FMW

Beginnt das große Fintech-Sterben? Cashboard insolvent

Ein führender Fintech-Anbieter in Deutschland hat völlig überraschend Insolvenz angemeldet. Was ist da los? Folgt bald eine Pleitewelle in der Hoffnungs-Branche?

FMW-Redaktion

Kaum ein Bereich verändert sich durch die Internet-Revolution so rasend schnell wie Finanzbranche. Tausende Jobs fallen Monat für Monat weg, die Branche schrumpft, Bank-Filialen schliessen auf breiter Front. Doch da gab es einen Hoffnungsträger, ein Begriff, durch den alles wieder gut werden soll: Fintech! Gemeint sind damit junge Finanzfirmen, die neue technologische Dienstleistungen anbieten und damit vor allem für das klasssiche Banken-Geschäft zur Konkurrenz werden.

Der Begriff „Fintech“ umfasst viele Bereiche, einer davon ist die automatisierte Vermögensverwaltung durch Algorithmen oder Robo-Advisor. Nicht mehr ein Bankberater, sondern der Algorithmus soll bar menschlicher Emotionen die Anlageentscheidungen treffen, die dann wiederum ganz individuell auf die Bedürfnis-Lage des individuellen Kunden zurecht geschnitten werden kann.

Eines dieser Unternehmen, die automatisierte Vermögensverwaltung durch Algorithmen anbietet, ist die Berliner Fintech-Firma Cashboard, das 2010 aus dem Online-Trading Portal Refinedinvset entstanden war. Seitdem flossen viele Millionen in die von den Brüdern Stephan und Robert Henker gegründete Firma, vor allem von Risiko-Kapitalgebern (Venture Capital) wie Earlybird oder 500 Startups.

Cashboard schien ein Alleinstellungsmerkmal zu haben: man bot auch über eine Tochter der comdirect seinen Kunden Tages- und Festgeld an, dazu auch ETFs und Crowdfunding. Das schien vernünftig, weil es die Firma unabhängiger machte von der reinen Vermögensverwaltung durch Algorithmen.

Nun heute die überraschende Meldung: Cashboard hat Insolvenz beantragt. Dabei hatten die Henker-Brüder noch im Dezember eine neue Finanzierungsrunde von drei Millionen Euro vermelden können, 2014 hatte das Unternehmen ein Preisgeld von vier Millionen Euro erhalten (von der Noah-Conference in London), mehr als fünf Millionen Euro hatten Investoren zur Verfügung gestellt – es schien also reichlich Liquidität vorhanden zu sein. Dazu schienen die Henker-Brüder kurz vor dem Abschluss einer weiteren Finanzierungsrunde zu stehen. Umso überraschender jetzt die Insolvenz, vermutlich weil eben diese Finanzierungsrunde gescheitert ist.

Da stellt sich die Frage: wie kann man in einer so überschaubaren Zeit so viel Geld verbrennen? Cashbaord bezeichnet sich selbst als „Deutschlands führende unabhängige Plattform für klassische und moderne Formen des Sparens“ – auch das eigentlich sehr geschickt, denn die Deutschen wollen doch vor allem eines: Sparen! Dazu bot man angeblich Zinsgarantien, doch fällt das Urteil der Stiftung Warentest über dieses Angebot mehr als nüchtern aus:

„Es gibt keine echte Zins­garantie. Das Angebot von Cashboard ist wegen fehlender gesetzlicher Sicherung kein Ersatz für Fest­geld. Die angebotenen Depotlösungen werden zwar als kostenlos beworben, doch Anleger zahlen Erfolgs­gebühren, wenn sich die Depots positiv ent­wickeln.“

Irgendetwas scheint bei Cashboard, das doch recht üppig mit Kapital ausgestattet war, schief gelaufen zu sein. Ein Hauptproblem solcher Fintech-Unternehmen ist: wie kommt man an Kunden? Viele haben dazu nur wenig oder sogar gar keinen Vertrieb, man verlässt sich darauf, dass über das Internet schon genügend Interessenten gefunden würden. Und das scheint sehr optimistisch zu sein..

Um nachzufragen, was schief gelaufen sein könnte, wollten wir Cashboard kontaktieren und riefen die auf der Homepage dargestellte Telefonnummer an. Es meldet sich eine Dame mit leicht sächsischem Dialekt, die von unserer Aussage, dass Cashboard Insolvenz angemeldet habe, völlig überrrascht ist. Man sei getrennt von der Geschäftsleitung in Berlin, der Kundeservice befinde sich in Meissen. Schon irgendwie erstaunlich, dass die eigenen Mitarbeiter von Cashboard nicht einmal wissen, dass ihr Arbeitgeber insolvent ist, finden Sie nicht?

So oder so: die Insolvenz von Cashboard zeigt vermutlich, dass viele Hoffnungen sich bald zerschlagen könnten, dass also eine Pleitewelle bei Fintech-Unternehmen anstehen könnte. Derzeit läuft doch die Konjunktur gut, das Geld von Investoren sitzt locker – was würde passieren, wenn es zu einem Abschwung der boomenden Konjunktur in Deutschland kommt?


Schwamm lange im Geld: Das Fintech-Unternehmen Cashboard
Foto: Avarice (2012), by Jesus Solana / Wikipedia (CC BY 2.0)



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

4 Kommentare

  1. fin (franz.) = Ende. Passt doch.

  2. Vielleicht haben sie die vielen Millionen ihren eigenen Algorithmen oder Robo-Advisoren anvertraut ;)

  3. Es gab wohl zwei wesentliche Gründe: Inkompetenz und Illiquidität. Ersteres geht aus vielen Erfahrungsberichten von Kunden hervor. Siehe z.B.
    https://www.dealdoktor.de/magazin/cashboard-erfahrungen-kostenloses-konto-kapitalschutz/
    Zweiter Punkt: Die Finanzlage war dünner als es das Unternehmen vorgab. Das im Artikel erwähnte Preisgeld von 4 Mio. war kein Cash, sondern Naturalien in Form eines Werbebudgets. Das angebliche 3 Mio. Funding in Dez. 2017 fand nicht statt. Dieses Geld floss bereits Anfang 2016 durch Begebung einer Wandelanleihe. Ende 2017 erfolgten lediglich Wandlung der Anleihen in Equity und die Bekanntgabe des 2016er Deals.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage