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Aktienmärkte: Wohin führt die Bärenmarktrally? Diese Woche wird wichtig!

Nach einer rekordverdächtigen Woche für die Aktienmärkte, sowohl in den USA als auch in Deutschland – mit neun bis zehnprozentigen Gewinnen bei den Indizes Dow Jones und S&P 500 sowie elf Prozent Kursanstieg beim Dax – inmitten eines Bärenmarktes – darf man gespannt sein für diese Woche, wenn sehr viel Realwirtschaftliches über die Ticker laufen wird.

Für den deutschen Leitindex war es der größte Wochengewinn seit der Finanzkrise im November 2008, für die Leitbörse der Welt, dem S&P 500, sogar der größte wöchentliche prozentuale Zugewinn seit 1974.

Wenn das nicht nach einer Korrektur schreit. Vieles hat sich in der letzten Woche ereignet und die Aktienmärkte haben mächtig viel vorweggenommen oder schlichtweg ignoriert.

Aktienmärkte: Kurzfristig viel eingepreist

In der vergangenen Woche hagelte es schlechte Nachrichten von allen Seiten. Zum Beispiel den lange befürchteten Einbruch in der Stimmung der US-Konsumenten, der bisherigen Stütze der 16 Billionen-Dollar-Konsumökonomie. Das Barometer für das Verbrauchervertrauen der Universität Michigan fiel im April auf 71 Zähler nach 89,1 Punkten im Vormonat März. Das ist zwar das niedrigste Niveau seit Dezember 2011, aber ist dies bereits der Tiefpunkt?

Zugleich kamen die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe mit für deutsche Verhältnisse furchteinflößenden 6,6 Millionen in der Woche zu Aprilbeginn, wobei diese Zahl noch höher hätte ausfallen können, zu groß war der Andrang. Damit ist man bereits bei 16 Millionen Arbeitslosen angelangt.

Es gab aber einige Entwicklungen und Ereignisse, die den Sturz der Indizes nicht nur aufhielten, sondern durch manche Short Squeeze in das Gegenteil verkehrten.

An erster Stelle ist hierbei die US-Notenbank zu nennen, die keine Summe scheut, um den Fall der US-Wirtschaft abzufedern. Fed-Chef Jerome Powell warnte vor einem Absacken der Wirtschaft in die Massenarbeitslosigkeit, die den völligen Kollaps des US-Konsums zur Folge haben würde. „Whatever it takes“ ist auch für die US-Notenbank zur Devise geworden. Mit der Nothilfe von 2,3 Billionen Dollar will man kleinere und mittelgroße Firmen stützen, denn eines ist klar: Bei einer Pleitewelle der Firmen werden aus den Arbeitslosen der Gegenwart Dauerarbeitslose, wie in den 1930-ern. Dazu kommt die Andeutung der Fed des Kaufs von Junk Bonds, Anleihen von Schuldnern minderer Güte (Zombieunternehmen), wie es sie derzeit zuhauf in der US-Frackingbranche geben sollte. Am letzten Sonntag habe ich es in den Raum gestellt: „Was einige Investoren immer noch unterschätzen, ist die absolute Hemmungslosigkeit, Schmerzfreiheit oder Radikalität der US-Regierung, um den US-Konsum zu retten. Wenn das 4 Billionen-Dollarpaket an Sicherheiten nicht ausreicht, wird man eben noch weitere Billionen hinterherschieben.“ Es hat nicht lange gedauert.

Die ganze letzte Woche gab es auch ein Spekulieren um Kürzungen der Ölförderung und um die Höhe des Ölpreises, der für viele Staaten von existenzieller Bedeutung ist. Nach einem Einbruch des Preises für das schwarze Gold von 50-60 Prozent in diesem Jahr spekulierte man auf eine Einigung des Verbundes OPEC +, die am Wochenende dann mit der Einigung auf eine Förderkürzung von 9,7 Millionen Barrel auch tatsächlich zustande kam.

Wo soll weiteres Futter für die Aktienmärkte herkommen?

In der letzten Woche hätte man anhand der Kurssprünge der Aktienmärkte glauben können, dass das Schlimmste in der Coronakrise bald hinter uns liegt. Die „noch kommenden“ wirtschaftlichen Daten werden eine andere Sprache sprechen.

Bisher sah man ein für Bärenmärkte typisches Verhalten der Aktienmärket. Wenn man hundertprozentig der Meinung sein muss, es kann nur noch abwärts gehen und man selbst durch Absicherungen noch etwas Profit erzielen könne, kommt ein überraschendes Gegensignal, wie die Bazooka der Fed und die extreme Gegenbewegung ist da. Sonst gäbe es auch ein leichtes Geldverdienen in einer Baisse, die von eindeutigen wirtschaftlichen Signalen dominiert wird, wie in der Finanzkrise 2008, wo es sechs Monate wüst auf und ab ging.

Was erwartet uns diese Woche? Zunächst ist einmal nicht zu erwarten, dass es vonseiten der Notenbank oder auch der Regierung kurzfristig wieder so einen Kurs treibenden Unterstützungscoup geben wird. Es werden eher Daten aus der Realwirtschaft dominieren – und es ist wahrscheinlich nicht verwegen zu konstatieren: Der Rückgang des BIP im zweiten Quartal wird Negativrekorde brechen. Darauf werden die ersten Unternehmensberichte für die Quartalssaison Q1 hindeuten, die dabei regelmäßig einen Ausblick auf Q2 geben werden. Das erste Quartal dürfte nämlich noch relativ robust aussehen, schließlich wurde der große Lockdown erst Mitte März umgesetzt. Beginnen wird die Berichtssaison traditionell mit den US-Großbanken. Sie startet heute mit JP Morgan und Wells Fargo, gefolgt von Goldman Sachs, Bank of America und Citigroup (Mittwoch) und Morgan Stanley (Donnerstag).

Wie üblich hat die Bankenbranche vor dem Veröffentlichungsdatum ihre Zahlen korrigiert, aber konnte man dies jetzt auch entsprechend und rechtzeitig tun?

Die Banken leiden gleich mehrfach unter der aktuellen Situation: Zum einen unter dem Einbruch der Wirtschaft, die in manchen Teilen stillsteht, unter Kreditausfällen und hohen Rückstellungen, die man für künftige Ausfälle tätigen muss und unter praktisch kaum mehr vorhandenen Zinsen, nach den extremen Leitzinssenkungen der Federal Reserve auf ein Niveau von mageren 0 bis 0,25 Prozent. Allerdings ahnen Investoren schon das Unheil. Der Bankenindex war im ersten Quartal nämlich doppelt so stark gefallen wie der breite Markt (S&P 500).

Mit Spannung, aber auch mit etwas Grauen, werden die Aktienmärkte auf den Donnerstag warten, wenn die nächsten Anträge zur US-Arbeitslosigkeit gemeldet werden. Kommen dann die nächsten 6 bis 7 Millionen Fälle, die die US-Wirtschaft in die Regionen wie zur großen Krise von 1929 führen werden, zumindest kurzfristig? Und wird der Markt ein weiteres Mal so unbeeindruckt darüber hinwegsehen, weil man es ja erwartet hat?

Vorher gibt es noch ein paar Daten zur Industrieproduktion und zu den Einzelhandelsumsätzen im Monat März.

Gespannt werden Analysten auch nach Fernost blicken. In China begann die Viruskrise und von dort werden auch die ersten Zahlen in Richtung Normalisierung erwartet. Dort gibt es Daten am Freitag zum Bruttoinlandsprodukt, welches im ersten Quartal voll von Corona betroffen wurde. Wird es da auch so wundersame Fakten wie im Falle vom Covid-19 geben, von dem das 1,4 Milliarden-Volk tatsächlich nur von 82.000 Fällen betroffen gewesen sein solll?

Außerdem gibt es Zahlen aus Peking zur Entwicklung der Industrie im Monat März, in dem man schon langsam mit den ersten Schritten zur Normalisierung begonnen hat. Sicherlich von großem Interesse für den Westen, der der Entwicklung in China einige Monate hinterherläuft.

Fazit

Der ungewöhnlichste Bärenmarkt aller Zeiten nimmt weiter seinen Lauf. Nach dem steilsten und schnellsten Einbruch der Aktienmärkte aller Zeiten folgte die wohl schnellste Rückkehr in einen Bullenmarkt: allein der Dax ist schon wieder um 28 Prozent geklettert, nach einem steilen Absturz um 40 Prozent und dies alles seit dem 20. Februar.

Den Ökonomen fehlen derzeit historische Beispiele für ihre an Modellen ausgerichteten Wirtschaftsprognosen, den Börsianern Beispiele aus früheren Rezessionen. Was soll man verwenden? Die Finanzkrise von 2008 oder gar die große Depression von 1929? Nichts passt, ein Bärenmarkt bei einem großen Wirtschaftsabschwung dauerte bei den letzten vier Einbrüchen durchschnittlich 429 Tage. Damit stünden wir erst komplett am Anfang. Dieses Mal ist wirklich alles anders. Eine Wirtschaft, die weltweit innerhalb von Tagen oder Wochen heruntergefahren wurde und dazu bekommen wir noch nie dagewesene Wirtschaftsindikatoren. Zudem fiskalpolitische Stimuli, zuletzt Japan mit knapp einer Billion Dollar, oder 20 Prozent der Wirtschaftsleistung – zuvor die Fed mit ihrem 2,3 Billionen Dollar-Paket, und Europa mit 1,5 Billionen Euro -, die Summen machen schwindelig. Was wird das? Ein V mit der tiefsten und schnellsten Rezession aller Zeiten oder ein L mit einer ewig langen Durststrecke? Alle stochern im Nebel, denn die Verfahrenshoheit hat ein 100 Nanometer großes Partikel, ein zugleich harmloser, wie heimtückischer Virus, der mittlerweile 194 Staaten heimsucht.

In der nachösterlichen Woche könnte es zu einer Belastungsprobe für die Aktienmärkte und ihre optimistische Sicht kommen, wenn immer mehr realwirtschaftliche Daten die Spuren von Covid-19 aufzeigen werden.

Die Aktienmärkte im Rally-Modus, trotz Wirtschaftsabsturz



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3 Kommentare

  1. Bald nach unten. Den größten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen erwartet Coface in den USA mit plus 39 Prozent. Alle westeuropäischen Länder wären betroffen, zusammen mit plus 18 Prozent. Im Einzelnen sieht Coface eine Steigerung für Deutschland um 11 Prozent, Frankreich um 15 Prozent, Großbritannien um 33 Prozent, Spanien um 22 Prozent und Italien um 18 Prozent. Auch für Japan, das ebenso wie Deutschland zehn Jahre lang sinkende Insolvenzzahlen meldete, wird der Anstieg mit 12 Prozent zweistellig ausfallen. Coface sieht China im laufenden Jahr bei einem Plus um 4,0 Prozent und Indien bei plus 3,5 Prozent.

  2. „Was wird das? Ein V mit der tiefsten und schnellsten Rezession aller Zeiten oder ein L mit einer ewig langen Durststrecke?“

    Ich tippe mal auf ein W. Erst steil bergab, dann steile Korrektur, von der Korrektur wieder bergab und dann wieder steil bergauf.

  3. Der jetzige Stand ist absolut nachvollziehbar.

    Wenn ich als „Dickfisch“ durch diesen ersten Fall mir eine goldene Nase verdient habe.
    Was liegt jetzt näher ?
    Warten auf „whatever it takes“ und dann nochmals auf fallende Kurse setzen.
    Dann haben wir eine gute erneute „Fallhöhe“ und entsprechende Rendite.
    Die Billionen-Schulden werden dann ja „sozialisiert“.
    Die einzigste Chance wäre nur ein kompletter Crash.
    Aber das wird wahrscheinlich dauern – vielleicht noch ein paar Mal „Geld erschaffen“
    bis dann wirklich nichts mehr geht – Wirklich ?

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