Otmar Lang, Chefvolkswirt der TARGOBANK, hat aktuell einen Kommentar zur vor wenigen Minuten verkündeten Entscheidung der EZB veröffentlicht. Der Titel seines Textes lautet „EZB kann keinen Turnaround bewirken“. Ein sehr interessanter Text! Hier im Wortlaut:
Der Glaube an die Wirkung der Geldpolitik im aktuellen Umfeld erscheint wie die Sehnsucht nach der guten alten Zeit – als die Notenbanken mit einem Greenspan- oder einem Bernanke-Put noch die Welt retteten. So konnten Zinssenkungen den Aktienmarktcrash von 1987 sehr schnell heilen. 2008 konnten die Notenbanken weltweit unter Führung der FED letztendlich sogar das Weltfinanzsystem vor dem Untergang bewahren. Und Mario Draghis „whatever it takes“ in 2012 war dann schließlich die europäische Ausprägung.
Doch das hilft heute alles nicht mehr weiter. Beim Coronavirus handelt es sich um einen Angebots- und Nachfrageschock, den die Notenbanken nicht wirklich beeinflussen können. Sie können globale Wertschöpfungsketten nicht retten oder heilen, und sie bringen auch keine Konsumenten in die Reisebüros, um Pauschalurlaube zu buchen. Es wäre grob vermessen, darauf zu setzen, dass Notenbanken aktuell mit ihrer Geldpolitik eine stabilisierende Wirkung auf Finanzmärkte und Wirtschaftsräume ausüben können. Das hat bereits die außerplanmäßige US-Leitzinssenkung vom 3. März gezeigt, die die gewünschte Wirkung völlig verfehlt hat. Das hat die EZB begriffen und ihre Leitzinsen heute unverändert gelassen. Dagegen verkündete sie ein Maßnahmenpaket, um den Banken und Unternehmern als Kreditnehmern unter die Arme zu greifen.
Das alles ist nicht falsch. Aber anders als früher sind Notenbankmaßnahmen aktuell nur schmückendes Beiwerk, das keinen Turnaround bewirken kann. Die klassische Geldpolitik ist damit nicht am Ende– aber sie ist derzeit einfach nicht das richtige Mittel.Heute ist die Fiskalpolitik gefordert, also die Regierungen oder die EU-Kommission. Die Bundesregierung geht mit ihren Regelungen zum Kurzarbeitergeld schon in die richtige Richtung. Auch die Aussetzung von Steuerzahlungen, vorübergehende Liquiditätshilfen oder eine Unterstützung bei Krediten könnten helfen. Dann müssten aber alle Maßnahmen auf europäischer Ebene gebündelt und koordiniert werden und sich nicht im „Kleinklein“ auf nationaler Ebene verlieren. Die EZB ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterhin bemüht.
Übrigens, hier ein kleiner Lesetipp: Beim Klick an dieser Stelle finden Sie auch noch ein aktueller Kommentar vom in Börsianer-Kreisen hoch angesehenen Holger Zschäpitz von der WELT. Auch wenn er den Kommentar wenige Minuten vor der EZB-Entscheidung veröffentlichte, so ist er dennoch aktuell und lesenswert.
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