Indizes

Aktienmärkte – Start der unerwarteten Jahresendrally?

Kurseinbrüche der Aktienmärkte kommen vor der Rezession - und nicht umgekehrt..

Was soll man von dieser Entwicklung der Aktienmärkte halten? Der Dow Jones ist acht Tage in Folge gestiegen, die Indizes in den USA stehen knapp unter ihren Höchstständen, selbst der Dax ist in den vergangenen vier Wochen um 1200 Punkte geklettert. Obwohl das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und das Ifo-Institut unser Land bereits in einer technischen Rezession wähnen, einer Schrumpfung der deutschen Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen. Selbst in den USA lässt das Wachstum des für die Gesamtwirtschaft so essenziellen Konsums nach. Was also steckt hinter den „wundersamen“ Kursanstiegen? Eine Suche nach Ursachen

 

Anzeichen der Stabilisierung – kaum beachtete Frühindikatoren

Ich denke, dass selbst die größten Optimisten nicht davon ausgehen, dass die Weltwirtschaft am Beginn eines neuen Konjunkturzyklus steht, wie nach 2009, in einer Welt voller Schulden. Die Fühindikatoren der OECD fallen in vielen Nationen schon seit 2018, in China bereits seit 2017. Deshalb haben die Notenbanken dieser Welt beschlossen, sich gegen die Rezession zu stemmen – fast 70 Zinssenkungen weltweit in 2019 geben davon Zeugnis und die wichtigste steht vermutlich am Donnerstag in den USA bevor.

Die Märkte rechnen eher mit einem kleinen Strohfeuer, einem aus der Not geborenen Zwischenaufschwung, der sich aus dem absoluten Anlagenotstand ergibt. Die große Rezession wird kommen, aber der Marktkonsensus geht von frühestens Ende 2020 – oder in den Jahren danach aus, wenn die Notenbanken ihr Pulver endgültig verschossen haben.

Aktienmärkte preisen in der Regel die Wirtschaftsentwicklung in sechs bis neun Monaten ein (wenngleich auch immer wieder mit Fehlsignalen), damit sehen sie Tendenzen, die sich aus aktuellen Wirtschaftsdaten nicht entnehmen lassen. Wenn es einen treffsicheren Frühindikator gäbe, der die Entwicklung mit hoher Sicherheit vorhersagen kann, wäre dessen Aussage ruckzuck eingepreist und einprogrammiert, seine Wirkung für die Zukunft verschlissen. Dennoch gibt es einige Anzeichen, die auf eine Stablisierung der Weltwirtschaft hindeuten. Hinweise auf einen kleinen Aufschwung, die manche Akteure sogar in die Aktienmärkte  zurückzwingen und eine kleine Jahresendrally entfachen könnten.

Hier die Aufstellung:

  • Der weltweite Einkaufsmanagerindex PMI global hat sich im August, trotz des zu dieser Zeit eskalierenden Zollkrieges von 53,2 auf 53,5 Punkte verbessert.
  • Der Economic Surprise Index der Citigroup für die USA ist in kurzer Zeit von minus 60 Punkte in den positiven Punktebereich mit knapp 20 Punkten gesprungen. Hatte nicht erst kürzlich auch hat ein Indikator der Bank of America Merrill Lynch zum ersten Mal seit Januar ein Kaufsignal für Aktien generiert?
  • Der OECD Leading Indicator für China hat sich seit einiger Zeit gewaltig nach oben geschraubt. Auch die Einkaufsmanagerindizes Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistung befinden sich beide über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Das Schrumpfen des Wachstums Chinas war die große Sorge für viele Staaten (speziell auch für die Exportnation Deutschland), denn das globale Wirtschaftswachstum im letzten Jahrzehnt war bekanntermaßen stark auf Chinas (schuldenfinanzierter) Expansion zurückzuführen. Steht nochmal ein Schub bevor?
  • Wurde nicht selbst für Deutschland erst kürzlich ein Anstieg der Exportzahlen für den Monat Juli gemeldet, als Einzelmonat vielleicht nicht aussagekräftig genug, aber in der Abfolge kein Vergleich zu den Entwicklungen von 2009.
  • Rechnen nicht selbst die pessimistischen Wirtschaftsinstitute (IMK und Ifo) mit einer Stabilisierung der deutschen Wirtschaft für Q4 für 2019 und Q1 von 2020?
  • Was bedeutet eigentlich der starke Anstieg der Renditen an den Rentenmärkten in den USA bei den 10-jährigen Anleihen von 1,43 auf 1,91 Prozent in wenigen Tagen? Klar, einen großen Verlust für die letzten Einsteiger, aber ist es nicht auch ein Zeichen, dass der Rentenmarkt zumindest kurzfristig nicht mehr mit einem Absturz der Wirtschaft rechnet?

Auf eines muss man immer wieder hinweisen, in der jetzigen Zeit ist es wahrscheinlich noch bedeutsamer geworden: Kurseinbrüche der Aktienmärkte kommen vor der Rezession – und nicht umgekehrt. Diese wird durch den Crash geradezu befeuert – man denke nur an die riesige Vermögensillusion an den US-Märkten.

Auch sollte man derzeit ein Zweites nicht außer Acht lassen: noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg gab es ein so niedriges Zinsniveau, eine Konstellation, in der fast die Hälfte aller Staatsanleihen außerhalb der USA im negativen Bereich notieren. Welche Not muss es da in den Finanzabteilungen von Pensionsfonds, Versicherungen, ja sogar Stiftungen geben, die auf Kapitalzuflüsse angewiesen sind, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen?

Genau in diese Kerbe schlug am Samstag, der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, in seiner heftigen Kritik an Mario Draghi: „Er sei zu weit gegangen und bringe die Altersvorsorge in richtige Schwierigkeiten, es gäbe keine Rendite mehr, ohne das Risiko deutlich zu erhöhen.“ Ich weiß, dass viele das Akronym mit den vier Buchstaben nicht mehr lesen und hören können („TINA„), aber warum sollen Anleger aus Dividendenfonds aussteigen, die weltweit eine Dividende von 2 Prozent abwerfen, wenn keine Rezession droht? In einem solchen Fall wäre die Ausschüttung natürlich Makulatur und die Kurse brächen ein. Aber bei einem globalen Einkaufsmanagerindex von 53,5 Punkten?

Aktienmärkte und die eindeutige Positionierung der Großen

Erstaunlich ist die derzeitige Vermögensaufstellung (Asset Allocation) der aktiven US-Investmentfonds sowie der US-Hedgefonds. Die Investmentfonds hatten in der letzten Woche eine Aktienquote von 56 Prozent, was weit unter der Quote von 80 Prozent in optimistischen Zeiten liegt. Die US-Hedgefonds hatten im August die niedrigste Aktieninvestitionsquote seit 2008, also gäbe es noch jede Menge Kapital zum Einstieg, wenn die Fonds einsteigen müssen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie so schief liegen mit ihrer Einschätzung der Aktienmärkte – dafür gibt es seit Oktober 2018 schon mehrere Beispiele.

Sollten die US-Indizes –  aus welchen Gründen auch immer, zum Beispiel durch die Bekanntgabe eines Deals mit China –  ihr Allzeithoch überwinden, wären die Fonds gezwungen in den Markt einzusteigen, also auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Das Erreichen neuer Allzeithochs ist bekanntlich eines der stärksten Kaufsignale, so seltsam es in der jetzigen Konjunkturlage auch klingen mag.

 

Aktienmärkte – das Sentiment

Die Kursanstiege der letzten Tage haben die Anleger optimistischer werden lassen, wie zum Beispiel am Fear & Greed-Index abzulesen ist. Mit 68 Punkten ist er doch deutlich in Richtung Gier gerückt. Deshalb ist aus sentimenttechnischer Sicht auch zunächst mit einem Rücksetzer zu rechnen. Acht Tage Kursanstieg im Dow rufen einfach nach Gewinnmitnahmen. Das mehrfach getestete Allzeithoch dürfte auch nicht so einfach zu überwinden sein.

Für ein Überschreiten müssen aus meiner Sicht zwei Faktoren zusammenspielen: Mr. Powell muss am Mittwoch mit einem kleinen Zinsschritt liefern und Mr. President weitere Hoffnungen auf irgendeinen „Plastik-Deal“ schüren. Ansonsten könnte es zu einer deutlicheren Korrektur führen, wenn der Ansturm auf die 3020 Punkte im S&P 500 ein weiteres Mal gescheitert ist.

Die aktuelle Entwicklung am Ölmarkt, infolge des Angriffs der Huthis auf saudi-arabische Ölanlagen, könnte schon einmal zu so einer Korrektur führen. Als Anlassgeber für Gewinnmitnahmen nach der langen Gewinnstrecke.

 

Fazit

Die Finanzmärkte gehen derzeit von einer Kombination aus, die noch mal zu einem temporären „Sugar Rush“ der Aktienmärkte führen könnte: Einer weltweit koordinierten Stützungsaktion der Notenbanken, eine kurzzeitig wirkende Halbeinigung der USA und China im Handelsstreit – aus ökonomischer Not heraus, und eingedenk der Tatsache, dass Donald Trump alles daran setzen wird 2020 wiedergewählt zu werden – und einem baldigen Einstieg vieler Länder in fiskalische Stützungsmaßnahmen zur Abbremsung des ökonomischen Abschwungs.

All dies erscheint mir als die wahrscheinlichste Interpretation der derzeitigen Entwicklung der Aktienmärkte. Die ökonomische Schwerkraft wird sich dennoch nicht aufhalten lassen, höchstens abbremsen – die Rezession wird kommen, die Eine-Million-Dollarfrage ist nur die nach dem Zeitpunkt.

Wenn man sich einmal die Mühe macht, um im Archiv die Prognosen über das Ende des Aufschwungs nachzublättern, findet man bereits ab dem Jahr 2012 eine Vielzahl von sachlich begründeten Analysen.

 

Die Aktienmärkte vor einer Jahresendrally trotz Rezessionsgefahr?



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1 Kommentar

  1. Kompliment !

    Eine,wie ich finde sehr gute Analyse

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