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Aktienmärkte und Krieg: Wieder das klassische Schema?

Aktienmärkte und Krieg

Aktienmärkte extrem: Der Antizipationseffekt der Börse könnte einen schon ins Grübeln bringen. Kaum hatte der russische Präsident den Befehl zum Angriff auf die Invasion gegeben, stiegen die Kurse der Aktienmärkte. Wieder einmal die zynische Reaktion von Investoren bei kriegerischen Auseinandersetzungen, die es bereits so oft gegeben hat?

Die Übersichten wurden diese Wochen herumgereicht: Bei Kriegsgefahr fallen die Kurse, bei Kriegsbeginn geht es nach oben.

Aktienmärkte und Krieg

Zumeist, außer in den Ländern, die von den kriegerischen Ereignissen selbst betroffen sind, unmittelbar in den Auswirkungen. Deshalb war die Reaktion beim Dax auf einen möglichen Kollaps der Energieversorgung aus Russland besonders ausgeprägt, bis zu dem Moment, wo die ersten Sanktionen den Energie- und Rohstoffmarkt außen vor ließen.

Aber dies war der Stand vor dem Wochenende, die Entscheidung Deutschlands und seiner westlichen Verbündeten doch den Ausschluss russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift zu beschließen, könnte in der neuen Woche zu neuen Abschlägen führen. Nach Bekanntgabe der extremen Maßnahme durch Pressesprecher Hebestreit über eine Übereinkunft von USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, der EU-Kommission und natürlich von Deutschland, das sich zunächst beharrlich gegen diese finale Option im Bankensektor und mit Blick auf internationale Finanzströme gestellt hatte.

Aktienmärkte: Kursgewinne trotz Invasion

Nach dem Beginn der Invasion der Ukraine am Donnerstag Morgen waren die Kurse der Aktienmärkte gestiegen, damit kam es in der Woche des Kriegsbeginns sogar zu einem Plus für den S&P 500 von 0.8 Prozent, beim Nasdaq von 1,1 Prozent, nur beim Dow Jones ging es mit minus 0,1 Prozent leicht bergab.

Aktienmärkte S&P Year

 

Besonders am Freitag beschleunigte ein eigentlich unsinniges Signal über die Verhandlungsbereitschaft Russlands zu Verhandlungen die Kurse – weil dies eben eine vorherige Kapitulation voraussetzte. Dow Jones und S&P 500 stiegen vor dem Wochenende um 2,5 beziehungsweise 2,1 Prozent, sehr ungewöhnlich, schließlich können gerade am Wochenende Ereignissen kommen, auf die man börsentechnisch nicht reagieren kann. Genau so ein Event könnte die Swift-Entscheidung des Westens gegenüber Russland sein, mit den möglichen Gegenreaktionen aus Moskau.

S&P 500: Ist das Kurs-V ein Fehlsignal?

Aktienmärkte S&P 500 V

Der Fondsmanager Florian Ielpo von Lombard Odier Investment brachte es so auf den Punkt: „Ein langfristiger Bärenmarkt wird normalerweise nicht durch geopolitische Unruhen ausgelöst“. Aber eine weitere Eskalation könnte folgen, falls Russland die Energie-Versorgung nach Europa einstellt. Dies würde auch Reaktionen an der Wall Street zur Folge haben, wo sich wieder einmal zeigen wird, wie abhängig das Energieverschwendungsland USA von den Energiepreisen ist.

S&P 500: Die grüne Schautafel

Wer hätte das gedacht? Inmitten eines Krieges auf europäischem Territorium und einer möglichen Eskalation am Wochenende drückten Investoren auf den Kaufen-Button. Kursgewinne in allen elf Sektoren beim

S&P 500. War dieser Optimismus, dass es zu keinen weiteren Verwerfungen bei Wirtschaft und Börse kommt verfrüht?

Grüne Tafel

Alles wurde gekauft, aber wieder Value vor Growth:

Aktienmärkte Sektoren Performance ein Tag

So viel zur letzten Woche.

Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Aktienmärkte und Kapitalmärkte

Das ist das Thema in allen Wirtschaftsmedien und zu jeder Stunde des Tages: Ein ständiges Analysieren, Spekulieren und zugleich ein Stochern im Nebel. Abseits der menschlichen Tragödie mit anschwellenden Flüchtlingsbewegungen geht es im Großen und Ganzen um die Frage: Was bedeutet die Ausgrenzung Russlands vom internationalen Zahlungssystem und in der Folge die wahrscheinliche Einstellung der Rohstofflieferungen Russlands – das Worst-Case-Szenario für viele Volkswirtschaften?

Mit weiter steigenden Energiepreisen und einer möglichen Rezession, denn hohe Preise für Energie waren stets ein Hauptauslöser für wirtschaftliche Einbrüche, wie ich es in meinem Artikel in der Vorwoche „It’s Energy, Stupid!“ habe anzureißen versucht. In der jetzigen Hochinflations-Periode würde nochmals alles teurer, die Budgets der Konsumenten weltweit noch stärker belastet. Selbst in den USA würden die Helikopterscheck-Reserven schmelzen wie Schnee in der Frühlingssonne. Das würden auch die Aktienärkte in den USA nicht ignorieren können!

Aber ein Weiteres ist auch festzustellen: desto mehr Bilder über Opfer und Zerstörungen in der Ukraine in die Welt gesendet werden, desto stärker rückt der Westen zusammen, desto mehr Sanktionen werden beschlossen. Russland wird zusehends boykottiert, Veranstaltungen abgesagt, Projekte verschoben, Arbeitskräfte abgezogen, Beziehungen stillgelegt. Der Widerstand in Russland gegen den Krieg gegen einen Bruderstaat nimmt zu, die russischen Bürger werden bald die wirtschaftlichen Auswirkungen spüren, der Run auf Geldautomaten in Moskau hat bereits begonnen.

Die „sekundären“ Börsensignale

Bereits seit einigen Tagen gibt es von Seiten des Sentiments jede Menge von Signalen, die als Kontraindikation die Börsen eigentlich stützen müssten. So wie die Stimmung der US-Privatanleger mit dem ungewöhnlich hohen Bärenanteil von 53,7 Prozent, die sehr geringe Investitionsquote der US-Fonds (NAAIM ) bei 44,41 Punkten:

NAAIM Chart Index

..oder der Fear&Greed-Index bei 31 Prozent.

Das Verbrauchervertrauen der Uni Michigan sank auf Rezessionsniveau, gleichzeitig stiegen die Einzelhandelsumsätze und die Frühindikatoren in der Industrie sowie im Dienstleistungssektor blieben unverändert stark. Aber was zählen alle diese Wirtschaftsindikationen, sollte sich die Lage im Ukrainekonflikt verschärfen, die Sanktionen gegen das Rohstoffland Russland die Inflation auf noch größere Höhen treiben? Was zu immer größeren Belastungen für die Unternehmen sowie für die Budgets aller Haushalte führen würde. Was jetzt zählt sind Deeskalation oder Eskalation im aktuellen Konflikt, alles andere ist so etwas wie ein Blick in den Rückspiegel.

Fazit

Die Federal Reserve und der monetäre Klimawandel geraten (temporär) in den Hintergrund. Die großen Zentralbanken werden angesichts der Katastrophe in der Ukraine, den immer größeren Schäden, den zu erwartenden Flüchtlingsströmen, nicht die Finanzierungsbedingungen verschärfen. Auch der Kampf gegen die Inflation dürfte hierbei zunächst in den Hintergrund rücken.

Was passiert hier gerade in Europa? Millionen Ukrainer auf der Flucht vor der russischen Armee, nach Westen in die EU-Staaten. Selbst Staaten wie Ungarn, die sonst sehr restriktiv gegen Migranten gewesen sind, zeigen große Aufnahmebereitschaft. Das alles wird Geld kosten, könnte damit die EZB nicht sogar das Gegenteil machen, wie vor Kurzem angenommen? Keine Bilanzreduzierung, sondern das Schnüren eines Rettungspakets für die Staaten, die der Ukraine unter die Arme greifen? Wir werden sehen, aber Madame Lagarde wird in der jetzigen Lage ihr bisheriges Zögern in der Zinspolitik erst recht nicht ändern.

Im Übrigen ist die jetzige Lage mit all dem Leid, welches so vielen Menschen widerfährt, wieder einmal ein Beispiel dafür, dass die langfristigen Zinsprojektionen der Notenbanken (Dotplots) stets das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt waren. Weiter gilt das, was ich bereits mehrfach im Hinblick auf die Geldpolitik der Fed geschrieben habe: Hört nicht auf das, was sie tun wollen, sondern auf das, was sie tun können!

Was bringt diese Woche? Wieder muss man mit allem rechnen, vor allen Dingen mit einer Potenzierung der militärischen Attacken, sollte der Widerstand der Ukraine mit Unterstützung des Westens länger anhalten. Bevor die vielen Waffenlieferungen der westlichen Staaten in den Kriegsgebieten ankommen. Denn was der russische Machthaber in seinem Machtanspruch sicherlich nicht akzeptieren würde, ist ein Gesichtsverlust, ein Eingeständnis, dass die Weltmacht militärisch nicht so überlegen ist. Man kann nur auf ein kleines Wunder hoffen, weitere Kursverluste der Aktienmärkte sind derzeit sicherlich sekundär.

Die ersten Meldungen der neuen Woche in den Nacht zum Montag deuten schon auf heftige Marktreaktionen hin. Die Futures auf S&P 500 und Nasdaq fielen zunächst um 2,4 bzw. 2,7 Prozent, die Ölfutures auf Brent Oil standen kurz vor der 100 Dollar-Marke. Der Rubel brach in der Nacht wieder um 20 Prozent ein, der Dollar zeigte ein typisches Verhalten in Krisenzeiten: Er stieg praktisch gegenüber allen Währungen. Insgesamt Flucht in Sicherheit.



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