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Bargeldabschaffung: Italien schafft 1 und 2 Cent-Münzen ab – angeblich Fortschritt zum Wohle aller

Die Abgeordnetenkammer in Rom (Camera dei deputati) hat beschlossen 1 und 2 Cent-Münzen in Italien abzuschaffen. Dies soll per 1. Januar 2018 gelten. Wie soll das aber umgesetzt werden, wenn doch in allen anderen...

FMW-Redaktion

Die Abgeordnetenkammer in Rom (Camera dei deputati) hat beschlossen 1 und 2 Cent-Münzen in Italien abzuschaffen. Dies soll per 1. Januar 2018 gelten. Wie soll das aber umgesetzt werden, wenn doch in allen anderen Ländern der Eurozone weiterhin diese Münzen geprägt werden? Nun, in Italien sollen sie nicht mehr gedruckt werden. Außerdem sollen die Einzelhandelspreise in Italien zukünftig auf 5 Cent-Schritte gerundet werden.

Nun muss Italien binnen eines Monats die EZB über diesen Schritt informieren, was nur noch eine Formalie darstellt. Handelt es sich um den nächsten Schritt hin zur Abschaffung von Bargeld? Denn in Schweden zum Beispiel gibt es eine Art kalte Abschaffung von Bargeld, weil zum Beispiel viele Einzelhändler gar kein Bargeld mehr annehmen. In vielen EU-Ländern gibt es für Barzahlungen bereits Obergrenzen, und man erwägt EU-weit eine einheitliche Grenze einzuführen.

Und jetzt der nächste Ansatz am unteren Ende bei den kleinen Münzen. Wie auch bei anderen Themen glaubt man „zum Wohle aller“ zu handeln, denn alle profitieren ja angeblich davon. Richtig? Denn in Deutschland gab es immerhin schon mal Umfragen, wo angeblich die Mehrheit der Befragten ebenfalls für die Abschaffung der kleinen Münzen war. Aber wohl nur, weil sie die Geldbörse ausbeulen und nerven. Aber auf den zweiten Blick?

Die Italiener jedenfalls sind der Meinung in der Tat zum Wohle aller Gruppen in Italien zu handeln. Da wäre zum Beispiel die Notenbank selbst, die in Relation zum Wert der Münzen die hohen Herstellungskosten spart. Da wäre der Einzelhandel in Italien, für den die kleinen Münzen kostspielig seien (Transport, Aufbewahrung etc). Und da wäre für die Verbraucher das Standardargument der Unhandlichkeit. Viele kleine Münzen beulen die Geldbörse aus – ja, das ist in der Tat nervig!

Aber ist es wirklich zum Wohle aller? Geht es doch nicht um einen nächsten Schritt zur Bargeldabschaffung, sondern will man nur eine angenehmere Welt beim täglichen Bezahlen schaffen? Bei dieser Entscheidung würden gerade diejenigen verlieren, die wortwortlich auf jeden Cent achten müssen, also die Verbraucher, die am wenigsten Geld haben. Gewinnen tut vor allem der Einzelhandel, der viele Kleinstwaren absetzt.

Wir rollen das Feld mal andersrum auf. Bis zur Jahrtausendwende gab es an den US-Aktienbörsen Kursnotierungen nicht in Dezimalstellen, sondern in Brüchen. Können Sie sich daran noch erinnern? Aktienkurse notierten nicht bei 16,25 Dollar, sondern bei 16 1/4 Dollar. Oder sie notierten bei 16 1/16, und eben nicht bei 16,0625. Das interessante hiebei: Es gibt immer Nachfrage- und Angebotskurse. Das heißt: Die Kursstellung lag beispielsweise bei 16,00 – 16 1/16. Somit hatten die Kursmaler bei so einer Kursstellung eine garantierte mögliche Gewinnspanne von 0,0625 Dollar, und Investoren konnten nichts dagegen machen.

Mit der Umstellung auf Dezimalstellen hinter dem Komma brach für viele Kursmakler an der Wall Street eine Traumwelt aus schönen breiten Spreads zusammen, eine große Verdienstmöglichkeit war auf einen Schlag weg. Die Kursspannen schrumpften stark zusammen, da sie ja nicht mehr beispielsweise bei 1/16 liegen mussten, sondern dank Dezimalstellen seitdem viel kleiner ausfallen. Davon profitieren die Anleger, weil sie günstiger kaufen und höher verkaufen können.

In Italien läuft es mit der Abschaffung von 1 und 2 Cent-Münzen genau umgekehrt. Der Einzelhandel soll ja auf den nächsten 5 Cent-Schritt runden. Drei Mal dürfen wir alle raten. Wird tendenziell eher abgerundet oder aufgerundet? Der „Spread“, als die Spanne steigt somit von mindestens 1 Cent (kleiner geht es ja nicht mehr) auf mindestens 5 Cent an, auch wenn der Vergleich zur Börse natürlich nicht exakt einzuhalten ist.

Aber grundsätzlich gesehen geht man hier den entgegengesetzten Weg wie an der US-Börse vor 16 Jahren. Der Einzelhandel kann gar nicht mehr auf 1 Cent genau günstig anbieten für seine Kunden, sondern kann nur noch in 5 Cent-Schritten denken. Daher werden kleine Preise wohl aller Wahrscheinlichkeit nach stets auf die nächsten 5 Cent aufgerundet, womit der Verbraucher wohl kräftig draufzahlen dürfte. Das ist natürlich nur eine böswillige Vermutung unsererseits. Denn offiziell ist das ja ein Fortschritt zum Wohle aller – und ein weiterer Schritt hin zur Bargeldabschaffung ist dies ganz sicher auch nicht. Auf sicher…


Die 1 Cent-Münze. Foto: EZB / Gemeinfrei



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4 Kommentare

  1. Naja, das finde ich nicht weiter schlimm. Damit kann man leben. Übrigens ist in Irland die 1 und 2 Cent Euro Münze auch schon abgeschafft. Man kann in Geschäften damit nicht mehr bezahlen bzw. wird jeder Betrag aufgerundet…

  2. Das ist die Lirarisierung des Euro.
    Besser wäre, gleich die Lira einzuführen und ein paar Nullen zu streichen. Aber bitte vorher den TargetII Saldo ausgleichen! (Man kann ja mal träumen).

  3. Positiv für den Einzelhandel? Zumindest eine Begründung um aufzurunden. Aber psychologisch? Ein richtig gemeiner Kniff wäre, wenn man per Barzahlung den aufgerundeten Preis und per Karte den richtigen Preis zahlen könnte. Bloß gut, dass ich nicht deren Berater bin.

  4. Hier wird eine uralte Militärweisheit(bedenklicher Begriff) angewandt:der 2-Frontenkrieg!Oben der Angriff auf die, nur von Kriminellen genutzten,grossen Scheine und unten auf die lästigen Kleinmünzen!Erklärungsbedarf besteht m.M.nach bei der Spezies Kriminelle(ich habe da einen eher grösseren Personen &Institutionenbereich im Blick!)sowie der lächerlichen und verachtenden Äusserung:die Notenbank spart im Verhältnis zum Wert die hohen Herstellungskosten!Mir kommen die Tränen!Soll sie doch Leiharbeiter mit Werkverträgen mit der Prägung beauftragen.P.s.Eine Notenbank die sparen muss oder will?Die spinnen,die Römer oder fällt ihnen der Himmel auf den Kopf?Make Europe great again.So geht’s eher nicht.da bleibt mir beinahe der Pulse stehen!

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