Die Aktienmärkte durchlaufen ein turbulentes Jahr. Eine Krise folgt auf die andere. Die Liste der Stressfaktoren ist lang: Kriege und zunehmende geopolitische Spannungen, der Handelskrieg von Trump, die damit verbundenen Sorgen vor einer globalen Konjunkturabschwächung, eine Fed, die angesichts einer hartnäckigen Inflation die Zinsen nicht senken will, sowie extrem hohe Bewertungen von US-Aktien, die fast das Spitzenniveau der Dotcom-Blase erreichen. Eigentlich wäre jeder dieser Faktoren ein Grund für fallende Kurse an den Aktienmärkten. Doch Pustekuchen: Die Märkte sind so widerstandsfähig wie selten zuvor.
Aktienmärkte: pure Widerstandskraft
Bei dem aktuellen Nahostkonflikt handelt sich um einen geopolitischen Krisenherd, der einst eine regelrechte Marktschmelze an den Aktienmärkten hätte auslösen können. Israelische Kampfflugzeuge griffen iranische Atomanlagen an, woraufhin Teheran Rache schwor – und sein Versprechen wahr machte. Der Ölpreis schoss in die Höhe und sichere Häfen wie Gold legten zu, während Aktien nachgaben.
Doch in einem Jahr, in dem Krisen in Wellen auftraten und zur Tagesordnung gehörten, zogen es die Händler von London bis New York vor, den Atem anzuhalten, statt massenhaft zu flüchten.
Ja, der Goldpreis stieg, Aktien rutschten ab und Anleihen schwankten. Es kam jedoch nicht zu einem großen Ausverkauf. Der S&P 500 schloss die Woche mit einem bescheidenen Minus ab und liegt weiterhin weniger als drei Prozent unter seinem Rekordhoch. Der Ölpreis gab einen Teil seiner frühen Gewinne wieder ab. Es scheint fast so, als wären die Märkte resistent gegen jeden Stressfaktor.

Laut einem Bericht von Bloomberg folgte diese relative Ruhe – vorerst – einem vertrauten Schema: Die Märkte sind geschockt, die Kurse straucheln und dann stürzen die üblichen Dip-Käufer herein. Es ist eine Routine, die sich nach monatelangen Krisen, die nie ganz überwunden werden konnten, fast schon zementiert hat. In dieser Woche erhielt sie neuen Auftrieb, als die US-Inflationswerte und die Verbraucherstimmung besser ausfielen als erwartet.
Die Luftangriffe unterbrachen dieses Handelsmuster am Freitag, ohne es jedoch zu zerstören. Schließlich erwies sich ein weiteres Phänomen der Wall Street als ebenso wichtig für die Rettung der Woche: die Dynamik. Von den Risikoprämien bei Unternehmensanleihen bis hin zu Kryptowährungen und die Aktienmärkte blieben die Trends weitgehend positiv – ein Beweis dafür, dass die Investoren nach wie vor besorgt sind, dass das Risiko, Markterholungen in diesem Jahr zu verpassen (FOMO), größer ist als das Risiko, dem Einbruch an den Aktienmärkten zu erliegen.
Nächster Belastungsfaktor?
Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Wochenende. Angesichts der neuen Eskalation warten die Märkte auf Signale aus dem Nahen Osten und aus Washington. Diese könnten die Stimmung in der kommenden Handelswoche prägen und zeigen, wie nachhaltig der Rallye-Reflex tatsächlich ist.
„Dies war ein Jahr, in dem sich das Ausblenden schlechter Nachrichten ausgezahlt hat und das FOMO-Thema lauter geworden ist“, sagte Max Gokhman, stellvertretender CIO bei Franklin Templeton Investment Solutions. „Wenn dieses Momentum in blinde Euphorie umschlägt, kann es dazu führen, dass die Bullen mit voller Geschwindigkeit gegen eine Mauer fahren. Aber so weit sind wir noch nicht.“
Natürlich ist die Angst erneut groß, wie schon in diesem turbulenten Jahr. Israel warnte, dass seine Angriffe wochenlang andauern könnten, während der Iran den Angriff als Kriegserklärung wertete und eine energische Reaktion angekündigt hat.
Auch die Einzelhandelskäufe lassen nach. Gelder fließen in Bargeld und Gold. Anleihen boten wenig Trost: Die Rendite zehnjähriger Anleihen schloss am Freitag höher und erinnerte daran, dass traditionelle Zufluchtswerte keine sichere Sache sind, wenn sich fiskalische Wolken zusammenziehen.
Und der Knackpunkt: Präsident Donald Trump hat umfassende Zölle innerhalb von zwei Wochen angekündigt – eine potenzielle Störung auf der Angebotsseite, die mit einem bereits angespannten Ölmarkt kollidieren könnte.
„Wenn die Aktienmärkte das überstehen, wird das die FOMO-Rally nur noch verstärken. Es kann durchaus der Eindruck entstehen, dass die Aktienmärkte ‚kugelsicher‘ sind“, so Michael Purves, Gründer und CEO von Tallbacken Capital Advisors. „Das erhöht das ultimative Abwärtsrisiko.“
Märkte: Der Schaden hält sich in Grenzen
Bis zum Börsenschluss am Freitag trugen die Rohstoffe die Hauptlast des Drucks durch den anhaltenden Konflikt: Der Ölpreis stieg um etwa 8 %, der Goldpreis rückte wieder in die Nähe seines Rekordhochs. Der S&P 500 beendete die Woche mit einem Minus von nur 0,4 % und 10-jährige Staatsanleihen wurden mit einem Minus von etwa 10 Basispunkten gehandelt. Der Cboe Volatilitätsindex (VIX) schloss die Woche knapp über 20 ab, während die Messgrößen für Anleihen und Währungen niedriger schlossen.
Ein Faktor für die relative Widerstandsfähigkeit könnte die schiere Menge an Schocks sein, die die Anleger im Jahr 2025 bereits verkraftet haben – von Inflation und Anleihekonvulsionen bis hin zu Zöllen und geopolitischen Themen. Zwar hat jeder dieser Schocks zu kurzen Ausverkäufen geführt, doch waren die Rückschläge jedes Mal schnell genug überwunden, um den Impuls der Anleger zu verstärken, statt ihn abzuschwächen.
Ein Index der Société Générale SA, der die anlageübergreifende Dynamik abbildet, hat in diesem Monat eine der schärfsten Umkehrungen seiner Geschichte vollzogen, wobei neun von elf Komponenten bullische Signale aussenden. Als der Konflikt ausbrach, standen die Trends für festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Währungen alle auf Grün. Laut Manish Kabra von der SocGen ist es für Risikohändler an der Wall Street schwer, eine solche Kursentwicklung zu ignorieren.
„Wenn wir uns die VIX- und MOVE-Indizes ansehen, so zeigen sie ein Element der Selbstgefälligkeit, das angesichts all dieser Ereignisse ein wenig überraschend ist“, so Phillip Colmar, Global Strategist bei MRB Partners. „Hätten wir das Fiasko im April nicht erlebt, wären die Aktienmärkte meiner Meinung nach jetzt nervöser und negativer.“

Die Angst, etwas zu verpassen
Tatsächlich ist die starke Positionierung extrem genug, um einige Pessimisten an der Wall Street innehalten zu lassen. Die Angst, etwas zu verpassen, hat unter anderem im Bereich der börsengehandelten Fonds zu extremen Werten geführt.
„Genauso wie es eine Überreaktion auf die anfänglichen Zollnachrichten gab, scheint uns die Erholung ein wenig zu hoffnungsvoll zu sein“, sagte Nathan Thooft von Manulife Investment Management in Boston, das 160 Milliarden Dollar verwaltet. „Es gibt immer noch eine Reihe von Unwägbarkeiten, die in den kommenden Monaten zu einer höheren Marktvolatilität führen könnten. Dennoch glauben wir, dass die schlimmsten Szenarien in Bezug auf Zölle vom Tisch sind.“
Angesichts einer Reihe positiver Wirtschaftsberichte ist die Behauptung, dass der Handelskrieg von Präsident Trump die USA in absehbarer Zeit in eine Rezession stürzen wird, schwieriger zu belegen. Die Daten dieser Woche zeigten, dass sowohl die Verbraucher- als auch die Erzeugerinflation im Mai niedriger ausfiel als erwartet. Am Freitag teilte die Universität Michigan mit, dass ihr vorläufiger Index der Verbraucherstimmung gestiegen ist und damit die Erwartungen einer Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen übertroffen hat.
„Ein ständiger Strom positiver oder zumindest neutraler Schlagzeilen könnte die ‚Buy the Dip‘-Party am Laufen halten”, sagte Michael Bailey, Leiter der Forschungsabteilung bei FBB Capital Partners. „Der kaum wahrnehmbare Anstieg des VIX heute deutet darauf hin, dass die Anleger den Konflikt zwischen Israel und dem Iran als ein ziemlich begrenztes geopolitisches Ereignis betrachten. Das trägt dazu bei, den neuen Bullenmarkt am Leben zu erhalten.“
FMW/Bloomberg
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Premierminister Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Israel Katz haben die aktuellen JCPOA-Deal-Verhandlungen fürs erste zerdeppert. Die Naher und Mittlerer Osten-Expertin Kristin Helberg geht aber im Rahmen eines aktuellen n-tv-Fernsehen-Interviews davon aus, daß dies nicht so bleiben müsse, daß es also durchaus zu weiteren JCPOA-Deal-Verhandlungen kommen kann. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, wie dies der 47. US-Präsident Donald John Trump, dem ich heute über whitehouse instagram zu seinem Geburtstag gratuliert habe, beurteilt, hinsichtlich der Tatsache, daß er eine Invasion gegen den Iran erwägt, je nach Ausgang der JCPOA-Deal-Verhandlungen. Hierbei bleibt die weitere Entwicklung des Ölpreises und der Aktienmärkte, wozu ja neben dem Dax auch der MDax gehört, abzuwarten.
Krieg zwischen Israel und Iran: Öl im Visier./Quelle: n-tv-Teletext.
Straße von Hormus: Iran droht Störung von Seeroute an./Quelle: ZDF-Fernsehtext.
Die Schließung der Straße von Hormus ist wieder einmal so eine paranoide Vision.
Was würde wohl geschehen, wenn ein einziges, kleines Iranerchen versuchen würde, diese Seeroute zu stören?
Das Ergebnis wäre, dass der Iran danach nicht mehr existieren würde.
Die Straße von Hormus aber weiterhin.
An FMW-Nutzer Columbo: O.k., das ist Ihre Meinung.
@Holger Voss, dies ist nicht meine Meinung, sondern Logik.
An FMW-Nutzer Columbo: Wenn Sie das sagen, dann wird das so sein.
Abwarten,
das Dip kaufen funktioniert nur solange, wie auch neue Hochs generiert werden.
Sobald die Bewegungen unterhalb der letzten Hochs enden, sitzen einige vorhergehenden Dipkäufer möglicherweise auf Verlusten.
Es hängt wohl letztendlich an der Kraft dieser Dipkäufer. Womöglich sind das Jahrgänge, die 2008 nicht miterlebt haben und die Strategie seitdem so stimmt. Es gibt keine Garantie.
@Holger Voss
„…Wenn Sie das sagen, dann wird das so sein…“
Es wird nicht so sein, es ist so.
Wir wissen, wovon wir reden🤭.