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Aktienmärkte: Stocks always go up, außer…

New York Stock Exchange

Der aktuelle Börsenzyklus ist schon ein Außergewöhnlicher, nicht einmal die schnellste und kürzeste Rezession in der Börsengeschichte konnte den Zyklus, der im März 2009 begann, ausbremsen. Über 1259 Prozent Kursanstieg im Nasdaq und 598 Prozent beim marktbreiten S&P 500 stehen seither zu Buche. Das Verhältnis der Bewertung der Aktienmärkte zum Bruttoinlandsprodukt der USA, aber auch bei der gesamten globalen Wirtschaft hat schon in den letzten Jahren eine noch nie erreichte Dimension erreicht. Der Hauptgrund schlechthin für die Superhausse ist natürlich das Niveau der künstlich tief gehaltenen Zinsen, die stets als Korrektiv für die Anlage bei einem exzessiv gestiegenen Aktienniveau gewesen sind. Unser gesamtes Vorsorgesystem basiert prinzipiell auf der Erzielung von Rendite, und damit haben die Notenbanken einen wesentlichen Einfluss auf die Welt der Investoren genommen. 39 Jahre fallende Zinsen (Chart von Adisor Perspectives) sind zu Ende gegangen. Seit gut einem Jahr vollziehen die Kapitalmarktzinsen eine Bodenbildung.

Grafik zeigt US-Anleiherenditen auf lange Sicht

Die konzertierten Aktionen von Regierungen und Notenbanken zur Eindämmung der Corona-Krise haben einen lange tot geglaubten Feind der Anlage – die Inflation – geweckt. Die Relationen zwischen den beiden großen Anlageklassen werden sich verändern müssen. Trotzdem besteht auch aktuell das ewige Timing-Problem an den Märkten. Sich gegen eine Hausse zu positionieren war historisch stets ein sehr riskantes Unterfangen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Auch wenn man in der Beurteilung der Marktsituation richtig liegt, der Faktor Zeit mit seinen Opportunitätskosten am Markt kann die Rendite killen.

Aktienmärkte shorten, ein Kampf gegen die Uhr

Wer als älterer Börsianer in diesen 40 Jahren am Aktienmarkt investiert war und ist (vorwiegend im S&P 500), dies gilt analog aber auch für andere Länder), der wird gerade einmal sieben Jahre erlebt haben, an denen die Kurse zum Jahresende im Minus lagen. Auch wenn die im Jahresverlauf aufgelaufenen Meldungen aus der Wirtschaft etwas ganz anderes nahegelegt hätten.

Tweet von Charlie Bilello

Große Rückschläge gab es während der Ölkrise in den 1970ern, nach der Internetblase und während der Finanzkrise. Die Aktienmärkte verteilen „vereinfacht ausgedrückt“ die Kapitalkosten der Unternehmen an die Investoren, und diese werden am langfristigen Wirtschaftswachstum beteiligt. Nur dadurch entsteht Rendite und die Weltwirtschaft wächst nun einmal zumeist – mit Ausnahme der großen Depression in den 1930-ern, auch im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen. Dennoch entstehen in den Wachstumszyklen immer Exzesse, „der Kapitalismus neigt in periodischen Abständen zum Ausbruch des Wahnsinns“, die regelmäßig schmerzhaft korrigiert werden. Nicht vorhersehbar, aber schlussendlich setzt sich dann immer wieder das Wachstum durch , wie folgende Meilensteine bei der Entwicklung des Weltleitindex S&P 500 zeigen.

Meilensteine der Aktienmärkte in Form von Schritten des S&P 500

In dieser Aufstellung fehlt noch die 4500er-Marke, die bereits im August diesen Jahres übertroffen werden konnte. Aber Vorsicht bei der Beurteilung der Zahlen, die linearen Zuwächse verleiten leicht zu Fehlschlüssen. Es ist wie bei längerfristigen Charts, es zählt die prozentuale Veränderung, das Logarithmische. Dies sieht man auch in der Übersicht über die Meilensteine, die der S&P 500 seit fast einem Menschenleben erreicht hat: Wenn es Kursübertreibungen gegeben hat, dauert es mitunter Jahre der Korrektur, bis die Kurse das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben.

Bei der Dotcom-Bubble brauchten die Kurse immerhin 12 Jahre, bis es wieder zu neuen Hochs kam, nach der Finanzkrise war dies kürzer, was aber am gigantischen Einsatz der Notenbanken lag, die den Kapitalmarktzins auf null gedrückt haben. Das Extrembeispiel für die Dauer der Bereinigung von Preisexzessen (der Wert der kaiserlichen Immobilien in Japan lag 1989 höher als für ganz Kalifornien) ist Japan, wo nach bald 32 Jahren immer noch nicht das Hoch des Nikkei aus dem Dezember 1989 von 38.957 Punkten erreicht werden konnte.

Deshalb: Die Bereinigung der Aktienmärkte, speziell in den USA bei den Indizes kommen – die sogenannte Mean Reversion, die Rückkehr zum Mittelwert -, denn eine jährliche Rendite von 15 Prozent beim S&P 500 ist nicht nur finanzmathematisch keine Jahrzehnte durchhaltbar, erst recht nicht unter den fundamentalen Gründen des Gewinnwachstums. Aber wie immer gibt es das Problem des Markttimings, dies darf es für größere Kapitalsummen auch nicht geben, sonst würde das ganze System der Börse auch nicht funktionieren.

Das große Risiko bei Einzelaktien

Eines wird von Optimisten am Aktienmarkt immer etwas unter den Tisch gekehrt – das große Risiko bei Einzelaktien. Wie viele Nasdaq-Werte haben in der Folge der Dotcom-Bubble 90 Prozent an Wert verloren oder noch schlimmer, wie viele von diesen Werten, die im Technologieindex im Jahr 2000 gelistet waren, gibt es überhaupt noch? Mehr als 90 Prozent gingen pleite oder wurden von anderen Unternehmen übernommen. Deshalb sind die großen Statistiken über die Indizes wie dem Nasdaq, dem S&P 500 oder auch unserem Dax, immer mit Vorsicht zu genießen, denn sie blenden aus, dass man sich mit Einzelaktien gewaltig verspekulieren kann. Dabei muss es nicht einmal zum Schlimmsten kommen, wie bei Enron in den USA oder zuletzt bei Wirecard in Deutschland.

Fazit

Es ist sicherlich ein etwas ungünstiger Zeitpunkt, inmitten einer Jahresendrallye der Aktienmärkte, von einer künftigen Rückkehr der Kurse zum Mittelwert im Wachstum (Mean Reversion) zu sprechen. Aber nichts anderes sagen die ganz langen Datenreihen, wenn ein Kursindex wie der Nasdaq über 1200 Prozent oder auch der noch größere und schon 38 Billionen Dollar schwere Weltleitindex S&P 500 etwa 600 Prozent in etwas mehr als einer Dekade angestiegen sind, irgendwann einmal ist Magerkost angesagt. So etwas kann über einen längeren Zeitraum erfolgen, wie in der Phase in den 1960/70ern oder auch mit heftigen Folgen, wie in den Jahren nach der Internetblase oder der Finanzkrise. Aber kommen wird die Phase der Bereinigung, die Frage ist nur wie immer nicht seriös zu beantworten, ab wann? Die andere Frage ist natürlich, wie man mit einem solchen Umfeld umgeht, abhängig vom Alter des Anlegers, von seiner Disposition und seinen Planungen. Aber diese Thematik würde jetzt an dieser Stelle eindeutig zu weit führen.

Abschließend noch ein Bonmot des legendären Fondsmangers bei Fidelity, Peter Lynch, der in den Jahren 1977 bis 1990 eine Rendite von sagenhaften 29 Prozent per annum erzielen konnte, aus seinem Erfahrungsschatz: „Mein größter Fehler? Dass ich Aktien meistens viel zu früh verkauft habe.“



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