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Bedingungsloses Grundeinkommen in Namibia funktioniert angeblich… das Grundproblem bleibt!

Von Claudio Kummerfeld

Anfang der Woche stolperte ich über einen Artikel im „Westfalen-Blatt„. Darin ging es um ein 3.000 Einwohner-Dorf in Namibia, der ehemaligen deutschen Kolonie nördlich von Südafrika. Dort werde, so der Artikel, an jeden Einwohner ein Bedingungsloses Grundeinkommen gezahlt.

Das weckte umgehend mein Interesse und ich las mir den Artikel mehrmals aufmerksam durch. Ich habe eine eindeutige Meinung, dass das Konzept „Bedingungsloses Grundeinkommen“ an sich eine tolle Idee ist, die aber in der Praxis einfach nicht funktionieren kann. Aber ich bin immer für neue Ideen offen und ändere auch gerne meine Meinung, wenn mir in der Realität das Funktionieren dieser Idee bewiesen wird.

Im Artikel wird berichtet, dass in diesem Dorf in Namibia jeder Einwohner 8 Euro pro Monat erhält (in Relation zu den Gehältern wohl deutlich mehr wert als 8 Euro in Deutschland). Dieses Geld zahlt aber nicht der Staat Namibia, sondern wird als Pilotprojekt der lutherischen Kirche vor Ort aus Spenden gezahlt. Dazu meine Anmerkung: Wenn es wirklich ein ernst gemeinter dauerhafter Versuch sein soll, muss er erstens landesweit stattfinden, und zweitens dauerhaft aus der Staatskasse bezahlt werden. Zwischenzeitlich sei das Projekt bereits mangels Spendenaufkommen der Kirche eingestellt worden, und laufe jetzt mit reduziertem Volumen weiter, so der Artikel.

Der Betreiber eines kleinen Ladens berichte er mache jetzt mehr Umsatz als früher, und könne mit einem täglichen Umsatz von 40-50 Euro seine Familie ernähren, Schulgeld für seine Kinder bezahlen etc. Das BGE habe ihm seine Würde zurückgegeben. Das glaube ich ihm, ehrlich, wirklich! Alles gut auf den ersten Blick, aber: Bei 40-50 Euro Umsatz, wäre er in der Lage davon mind. 8 Euro Steuern an den Staat abzuführen, damit das BGE in Namibia über Steuereinnahmen refinanziert werden könnte? Wahrscheinlich nicht, denn dort ist ja von 40-50 Euro Umsatz die Rede, nicht von Gewinn.

Im Artikel heißt es Zitat:

„Die Bewohner von Otjivero sehen das anders. Lehrer Eigowab: »Vorher herrschte eine depressive Grundstimmung.« Das sei heute vorbei. Mehr Geld sei im Umlauf, die Leute könnten kaufen und verkaufen. Die Kriminalität sei zurückgegangen, der Anteil der unterernährten Kind stark gesunken, die Beschäftigungsquote gestiegen…“

Dazu meine ich: das ist positiv und gut, aber dieser Effekt wird ja bisher nur durch Spenden der Kirche hervorgerufen. Wie lange und wie konstant fließen denn die Spenden der Kirche? Was ist, wenn sich dieses Spendengeld im Land herumspricht und immer mehr Menschen in dieses Dorf ziehen, um auch dieses BGE zu erhalten? Wie lange reicht das Spendengeld der Kirche dann aus? Ein richtiges BGE ist das nicht!

Das im Westfalenblatt-Artikel besprochene Gegenargument zum BGE, die Leute würden dadurch faul werden, interessiert mich persönlich gar nicht, und ich unterstelle das auch niemandem. Mir geht es nur darum, ob ein Staat bzw. eine Volkswirtschat das Geldaufkommen, das für ein Bedingungsloses Grundeinkommen nötig wäre, überhaupt erwirtschaften kann, und zwar dauerhaft!

Letztlich, so meine Meinung, handelt es sich bei diesem Pilotprojekt für ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht um eben Solches, sondern um eine Umverteilung von freiwilligen Spenden an die Dorfbevölkerung. Ein strukturiertes Bedingungsloses Grundeinkommen sieht anders aus, denn wie im Artikel auch beschrieben: als die Spenden ausblieben, gab es auch das BGE nicht mehr. Und ist der Staat Namibia finanziell in der Lage, jedem Bürger jeden Monat ein BGE zu zahlen? Wovon? Ich kenne inzwischen viele Argumente der Befürworter (darunter auch viele sinnvolle und gute Argumente). Eines davon ist, dass durch das BGE die Wirtschaft wächst, weil viel mehr Geld im Umlauf zwischen den Bürgern und der Wirtschaft ist. Durch das viel größere Wirtschaftsaufkommen explodieren die Steuereinnahmen, und dadurch kann es sich der Staat auch leisten, das BGE an die Bürger auszuschütten. Nur meine Grundüberzeugung, die dagegen spricht, ist folgende: Zahlt der Staat z.B. jedem Bürger pauschal pro Monat 1.500 Euro, muss er ja im Schnitt (!) vorher von jedem Bürger erst mal mind. 1.500 Euro Steuern eingenommen haben, um ihm diese Summe als BGE auszahlen zu können. Wie soll das gehen? Ich bin für Kommentare, Vorschläge, Ideen und Kritik offen!



Lesen Sie hier einen Artikel über ein Bedingungsloses Grundeinkommen, wie es in Finnland angedacht ist.



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13 Kommentare

  1. Die alte Wertschöpfungskette ist längst zerissen. Die Gewinne der Unternehmen sind exorbitant. Analysen sprechen von einer halbierung der Arbeitsplätze durch Automatisierung. Immer weniger haben immer mehr Vermögen.
    Einige nennen das BGE verschenktes Geld. Ich nenne es extrem notwendige Umverteilung. Für jeden Dollar/Euro Aktienrückkauf… 2Dollar/Euro an die sozial schwachen. Das wäre mal ein Konjunkturprogramm!

    1. Richtig. Aber nicht ohne Leistung.
      Wer nicht arbeitet, soll auch keinen BGL Sockel kriegen.

      Wo wie ich es beschämend finde, dass eine fleißige Ausbildungsgehilfin, welche in einer Alterseinrichtung schwerste Arbeit als Vollkraft erbringen muss, mit Hartz4 aufs Minimum aufgestockt werden muss.
      Hartz4 für notorische Arbeitsverweigerer ist allerdings absolut zu begrüßen.

      1. Warum soll man für das BGE eine konkrete Leistung erbringen? In dem Fall ist es ja kein BGE mehr, da an eine Bedingung gebunden! Das Beispiel in dem Artikel mit 1500 € mtl für jeden, finde ich etwas ambitioniert. Ich habe mir selbst darüber auch schon so meine Gedanken gemacht und ein System dazu erdacht, wie man ein BGE umsetzen könnte.

        Das Problem am BGE generell ist, dass es auf den ersten Blick so schön einfach aussieht, aber hinten rum doch einiges an Regulierung bedarf. Grundsätzlich ist ein BGE aber auf Dauer sinnvoll, auch für die Wirtschaft. Es werden auf Dauer immer mehr Stellen wegfallen, wo sollen die ganzen Menschen arbeiten? Das kann hinten und vorne nicht funktionieren.

        Und die Behauptung, dass sich Arbeitsplätze Branchenspezifisch einfach verlagern und neu geschaffen werden, ist Blödsinn. Mit jeder neuen technologischen Entwicklungsstufe werden zwar auch neue Stellen geschaffen, aber mit jeder Stufe werden es im jeweiligen Segment auch immer weniger!

        Ein weiterer positiver Aspekt des BGE ist der, dass Banken mehr macht abgeben würden. Die Geldströme für Unternehmen verlagern sich von den Kreditinstituten hin zum Konsumenten. Wenn Unternehmen Produkte verkaufen müssten sie diese zu einen kleineren Teil Kredit-Finanzieren und zum anderen Teil durch konstante Umsätze durch den Kunden, mit immer konstanter Grundkaufkraft decken. Die Geldströme würde quasi von „unten“ langsam nach „oben“ strömen und nicht indirekt durch Kreditvergabe versickern.

      2. Die meisten Arbeitgeber dürften arg froh sein, wenn Sie sich mit den Unwilligen nicht mehr rumplagen müssen. In Bewerbungsgesprächen oder im Alltag. An vielen Stellen wäre es arg produktivitätsfördernd, wenn diejenigen einfach kündigen, die doch eh keinen Bock haben. Das ist kein Vorwurf. Die meisten werden eine Aufgabe finden können, zu der sie besser passen. Aber vor Allem der Nutzen für die Arbeitgeber bleibt. Nach einem vorübergehend regen Arbeitsplatztausch dürfte sich die Freude am Job vielerorts steigern.

  2. Früher mal hieß es: Ohne Arbeit kein Lohn.
    Dann hieß es: Wir müssen die Schwächeren fördern.
    Jetzt fordert man: Bedingungslosen Grundlohn.

    Wer irgendwie lesen kann und das Geschriebene auch begreift, könnte auf die Idee kommen, dass im System irgendwas nicht stimmt.

    1. Irgendwann arbeitet keiner mehr: alle beziehen nur noch BGE und legen sich auf die faule Haut – watt’n dann? ;-)

      1. Sie wollen sich dann also auf die faule Haut legen. Ok. Aber was sagt das über ihr jetziges Leben aus?

    2. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen?

      Eine Interpretationsfrage

      https://gottundco.wordpress.com/2015/08/16/wer-nicht-arbeitet-soll-auch-nicht-essen/

  3. Bei 45 Euro Tagesumsatz sind das im Monat ca. 990 Euro, da müssten doch leicht 8 Euro Steuern zu bezahlen sein.

  4. Gibt ja auch Argumente FÜR ein BGE, wenn man das Geldsystem, das nichts anderes als ein verbecherisches Regelwerk gegen alle Fleißigen und Ehrlichen und für die „corrupt criminal class“ ist.

    Ihr da oben saugt das Geld ab?
    Dann wollen wir auch absaugen.

    Von der fairen Honorierung ehrlicher Arbeitsleistung spricht natürlich dann keiner mehr.
    Warum?

    Weil im Grunde jeder nehmen will und nichts mehr geben.

    Ich bin gegen ein BGE, weil ich weiß, was am Ende vom Lied steht:
    Nämlich dass 1500 Euro BGE zum Leben auch nicht mehr reichen.

    Es wird nur mehr konsumiert und Schulden gemacht – um letztlich knapp 100.000 Menschen auf der Welt den Sonderstatus zu verschaffen, die sich dann alles und jeden kaufen können.

    Das ist der feuchte Traum dieser hyperintelligenten Geisteskranken.
    Und ihre Lakaien, die Gutmenschen fördern das mit Fordern.

    Die dummen Kälber wählen ihre Schlächter selber.

  5. Wieso eigentlich 1.500 Euro BGE (http://goo.gl/Cc5RNU)??

    Es sollte klar sein, dass man klein anfangen muss. So wie es einem natürlichen Wachstumsprinzip entspricht. Das heisst also, erst einmal das ALG2 bedingungslos auszahlen, was im Volk viel Luft zum atmen schafft – der Kopf wird frei für echte Interessen. Mit diesen unter 10 Millionen Menschen (vermeintliche Schwerpunktkandidaten was Faulheit angeht) liesse sich ein wissenschaftlich kontrolliertes Pilotprojekt starten. Darauf lässt sich dann aufbauen. Insbesondere, wenn man sich die interessanten Eigendynamiken zwischenmenschlicher Natur ansieht. Es wird mit Sicherheit langfristig keine massenhafte Arbeitsverweigerung geben. Da keiner das Stigma des Verlieres weiter ertragen muss/will/kann, wie es noch aktuell in dem konservativen Arbeitsrechtssystem gepflegt wird. Ein paar Prozent davon werden es dennoch nicht schaffen, diesen wird dann aber problemlos von ihren Nachbarn und vielleicht sogar neu gewonnen Freunden auch geholfen, da es genügend Menschen mit sozialer Ader gibt, die sich dann viel umfassender auch in ihrer Umgebung („vor der eigen Tür kehren“) motivierter kümmern könnten. Die Höhe des BGE sollte also langsam wachsen können und damit die Hilfe zur Selbsthilfe im Volk wieder langsam aber sicher zu etablieren. Damit schafft man greifbare Vorbilder auch für den Nachwuchs, der sich dann nicht mehr an falsche Vorbilder aus der Welt der Show-Illusionen klammern und davon krank werden muss.

    Es gibt schon ein sympthisches Pilotprojekt für einen kleinen aber respektablen Anfang. Was von anerkennenswerter Pionierarbeit zeugt, an der jeder Bürger relativ stressfrei kostenlos teilnehmen kann: https://goo.gl/hs2IEB.

  6. Ein paar kritische Anmerkungen:

    Der Autor äußert eine klare Meinung zum BGE, Zitat: „Ich habe eine eindeutige Meinung, dass das Konzept „Bedingungsloses Grundeinkommen“ an sich eine tolle Idee ist, die aber in der Praxis einfach nicht funktionieren kann.“ Und ferner: „Wenn es wirklich ein ernst gemeinter dauerhafter Versuch sein soll, muss er erstens landesweit stattfinden, und zweitens dauerhaft aus der Staatskasse bezahlt werden.“

    Da gebe ich ihm ja recht! Nur, die Idee eines landesweiten Grundeinkommens in Namibia kam doch ursprünglich von der Regierung selbst. Und wurde dann aus unergründlichen Gründen verworfen. Warum???

    Und dann weiter im Artikel, Zitat: „Alles gut auf den ersten Blick, aber: Bei 40-50 Euro Umsatz, wäre er in der Lage davon mind. 8 Euro Steuern an den Staat abzuführen, damit das BGE in Namibia über Steuereinnahmen refinanziert werden könnte? Wahrscheinlich nicht, denn dort ist ja von 40-50 Euro Umsatz die Rede, nicht von Gewinn.“

    Der Autor betrachtet also nur, was in diesem Fall ein einzelner zu leisten vermag. 40 bis 50 Euro Umsatz pro Monat. Er vergisst dabei, dass Namibia, durch seine Bodenschätze, eines der reichsten Länder in Afrika ist. In Namibia gibt es demnach einige Winterkörner. Aber nehmen wir doch mal das Beispiel unseres Herrn Winterkorn. Er verdient 1,25 Mio Euro pro Monat. Setzen wir mal ein Grundeinkommen von 1000 Euro pro Monat und einen Einkommenssteuersatz von 50% voraus, so würde Herr Winterkorn 1.251000,00 Euro monatlich verdienen. Davon 50% Einkommensteuer, macht 625500,00 Euro monatlich. Von diesen Einkommensteuer könnten dann 625,5 Personen in Deutschland ein Grundeinkommen von 1000 Euro monatlich ausgezahlt werden.
    Aber wie schon gesagt, gibt es nicht nur in Namibia, sondern auch in Deutschland viele Winterkörner. Doch nehmen wir mal einen Spitzenverdiener mit 120.000 Euro brutto Jahreseinkommen. Mit einem Grundeinkommen würde er ein Gehalt von 132000 im Jahr erhalten. 66000 Euro müsste er dann als Einkommenssteuer abgeben. Davon könnten 5,5 Personen ein Grundeinkommen von 1000 Euro monatlich ausgezahlt werden.
    Die Gewinne aus Unternehmen habe ich bei meiner Kalkulation noch nicht mitgerechnet.

    Und ferner heißt es im Artikel, Zitat: „Das im Westfalenblatt-Artikel besprochene Gegenargument zum BGE, die Leute würden dadurch faul werden, interessiert mich persönlich gar nicht, und ich unterstelle das auch niemandem. Mir geht es nur darum, ob ein Staat bzw. eine Volkswirtschaft das Geldaufkommen, das für ein Bedingungsloses Grundeinkommen nötig wäre, überhaupt erwirtschaften kann, und zwar dauerhaft!“ Und weiter: „Nur meine Grundüberzeugung, die dagegen spricht, ist folgende: Zahlt der Staat z.B. jedem Bürger pauschal pro Monat 1.500 Euro, muss er ja im Schnitt (!) vorher von jedem Bürger erst mal mind. 1.500 Euro Steuern eingenommen haben, um ihm diese Summe als BGE auszahlen zu können.“

    Das ist natürlich Blödsinn! In der Tat zahlt der Staat zunächst jedem Bürger z.B. 1500 Euro monatlich. Es heißt aber nicht, dass jeder Bürger dieses Geld auch als Einkommen tatsächlich behält. Denn jedes zusätzliches Einkommen, wird ja, in unserem Beispiel, mit 50% Einkommensteuer belegt. Menschen ohne oder mit niedrigem Einkommen würden tatsächlich profitieren. Menschen mit hohem Einkommen dagegen nicht. Sie müssten tatsächlich drauf zahlen. Aber, es wäre gerecht. Denn es würde dem Leitspruch folgen „Starke Schulter sollen mehr tragen als schwache!“ Und es würde niemanden in die Armut treiben.

    Gernot Reipen
    Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Bedingungsloses Grundeinkommen
    Piratenpartei Deutschland

  7. Das Grundeinkommen kann – schon auf bescheidener Basis – dem Hunger in der Welt wirksam begegnen. Denn die Menschen brauchen nicht als erstes ein politisches System, freie Wahlen oder soziale Marktwirtschaft, sondern das Nötigste zum Überleben. Ob durch Gebühren auf Finanztransaktionen oder andere Abgaben – es ließe sich problemlos weltweit finanzieren.

    http://bgekoeln.de/projekte/index.html

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