptomatik ausheilen auch erheblich größer sein, als bei Übergewichtigen z.B. mit Bluthochdruck.
      Es geht also darum, dass es bei einer so hohen Zahl an Übergewichtigen in einem Land viel mehr Risikopatienten für Covid-19 gibt, als in einer schlanken Gesellschaft, außer die hätten bereits in jüngeren Jahren so viele Vorerkrankungen.
      Grüße

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