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Aus dem Tagebuch eines einfachen Traders: Achtung! Trading-Verluste erzeugen Albträume! (Satire)

Von Jürgen Sprenzinger

Es ist schon komisch: Immer dann, wenn ein Trading-Tag anstrengend und nervig war, träume ich in der anschließenden Nacht einen unglaublichen Bockmist. Wenn der Tag dann auch noch mit Verlusten verbunden war, dann werden es manchmal sogar Albträume. Vielleicht entspringt das einer gewissen nervlichen Überbelastung – ich weiß es nicht. Eigentlich sollte man sich in Erinnerung rufen, dass man mit dem Trading grundsätzlich keine Emotionen verbinden sollte – doch leider weichen Theorie und Praxis manchmal stark von einander ab …

Vor ein paar Tagen hatte ich diesen Traum:

Der Zug hatte Verspätung. Bereits seit 30 Minuten stand ich mir an diesem kalten Bahnsteig die Füße in den Bauch. Ich wusste: Ich komme zu spät – und das ausgerechnet zu dieser wichtigen Besprechung – peinlich …

Endlich kam er. Ich stieg ein. Der Wagen war vollgestopft mit Menschen, dennoch konnte ich einen Sitzplatz ergattern. Der Zug fuhr an und eben wollte ich mein Handy aus der Tasche ziehen, als ich ein paar Meter weiter vorne vier Herren stehen sah. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen: grauer Trenchcoat, grauer Hut, schwarze Schuhe. Jeder von ihnen hatte eine Sonnenbrille auf der Nase.

Die sind wohl geklont und sehen aus, als wären sie einem Agentenfilm entsprungen, dachte ich halbwegs belustigt – dennoch war mir bei ihrem Anblick nicht sonderlich wohl …

Einer der Männer blickte sich nach mir um, musterte mich auffällig und gab den anderen durch eine leiche Kopfbewegung ein Zeichen. Sofort wandte ich den Blick von den Männern ab und sah aus dem Fenster. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass einer der Typen auf mich zukam und sich neben mir aufbaute. Stumm und mit unbewegtem Gesicht starrte er mich von oben an.

Ich war innerlich nervös, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen und einen möglichst ruhigen Eindruck zu machen. Plötzlich beugte sich der Mann zu mir herab und raunzte mir mit einem eisig klirrendem Unterton in der Stimme ins Ohr: „An der nächsten Station steigen wir aus!“

„Es wäre aber die falsche Station“, antwortete ich.

„Das ist völlig egal. An der nächsten Station steigen wir aus!“, entgegnete der Mann energisch.

„Und weshalb?“

„Sie stehen unter dringendem Verdacht, dass …“, knurrte der Typ.

„Ich? Na, jetzt hören Sie mal! Weshalb? Ich habe noch nie etwas verbrochen!“, unterbrach ich den Mann und versuchte, möglichst überzeugend zu wirken.

„Das werden Sie dann schon sehen!“, erwiderte der Mann mit eiskalter Stimme.

„Ich stehe jetzt auf und hole den Zugbegleiter“, versuchte ich mir Respekt zu verschaffen.

Nun standen auch die anderen drei um mich herum.

„Das wird Ihnen nichts nutzen!“, sagte einer der Männer und ich wunderte mich. Er besaß die gleiche Stimme wie der, der zuerst mit mir gesprochen hatte. Automatisch stellte ich mir die Frage, wie diese absonderliche Tatsache wohl möglich sei, kam aber zu keinem Ergebnis.

„Dann sagen Sie mir bitte zuerst einmal, wer Sie sind und was Sie von mir wollen! Das ist mein gutes Recht!!“, schrie ich nun laut und mit sich überschlagender Stimme. Die anderen Fahrgäste sahen erschrocken auf, einige schüttelten den Kopf.

„Wir sind Agenten – besser gesagt, Geheimagenten.“

„Ach nein, wirklich?“, erwiderte ich und fuhr fort: „Na gut. Dann bin ich Papst Franziskus!“

„Maul halten!“, herrschte mich einer der Männer an. „Wenn Sie Schwierigkeiten machen, dann …“ Dabei öffnete er seinen Mantel einen Spalt und ich konnte eine Pistole in seinem Gürtel stecken sehen.

Jetzt lief mir der kalte Schweiß über den Rücken. Hilfesuchend sah ich nach den anderen Fahrgästen um – doch die schüttelten nur verständnislos den Kopf und schauten dann furchtsam in eine andere Richtung.

„Sie sagten, Sie seien Geheimagenten. Na gut. Und für wen arbeiten Sie?“, versuchte ich, das Gespräch wieder in Gang zu bringen.

„Wir sind Geheimagenten der Firma Reckitt Benckiser – Sie wissen schon: Die, die das Sakrotan herstellen.“

„So, so“, erwiderte ich. „Und seit wann braucht die Firma Reckit Benckiser Geheimagenten?? Und das in einem Zug der Deutschen Bahn?“ Ich war nun wahrhaft erstaunt.

„Seit dem letzten Lokführer-Streik haben wir einen Vertrag mit der Deutschen Bahn AG“. Die Antwort kam unisono von allen vier Männern.

„Ist ja nicht zu fassen“, meinte ich und fragte: „Und was wollen Sie nun ausgerechnet von mir??“

„Wir haben eben festgestellt, dass Sie heute noch nicht geduscht haben – und Sie haben Fußpilz!“

„Stimmt, ich hatte heute keine Zeit dazu, weil ich etwas in Eile war. Aber das ist doch keine Straftat“, meinte ich und versuchte ein Grinsen. „Doch – wie haben Sie das festgestellt?

„Unsere Sonnenbrillen – “, flüsterte einer der Männer, „unsere Sonnenbrillen haben eingebaute Sensoren, die uns bei Nichtduschern und Fußpilzträgern sofort in Alarmzustand versetzen.“

„Nicht zu fassen, was es heutzutage alles gibt“, meinte ich.

Einer der vier Männer fuhr fort: „Wir setzen Sie davon in Kenntnis, dass es seit Neuestem unzulässig ist, einen Zug der Deutschen Bahn AG zu benutzen, wenn man nicht geduscht hat. Zumindest hätten Sie sich aber vorher mit Sakrotan desinfizieren müssen, denn Sakrotan beseitigt nämlich 99 Prozent aller Bakterien. So aber müssen wir Sie verhaften, denn Sie sind nicht steril! Außerdem, guter Mann: Fußpilz in einem Zug der Deutschen Bahn AG ist ein No Go, merken Sie sich das!“

Zwischenzeitlich hatte der Zug gestoppt, die vier Männer zerrten mich nach draußen. Schweigend standen sie um mich herum, bis der Zug abgefahren war.

„Und was jetzt?“, fragte ich etwas ängstlich.

„Sind Sie mit einer Verwarnung von 30 Euro und einer sofortigen Fußwaschung mit anschließender Desinfizierung einverstanden?“, fragte mich einer der Männer und fügte hinzu: „Wir buchen den Betrag auch gerne von Ihrem Brokerkonto ab.“

„Was passiert, wenn ich nicht damit einverstanden bin?“, wollte ich wissen.

„Dann bringen wir Sie umgehend in die chemische Vollreinigungsanlage der Firma Reckitt Benckiser. Aber wir warnen Sie: Die hat noch kaum ein Mensch überstanden! Und anschließend kommen Sie in die Sakrotan-REHA. Die beseitigt dann das restliche eine Prozent der Bakterien, die Sie noch auf der Haut haben. Greift Ihr Gewebe vermutlich ziemlich stark an. Sie sollten es sich also gründlich überlegen!“

Ich hörte ein lautes Klingeln. Die Männer sahen sich erstaunt an und waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Völlig allein stand ich an den Gleisen der Station, schüttelte den Kopf und wunderte mich.

Es klingelte erneut. Ich öffnete die Augen und schaltete meinen Wecker ab. Heute war ich ihm fast dankbar, dass er mich aus diesem eigenartigen Traum gerissen hatte …

Eines ist sicher: Ich lege beim Traden zukünftig längere Pausen ein!



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