Es ist nicht die Intensität des Rückgangs, die die Stimmung belastet, sondern vielmehr die Tatsache, dass es an den Aktienmärkten in den USA immer häufiger große Abschwünge aber kaum große Erholungsbewegungen gibt. Drei der sechs Tage, an denen der S&P 500 im letzten Quartal mehr als 1 Prozent verlor, ereigneten sich seit Mitte September. Und es gab nur zwei Tage, an denen der Index im dritten Quartal um mehr als 1 Prozent zulegen konnte. Dieses Down-to-Up-Verhältnis von drei ist das höchste seit 1994, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.
Aktienmärkte zeigen klare Schwächesignale
Für diejenigen, die auf eine Besserung hoffen, haben Optionshändler eine Botschaft: Machen Sie es sich nicht zu bequem. Ein Maß für die erwarteten Preisschwankungen des S&P 500-Index in der nächsten Woche liegt über der erwarteten Volatilität in zwei Monaten, das Gegenteil eines normalen Musters, wenn die Risiken mit der Zeit steigen.
Es ist leicht zu verstehen, warum Aktienanleger zu Beginn dieser Woche nervös sein werden, wenn ihnen das Schreckgespenst eines nur knapp abgewendeten Regierungsstillstands und das Auslaufen des Schulden-Moratorium für 44 Millionen Halter von Studentendarlehen im Volumen von 1,8 Billionen US-Dollar zum 1. Oktober im Nacken sitzt. Zumal das Shutdown-Thema in wenigen Wochen wieder auf der Agenda auftaucht.
Darüber hinaus pendelt die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe auf dem höchsten Stand seit fast 16 Jahren, was die Attraktivität risikoreicherer Anlagen, wie Aktien, beeinträchtigt und Kredite signifikant verteuert. Das belastet zunehmend den für die US-Wirtschaft sehr wichtigen Konsum.
Dann stellt sich im vierten Quartal, wahrscheinlich früher als viele erwarten, auch aus politischen Gründen die Frage, wie weit die Federal Reserve (Fed) bereit ist, im Kampf gegen die Inflation zugunsten einer Wirtschaftsstabilisierung zurückzustecken und ihren Autopiloten in Sachen restriktive Liquiditätspolitik (QT) zu überdenken (wäre nicht das erste Mal)? On top kommt noch der gerade über den Bundestaat Michigan hinaus eskalierende Streik der Automobilbauer-Gewerkschaft UAW (United Auto Workers). Dieser birgt das Potenzial die Preise für Gebrauchtwagen wieder deutlich anzuheben, was die Inflationsbekämpfung durch die Fed konterkarieren würde.
„Wir haben einfach eine Menge Fragen, die die Leute beschäftigen“, sagte Brian Donlin, Stratege für Aktienderivate bei Stifel Nicolaus & Co. gegenüber Bloomberg News. „Man hat gesehen, dass die Absicherungen ansteigen und das Risiko eines echten Volatilitätsanstiegs zugenommen hat.“
Bislang keine Spur von Panik
Der Handel verlief trotz der Abwärtstendenz bislang ruhig und geordnet. Es gab kaum Anzeichen einer Panikabsicherung während des vierwöchigen Rückgangs des S&P 500 – der längsten Serie in diesem Jahr, der um mehr als 5 Prozent abfiel. Auch die Volatilität als bester Indikator für Stress an den Aktienmärkten verharrte nahe ihrer historischen Tiefststände. Dennoch deuten die Anzeichen darauf hin, dass Aktienanleger sich auf steigende Volatilität einstellen (höhere Schwankungsbreite der Aktienkurse).
Der Preis einer sogenannten Straddle-Strategie – einer Wette auf größere Preisschwankungen unter Verwendung von Puts und Calls mit demselben Ausübungspreis und demselben Verfallsdatum – liegt laut Stifel in den USA mittlerweile über dem durchschnittlichen Zweimonatswert einer Reihe börsengehandelter Fonds mit Fokus auf die USA (Datenstand: Ultimo September, Quelle: Bloomberg)
Zu denjenigen, die auf der Welle der Volatilität reiten, zählt Gareth Ryan von IUR Capital. Einen Tag, nachdem die Fed ihren langfristig höheren Kurs bekräftigte, kaufte der Geschäftsführer des Unternehmens einen Put-Spread auf den SPDR S&P 500 ETF Trust und wettete, dass die Aktien fallen und die Volatilität steigen würden. In Deutschland bietet u. a. Lyxor einen ETF auf die steigende Volatilität beim S&P 500 an. Ryan realisierte einen Teil seiner Gewinne, als der S&P am Donnerstag einen Aufschwung erlebte. Der VIX-Index liegt bei 17,52 und damit über seinem Schlusskurs von 14,11 am Abend vor dem Tag der Zinsentscheidung aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Vor einem Jahr notierte der Volatilitäts-Index noch doppelt so hoch.
Daher gibt das aktuell VIX-Niveau immer noch wenig Anzeichen von Panik ab. Und zumindest ein Merkmal von Panikverkäufen – synchrone Aktienkursschwankungen – sind noch nirgends zu erkennen. Die tatsächliche Ein-Monats-Korrelation zwischen den S&P 500-Aktien liegt bei 0,24, ein Rückgang gegenüber einem Wert von 0,29 Ende August, trotz eines breiten Rückgangs an den Aktienmärkten in dieser Zeit. Eine Verlagerung von Bereichen wie Technologie hin zu Energie hat die Korrelationen wahrscheinlich unter Kontrolle gehalten.
„Während die Angst der Anleger zunimmt, ist dies nur moderat und es fühlt sich nicht wie eine Panik an“, sagte Bram Kaplan, Leiter der Aktienderivate-Strategie für Amerika bei JPMorgan Chase & Co. gegenüber Bloomberg News. „Der Anstieg der Volatilität ist nur moderat. Es gab keinen Anstieg der Optionsvolatilität oder des Put/Call-Verhältnisses, der auf einen deutlich gesteigerten Bedarf auf Absicherungen an den Aktienmärkten hinweisen würde.“
Angst vor steigenden Kapitalmarktzinsen belastet – Aktienrückkäufe brechen ein
Dennoch sah die zweite Septemberhälfte für Aktienanleger nicht gut aus. Die Angst vor steigenden Zinsen hat die Stimmung belastet. Außerdem wurden Aktienrückkäufe für etwa 90 Prozent der S&P-500-Unternehmen aufgrund eines vorläufigen Gewinnausfalls eingefroren, wodurch den Aktienmärkten ein wichtiger Impuls für weiter steigende Kurse abhanden kam.
Daher die Veränderung der impliziten Volatilität für am Geld liegende S&P 500-Optionen, die in fünf Tagen verfallen. Zu einem Zeitpunkt in der vergangenen Woche lagen diese 0,7 Punkte über einem Maß für die erwarteten Preisschwankungen in zwei Monaten, die größte Spanne seit der Bankenkrise im März.
In den vergangenen Tagen kam es zu zu steigender Volatilität, und kurzfristige Optionen – die empfindlicher auf solche Bewegungen reagieren als längerfristige Kontrakte – reagierten schnell. Die von Stuart Kaiser von Citigroup Inc. zusammengestellten Daten veranschaulichen, wieviel empfindlicher der VIX-Index auf kurzfristige Bewegungen im S&P 500-Index und die Preisschwankungen des S&P 500 reagiert.
„Die Zeit besorgter, aber nicht panischer Märkte hält an“, sagte Kaiser. „Wir gehen davon aus, dass die Vorderseite der VIX-Kurve genau mit den Marktinterna übereinstimmt, aber es in einer längeren Stressphase Raum für einen Anstieg gibt.“
FMW/Bloomberg
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Gold scheint derzeit empfindlicher als Aktien auf das Zinsgeschehen zu reagieren.