Eigentlich konnte man früher eine Bank darauf setzen, nämlich auf die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Aktienmärkte in der Woche des Feiertags vor Thanksgiving steigen. Aber in dieser Woche lief einiges anders, insbesondere nach der Verlängerung der Amtszeit von Jerome Powell durch US-Präsident Joe Biden. Die Zinsen kletterten, der Nasdaq fiel zwei Tage in Folge, auch am Mittwoch, doch bis Handelsschluss besann man sich doch noch etwas auf die Regel.
Aktienmärkte: Beständig ist der Wechsel
Zuerst war es eine kleine Korrektur im September/Oktober, dann der plötzliche Aufschwung beim S&P 500 von Mitte Oktober bis Anfang November, der in eine kleine Korrektur mündete. Dann kam die Thanksgiving-Woche und mit ihr die Hoffnung, dass die nächste Aufschwungphase bevorsteht.
Die Vertragsverlängerung von Jerome Powell war dann aber urplötzlich der Auslöser für eine Neubewertung der Aktienmärkte, obwohl der gute Jerome Powell keine konkreten Aussagen zu einer Verschärfung seiner Geldpolitik von sich gegeben hatte. Dies kam aus dem Kreise der Fedmitglieder. Die Zinsen stiegen in Erwartung einer „hawkishen“ Geldpolitik, gleichzeitig fiel Hightech, speziell die Hoffnungswerte, das Thema Abdiskontierung künftiger und in ferner Zukunft liegender Gewinne wurde dominant. Aber was machen die 10-jährigen US-Treasuries? Zunächst gingen diese nach oben, um wieder zu fallen. Was für ein Auf- und Ab im ganzen Jahr 2021.
Die gestrigen Kurse vor Thanksgiving
Nach tiefroten Futures vor Börseneröffnung kam es zunächst zu Abgaben der Aktienmärkte, der Anstieg der Kapitalmarktzinsen verfestigte den Eindruck kommenden Ungemachs. Aber dann: Der gestrige Kursverlauf der 10-jährigen US-Treasury ähnelte der Silhouette des Matterhorns.
Die Kurse erholten sich, der schwere S&P 500 schloss mit 0,23 Prozent im Plus, bei 4700 Punkten und nicht einmal 1 Prozent unter seinem Intraday-All-Time-High von 4740 Punkten. Soll man hier wirklich schon die Jahresendrallye abschreiben? Der Dow Jones schaffte es um 9 Punkte nicht ganz ins Plus, aber der Nasdaq konnte mit +0,44 Prozent nach zwei Tagen Verlusten wieder zulegen. Wie der Nebenwerte Index Russell 2000, der nach sechs Tagen mit Kursverlusten schon deutlich überverkauft ist.
Es wich etwas Unruhe aus dem Markt, der Volatilitätsindex VIX fiel um 4,13 Punkte auf 18,55 Zähler.
BigTech schlich sich zum Schluss ins Plus
Auch wenn sich jetzt der Eindruck verfestigen sollte, dass das Tapering, also das Abschmelzen der Anleihekäufe der Notenbank im Volumen – nicht die Reduzierung der Fedbilanz wie 2017/18 – noch die große Schockwirkung auslösen wird. Aber, Josh Brown, der CEO von Ritholtz Wealth Management brachte es auf den Punkt: Nicht ein Entscheider in der Investmentszene, in der Wirtschaft oder an der Börse, wünsche sich jetzt mehr Stimulus. Man akzeptiere das Tapering, weil die weiteren Nebenwirkungen erhebliche Schäden anrichten würden.
Seit September läuft ein dauernder Wechsel, der „Markt verarscht uns“, könnte man es umgangssprachlich formulieren. Aber jetzt schleicht sich das Gefühl ein – die Marktverhältnisse wandeln sich.
Fazit
Ein Wechsel hat stattgefunden. Schlagartig wurde den Investoren bewusst, dass die Fed zwangsläufig die hohe Inflation nicht weiter ignorieren kann und man aktiver der ausgeuferten Teuerung entgegenwirken muss. Dies hat top Priority für das Weiße Haus und damit auch für die Federal Reserve.
Eines kann man bereits Ende November zu diesem Börsenjahr sagen: Immer wenn man glaubte, es gebe einen Trend – zuerst Growth, dann Value und Vice versa, dann wa das schnell wieder vorbei. Ebenso wie bei den Zinsen mit ihrem ständigen Auf und Ab. Große Adressen gerieten des Öfteren in Schieflage, da braucht man sich nur an die todsichere Wette der Hedgedonds auf steigende Renditen im Februar/März erinnern.
Jetzt ändert sich die Geldpolitik und es wird sich eine neue große Frage ergeben: Können die Unternehmensgewinne den Rückgang der monetären Unterstützung durch die Notenbank auffangen? Die Neubewertung der Aktienmärkte hat eingesetzt.
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