Wie kann Deutschland mit Donald Trump am besten umgehen? Während seiner ersten Präsidentschaft haben viele Staatschefs versucht, sich bei ihm einzuschmeicheln. Was muss man tun, um hohe Importzölle für deutsche Exporteure abzuwenden? Oder ist dies gar nicht möglich? Der Bloomberg-Autor Chris Bryant hat dazu eine Analyse veröffentlicht, die wir hier im Wortlaut zeigen.
Die Wiederwahl von Donald Trump ist zweifellos eine schlechte Nachricht für Deutschland. Dank eines massiven Handelsüberschusses mit den USA war Berlin lange Zeit ein beliebter Prügelknabe für den protektionistischen designierten US-Präsidenten. Doch das jüngste Ende der Ampel-Koalition und der wahrscheinliche Sieg von CDU-Chef Friedrich Merz bei der Bundestagswahl im kommenden Februar bieten die Chance, die Beziehungen neu zu ordnen und eine Wirtschaftspolitik zu betreiben, die letztlich dazu beiträgt, diese Differenzen zu überbrücken. Das Problem sind nicht die deutschen Exporte, sondern die fehlenden Importe und Ausgaben. Die nächste Bundesregierung sollte daher der Ankurbelung der Binnennachfrage und der Erhöhung der öffentlichen und privaten Investitionen Priorität einräumen. Und es Trump dann erlauben, diese Fortschritte als seinen Sieg zu verkaufen.
Als wohlhabender ehemaliger Wirtschaftsanwalt und ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock Deutschland dürfte Merz ein guter Gegenspieler für Trump sein: Beide sprechen die Sprache des Geldes. Die populistische Rhetorik des CDU-Kandidaten kommt zwar daheim nicht immer gut an, aber der künftige Bewohner des Weißen Hauses könnte dem gegenüber positiver gestimmt sein.
Den leidenschaftlichen Atlantiker Merz müsste die Nato-Verachtung seines künftigen US-Amtskollegen entsetzen. Aber er scheint Trumps Forderung, Deutschland solle mehr für sein Militär ausgeben, zu unterstützen. (Deutschland wird zwar in diesem Jahr zum ersten Mal seit Jahrzehnten seine Nato-Verpflichtung erfüllen und 2% des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung ausgeben, aber das ist angesichts der brutalen Invasion Russlands in der Ukraine und der bröckelnden Sicherheitsgarantien der USA das absolute Minimum).
Der Handel scheint ein viel heikleres Thema zu sein: Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise im Jahr 2022 haben die Ungleichgewichte in den deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen nur vorübergehend verringert. Bis 2027 dürfte das Land laut S&P Global Ratings wahrscheinlich einen Leistungsbilanzüberschuss von durchschnittlich mehr als 6% des BIP erwirtschaften (auch wenn das deutlich unter dem Höchststand liegt).
Aufgrund der schwachen chinesischen Nachfrage ist Europas größte Volkswirtschaft zunehmend auf Exporte in die USA angewiesen. So belief sich Deutschlands bilateraler Warenhandelsüberschuss mit den USA im vergangenen Jahr auf eine Rekordsumme von 63,3 Milliarden Euro.
Berlin hat keine Kontrolle über die Außenhandelspolitik, die in der Verantwortung der EU liegt. Sollte Trump jedoch seine Drohung wahr machen und Einfuhrzölle von bis zu 20% erheben, würde dies Deutschland hart treffen. Die Bundesbank hat bereits gewarnt, dass die angedrohten Handelszölle Deutschland 1% der Wirtschaftsleistung kosten könnten. Es ist schwer erkennbar, wie die USA davon profitieren sollten, ihren Verbündeten erneut in die Rezession zu zwingen. Es würde den Euro schwächen und damit den deutschen Handelsüberschuss nur weiter vergrößern.
Dass die deutschen Autohersteller mehr in die USA exportieren als umgekehrt, treibt Trump um. Stattdessen will er, dass sie ihre Produkte in den USA herstellen. Und tatsächlich tun sie das bereits: Während die von Amerikanern gefahrenen Porsche in Europa gebaut werden, verfügen BMW und Mercedes-Benz über riesige US-Fabriken. Tatsächlich sind die USA mit einem Gesamtbetrag von fast einer halben Billion Euro der mit Abstand größte Empfänger deutscher Direktinvestitionen.
Der Kapitalexport ist die Kehrseite des hohen deutschen Leistungsbilanzüberschusses. Da Deutschland nicht in gleichem Maße Waren aus dem Ausland bezieht, werden die überschüssigen Ersparnisse im Ausland reinvestiert. Die Tatsache, dass Deutschland seit 2010 Nettokapitalabflüsse von mehr als 650 Milliarden Euro zu verzeichnen hat, wird jedoch allmählich zu einem Problem.
Merz sieht in dieser Kapitalflucht einen Beleg für die schwindende Attraktivität des Landes als Wirtschaftsstandort — und ich denke, er hat Recht. Als Deutschland vor zwei Jahrzehnten das letzte Mal eine schwere Wirtschaftskrise erlebte, verabschiedete Gerhard Schröders rot-grüne Bundesregierung die Hartz-Reformen, um die Beschäftigung anzukurbeln und die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu verbessern. Die Senkung der Lohnkosten trug jedoch zu einem Anstieg des Leistungsbilanzüberschusses bei.
Diesmal muss der Schwerpunkt auf der Ankurbelung des Binnenkonsums und der Investitionen liegen. Obwohl die Deutschen zuletzt von Lohnerhöhungen profitiert haben, die über der Inflationsrate lagen, ist ihre Sparneigung mit rund 11% des verfügbaren Einkommens nach wie vor sehr hoch.
Diese Sparsamkeit spiegelt zweifellos einen Mangel an Vertrauen in die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands wider — vor allem auf Seiten der großen Babyboomer-Generation, die kurz vor dem Ruhestand steht. Doch auch die enorme Vermögensungleichheit trägt dazu bei: Während die Reichen Unmengen an Geld horten, kommen diejenigen am unteren Ende der Einkommensskala trotz der Mindestlohnerhöhung kaum über die Runden.
Aber hier liegt das Problem: Wenn Unternehmen und Privathaushalte nur ungern Geld ausgeben und die Regierung unbedingt einen ausgeglichenen Haushalt erreichen will, ist es kein Wunder, dass die Wirtschaft seit 2019 real stagniert. In einer meiner letzten Kolumnen habe ich gefordert, Deutschland solle seine fiskalische Schlagkraft durch eine Reform der Schuldenbremse erhöhen, um dringend benötigte öffentliche Investitionen zu finanzieren. Jetzt, da Merz gute Chancen hat, zu regieren, scheint er der Idee gegenüber offener zu sein.
Doch Deutschland muss auch Wege finden, um einen größeren Teil seiner Unternehmens- und Haushaltsersparnisse im Inland zu absorbieren. Merz plädiert dafür, einen Teil der Billionen Euro, die die Deutschen auf niedrig verzinsten Bankkonten parken, für Infrastrukturausgaben zu mobilisieren. Eine vielversprechende Idee.
Auch eine 10%-Prämie für Unternehmensinvestitionen, wie sie Wirtschaftsminister Robert Habeck befürwortet, ist eine Überlegung wert. Und angesichts des chronischen Wohnungsmangels sollte Deutschland auch hemmende Vorschriften abbauen, um Investitionen in den Wohnungsbau zu fördern.
Ein weiterer Grund, warum die Deutschen so viel Geld auf die hohe Kante legen, ist, dass sie wissen, dass das umlagefinanzierte Rentensystem nicht nachhaltig ist, da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter aufgrund der demografischen Entwicklung schrumpfen wird. Die nächste Regierung sollte daher die Altersvorsorge reformieren, um mehr steuerbegünstigtes Investieren in Aktien zu ermöglichen, die auf lange Sicht eine gute Rendite abwerfen sollten.
Anreize für längere Arbeitszeiten und eine bessere Kinderbetreuung für diejenigen, die derzeit in Teilzeit arbeiten (häufig Frauen), würden das verfügbare Einkommen erhöhen und dazu beitragen, den Arbeitskräftemangel einzudämmen. Dies würde auch durch Steuervorteile für diejenigen erreicht, die bereit sind, den Rentenbezug zu verschieben, und durch eine Anhebung des Renteneintrittsalters (das derzeit bis 2031 auf 67 Jahre angehoben werden soll), um der gestiegenen Lebenserwartung besser Rechnung zu tragen.
Trump davon zu überzeugen, dass solche Maßnahmen letztlich die Nachfrage nach US-Produkten ankurbeln, wird eine große Herausforderung sein. Aber Merz hat bessere Chancen als die meisten anderen.
FMW/Bloomberg
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Diese Analyse läßt die innenpolitischen Abhängigkeiten von März völlig außen vor. Die grüne CDUCSU verfolgt weiterhin die Energiewende, vielleicht in etwas abgemilderter Form, d.h. weiterer Abbau von gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Industrie. Von Steuersenkungen profitieren nur die oberen 50% der Bevölkerung, die unteren 50% zahlen keine Steuern. Wie soll damit die Binnennachfrage angekurbelt werden. Die Schuldenbremse für die Infrastruktur zu lösen ist nett nach der Pleite von vielen Baufirmen, was weg ist, ist weg. Außen- und verteigigungspolitisch sind Merz wiederum durch die grünen Merkelbrigaden in allen Parteien mit Ausnahme der AfD und BSW die Hände gebunden. Kanonen und Butter ist nicht möglich. Für Trump wird sich Merz so darstellen wie Scholz für Musk.