Die türkische Zentralbank hat soeben beschlossen den Leitzins volle 200 Basispunkte zu senken von 18 Prozent auf 16 Prozent! Vor vier Wochen hatte die Zentralbank den Leitzins bereits „überraschend“ von 19 Prozent auf 18 Prozent abgesenkt – was eigentlich dem Gegenteil von dem entspricht, was Notenbanker in einer entsprechenden Situation tun – denn die Inflation in der Türkei steigt von Monat zu Monat immer weiter an auf zuletzt 19,58 Prozent. Die Markterwartungen für die heutige Zinsentscheidung lagen bei einer Absenkung auf 17,50 Prozent. Damit sinkt der Leitzins 150 Basispunkte stärker, als die Analysten es im Schnitt erwartet hatten.
Türkische Lira mit dramatischer Abwertung nach Senkung im Leitzins
Die türkische Lira reagiert daraufhin mit einer deutlichen Abwertung. US-Dollar vs Lira steigt seit 13 Uhr deutscher Zeit von 9,26 auf 9,48 in der Spitze (aktuell 9,45). Der Devisenmarkt sieht also die dramatische Auswirkung des Drucks von Präsident Erdogan auf die Notenbanker in Ankara. Nun liegen 3,58 Prozent Abstand zwischen dem Leitzins und der Inflation in der Türkei.
Begründung der türkischen Zentralbank
Während die Auswirkungen der hohen weltweiten Inflation auf die Inflationserwartungen und die internationalen Finanzmärkte genau beobachtet werden, gehen die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften davon aus, dass der Inflationsanstieg mit der Normalisierung der Nachfragezusammensetzung, dem Nachlassen der Angebotsbeschränkungen und dem Nachlassen der Basiseffekte größtenteils vorübergehend sein wird. Dementsprechend setzen die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ihre unterstützende Geldpolitik und ihre Programme zum Ankauf von Vermögenswerten fort, so die türkische Zentralbank aktuell in ihrem Kommentar.
Die Frühindikatoren würden zeigen, dass die Binnenkonjunktur in der Türkei mit Hilfe der robusten Auslandsnachfrage stark bleibt. Die Ausbreitung der Impfungen im Inland in der gesamten Gesellschaft erleichtere die Erholung im Dienstleistungssektor, im Tourismus und in verwandten Sektoren, die durch die Pandemie in Mitleidenschaft gezogen wurden, und führe zu einer ausgewogeneren Zusammensetzung der Wirtschaftstätigkeit. Während sich die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern verlangsamt, sei bei den Verbrauchsgütern eine Erholung zu beobachten. Die Verbesserung der Leistungsbilanz auf Jahresbasis dürfte sich aufgrund des starken Aufwärtstrends bei den Exporten im restlichen Jahr fortsetzen, und die Verstärkung dieses Trends ist laut Aussage der Zentralbank wichtig für das Ziel der Preisstabilität.
Der jüngste Anstieg der Inflation sei durch angebotsseitige Faktoren wie den Anstieg der Lebensmittel- und Importpreise, insbesondere im Energiesektor, sowie durch Versorgungsengpässe, den Anstieg der administrierten Preise und die Nachfrageentwicklung infolge der Wiedereröffnung verursacht worden. Es werde davon ausgegangen, dass diese Auswirkungen auf vorübergehende Faktoren zurückzuführen sind. Andererseits ist zu beobachten, dass sich die Auswirkungen der geldpolitischen Straffung auf die Kreditvergabe und die Inlandsnachfrage abschwächen. Der straffe geldpolitische Kurs habe begonnen einen stärkeren als den erwarteten kontraktiven Effekt auf die gewerblichen Kredite zu haben. Darüber hinaus habe der verschärfte makroprudenzielle Rahmen begonnen, das Wachstum der Privatkredite zu bremsen.
Die Zentralbank habe die Analysen ausgewertet, um die Auswirkungen der Nachfragefaktoren, auf die die Geldpolitik Einfluss nehmen kann, die Entwicklung der Kerninflation und die Angebotsschocks aufzuschlüsseln. Dementsprechend habe man beschlossen den Leitzins um 200 Basispunkte auf 16 Prozent zu senken. Dennoch habe man eingeschätzt, dass die vorübergehenden Faktoren auf der Angebotsseite bis zum Ende des Jahres nur einen begrenzten Spielraum für eine Anpassung des Leitzinses nach unten lassen.
Chart zeigt den Kursverlauf von US-Dollar vs türkische Lira in den letzten 5 Tagen.
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