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Audi-Produktionsstopp: Fluch und Segen globaler Produktionsketten

Auch in Japan kennt man das Phänomen. Nur weil ein kleiner Zulieferer in einem anderen asiatischen Land Lieferprobleme hatte, musste ein großer japanischer Autohersteller vor geraumer Zeit seine Produktion stilllegen. Nun ist Audi an der Reihe. In Ungarn lässt die VW-Tochter Motoren für diverse Modelle produzieren. Osteuropäische Länder wie zum Beispiel Ungarn und die Slowakei sind bei deutschen Herstellern gern gesehene Standorte, damit man Autoteile zu weit aus niedrigeren Lohnkosten produzieren kann.

Nur muss man sich halt darauf verlassen können, dass von dortaus auch konstant in die Stammwerke in Deutschland geliefert wird. Je mehr Produktion man ins Ausland verlagert, desto komplexer werden die Lieferketten, und desto anfälliger wird man für Naturkatastrophen, Streiks, und und und. In Ungarn haben die Audi-Arbeiter ihre Arbeit nun für eine Woche niedergelegt. Sie wollen mehr Geld. Gleich 18% mehr sollen es sein. Laut Angaben der IG Metall in Deutschland verdienen die Arbeiter dort nur durchschnittlich 1.100 Euro brutto im Monat, bei ähnlich hohen Lebenshaltungskosten wie in Deutschland. Da wirkt es mehr als verständlich, dass die Arbeiter mehr Geld haben wollen.

Im ungarischen Györ werden Benzin-, Diesel- und Elektromotoren gebaut, auch für andere Marken der VW-Gruppe. Offenbar ist die Abhängigkeit von diesem Werk extrem groß. So hat Audi nun beschlossen die Produktion im Stammwerk in Ingolstadt für zwei Tage ganz stillzulegen. Es ist ein zwangsläufiges Problem. Der Hersteller hat Produktion in Billiglohnländer (in Relation zu Deutschland) verlegt. Man wollte Geld sparen durch niedrigere Gehälter – dieses Ziel hat man erreicht.

Aber die Arbeiter in diesen Ländern müssen mit ähnlich hohen Lebenshaltungskosten zurecht kommen wie in Deutschland. Und außerdem sehen sie natürlich, was ihre Kollegen in den Stammwerken in Deutschland verdienen, die oft die selben Tätigkeiten ausführen. Die Löhne sind um ein Vielfaches höher. Plus 18% Gehaltserhöhung hört sich unverschämt an – aber eben nur auf den ersten Blick. Nochmal: Die Entwicklung ist zwangsläufig. Die Gehälter in Osteuropa werden immer weiter steigen, denn die dortigen Arbeiter wollen und müssen auch mehr verdienen.

Denn in der Tat, das Leben in Ungarn oder der Slowakei ist nicht 80% billiger als in Deutschland. Diese Zeiten sind längst vorbei. Und so muss sich die deutsche Industrie entscheiden. Geht man den selben Weg wie die Chinesen? Als in den letzten Jahren chinesische Fabrikarbeiter immer öfter immer höhere Löhne forderten, wurden ganze Städte relativ zügig de-industrialisiert. Die Fertigung wurde in extrem arme Länder in Asien oder sogar Afrika verlagert. Die Karavane zog also weiter, dorthin wo es noch billig genug ist zu produzieren.

Auch Hersteller wie Nike und Adidas ließen einst in China fertigen, und sind in weitaus günstigere Länder in Asien ausgewichen. Vor allem die zügige und umfangreiche Produktionsverlagerung (offenes Geheimnis) war mit der Grund dafür, dass der Markt mit chinesischen Plagiaten überschwemmt wird. Die Arbeiter mit dem Know How sowie die Maschinen waren vorhanden, nur die Produktion wurde auf einmal verlagert. So machten die Menschen einfach weiter. Nur jetzt nicht mehr für die Markenhersteller, sondern auf eigene Rechnung. Das nur am Rande (das soll natürlich keine Rechtfertigung für Plagiate sein).

Also, machen es die deutschen Autobauer in ein paar Jahren wie die Chinesen, wenn die Osteuropäer immer mehr Geld haben wollen? Geht man von Slowakei, Tschechien und Ungarn weiter nach Osten, zum Beispiel in die Ukraine? Und wie lange bleiben dort die Löhne niedrig genug? Will man dann die Lieferketten so ausweiten, dass Automotoren aus Kambodscha oder Vietnam angeliefert werden? Machbar ist alles, aber damit steigen die Risiken für Probleme in der Lieferkette immer weiter an.

Audi
Audi R8. Foto: Ghoster CC BY-SA 4.0



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