Die EU-Kommission macht den Weg frei nach Absurdistan in Sachen Artikel 13 des neuen EU-Urheberrechts. Und nein, wir möchte natürlich niemanden beleidigen, und auch die Mitarbeiter der Kommission wollen wir natürlich nicht für wahnsinnig oder peinlich erklären. Wir kennen die Menschen ja nicht mal persönlich. Aber die Wörter „peinlich“ und „absurd“ musste an dieser Stelle benutzt werden, weil sie das folgende bestens beschreiben.
Die EU-Kommission und Artikel 13 in Absurdistan
Haben Sie schon mal versucht eine Drehtür abzuschließen? Oder unter Wasser gegrillt? Oder kann man es schaffen über Nacht von Europa in die USA zu gelangen, ohne ein Flugzeug zu benutzen? Tja, aber wer die Infotexte für die EU-Kommission verfasst, der ist zu all dem offenbar im Stande. Die EU hat ganz frisch einen Frage- und Antwort-Katalog zum Artikel 13 veröffentlicht (hier komplett einsehbar). Die interessanteste Frage in diesem Katalog lautet: Wird Artikel 13 Uploadfilter zwingend notwendig machen? Und Sie ahnen es schon. Natürlich lautet die Antwort NEIN. Wir drucken die Original-Zitate der „Antwort“ hier ab, und danach besprechen wir diese Absurdität im Detail.
No. The text of the political agreement does not impose any upload filters nor does it require user-uploaded platforms to apply any specific technology to recognise illegal content.
Under the new rules*, certain online platforms will be required to conclude licensing agreements with rightholders – for example, music or film producers – for the use of music, videos or other copyright protected content. If licences are not concluded, these platforms will have to make their best efforts to ensure that content not authorised by the right holders is not available on their website. The “best effort” obligation does not prescribe any specific means or technology.
Also, it will only apply in cases where the online platforms covered by the Directive* and the rightholders have not concluded licensing agreements for the use of copyright protected content and only for specific content identified by rightholders. The Directive* explicitly prohibits Member States from imposing on online platforms a general monitoring obligation of the content uploaded by the users.
Also: Artikel 13 verpflichte niemanden Uploadfilter oder sonstige Technologie einzusetzen um illegale Inhalte vor dem Hochladen zu stoppen. Dazu meinen wir: Ja, das stimmt. Aber es ist auch niemand verpflichtet in ein Flugzeug zu steigen, wenn er über Nacht von Frankfurt nach New York gelangen will. Es ist aber praktisch die einzige Möglichkeit. Natürlich ist es eine elegante „Problemlösung“ der Befürworter von Artikel 13, das Wort Uploadfilter zu streichen, aber gleichzeitig den Gesetzestext so zu schreiben, dass das Gesetz nur mit Uploadfiltern umsetzbar ist.
Es geht ja nur um Lizenzen?
Bitte festhalten. Es wird nämlich noch besser. Laut Kommissions-Infotext gehe ja eigentlich bei Artikel 13 nur darum, dass Onlineplattformen mit Rechteinhabern Lizenzvereinbarungen schließen sollen. Nur in den (seltenen???) Fällen, wo keine Vereinbarungen geschlossen werden könnten, da müssten die Onlineplattformen „größtmögliche Anstrengungen unternehmen“ (make their best efforts), dass nicht autorisierte Inhalte nicht auf ihren Plattformen hochgeladen werden. Aha. „Größtmögliche Anstrengungen“ – das ist natürlich ein präziser Rechtsbegriff, mit dem Richter bei Streitigkeiten etwas anfangen können? Es wird hier also für Abmahnvereine, Verwertungsgesellschaften, Verlage und engagierte Anwälte ein gigantischer Gestaltungsspielraum geschaffen.
Und das wissen auch YouTube, Facebook und Co. Der extrem große Streaming-Anbieter Twitch kündigte übrigens jüngst an seinen Service in Europa wohl massiv einschränken zu müssen, wenn Artikel 13 beschlossen wird. Letztlich heißt „größtmögliche Anstrengung“, dass nur Uploadfilter flächendeckend vor dem Hochladen problematische Inhalte blocken können. Und zum Schutz der Anbieter werden diese gezwungen sein aus Vorsicht drastisch mehr abzublocken als notwendig.
Und ja, die Inhalte. Alles ist urheberrechtlicher Inhalt. Wenn man ein Urlaubsfoto macht, einen kurzen Text scheibt, wirklich alles ist urheberrechtlich zu schützender Inhalt unter Artikel 13. Also müssten Google und Co quasi mit Milliarden von Menschen und Unternehmen ständig Lizenzvereinbarungen treffen, bevor die neue „Werke“ wie Urlaubsfotos hochladen. Wie soll das gehen? Das wird im Q&A mit keinem Wort besprochen.
Flächendeckende Überwachung vor Hochladen verboten!
Und ganz zum Schluss schießt der Text der EU-Kommission den Vogel endgültig ab. Denn dort steht geschrieben, dass es den Mitgliedsstaaten der EU unter Artikel 13 ausdrücklich verboten sein soll, dass sie (bei der Umsetzung in nationales Recht) eine grundsätzliche Überwachung vor dem Hochladen zu einer Verpflichtung machen. Also, nochmal: Uploadfilter wird es nicht geben, und sie sind auch nicht verpflichtend. Und eine generelle flächendeckende Kontrolle vor dem Hochladen ist auch verboten. Aber die Anbieter sollen Artikel 13 bitteschön umsetzen! Ähhhh… Irrenhaus, hallo? Was denn jetzt? Die Quadratur des Kreises? Man soll im Auto den Blinker setzen, darf aber weder nach rechts noch nach links blinken? Mit dieser finalen Aussage macht die EU-Kommission Artikel 13 endgültig lächerlich.
Sollte die Verordnung wirklich Gesetz werden, dann darf man aber mehr als gespannt sein, wie zum Beispiel der deutsche Gesetzgeber dieses Mysterium auflösen will, wenn er einen Gesetzestext verfasst. Wir wären dann mehr als gespant auf das Resultat! Ach übrigens. Die SPD positioniert sich aktuell immer eindeutiger gegen Artikel 13. Aber dem Herrn Kühnert muss bitte noch jemand sagen, dass Uploadfilter doch gar nicht vorgesehen sind (Realsatire).
https://twitter.com/KuehniKev/status/1105496426023395328
Übrigens: Der UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit hat Probleme mit Artikel 13 (hier nachzulesen).
https://twitter.com/davidakaye/status/1105142383555952642
So was können die Lobbyisten pro Artikel 13 natürlich nicht auf sich sitzen lassen. So hat sich zügig ein gewisser Ozgen Burak zu Wort gemeldet. Er arbeitet für eine europäische Autoren-Lobbyorganisation. Und gerade er als Lobbyist wirft dem UN-Experten vor, dass der sich mit Infos von Lobbyisten der Gegenseite versorge.
Der Rechteinhaber-Lobby ist nichts zu blöd. Sie wirft dem UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit (!) fehlende Neutralität vor, weil sein Statement einen Link zum Text von #Artikel13 auf der Webseite einer Grundrechtsorganisation enthält. https://t.co/1Iuo658ABT
— Felix Reda (@Senficon) March 12, 2019
Ein Screenshot der Q&A-Seite der EU-Kommission.
Der Hauptinitiator von Artikel 13, der CDU-Mann und EU-Parlamentarier Axel Voss. Hat er diesen sensationellen Infotext selbst verfasst und zum Pressebüro der EU-Kommission gemailt? Foto: Martin Kraft CC BY-SA 3.0 – Ausschnitt aus Originalfoto
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Ist doch cool, warum die Panik? Europa hats doch eh nicht so mit Internet und neuen Technologien.
Überlassen wir das einfach den Amis und Chinesen und konzentrieren wir uns mehr auf unsere Kernkompetenzen wie Sozialstaat, Besteuerung und Umverteilung.