Der KI-Boom hat den großen Technologiewerten – den sogenannten „Magnificent Seven“ – beachtliche Gewinne beschert und ihre Aktien auf neue Höchststände getrieben. Doch der Aufschwung von Big Tech und dessen Profite sind nun bedroht. Aufgrund von Abschreibungen müssen die Aktien der großen Player im Bereich der künstlichen Intelligenz wie Microsoft, Meta und Alphabet wohl mit Gegenwind rechnen.
Aktien: KI-Wetten bedrohen Big Tech
Wie Bloomberg berichtet stellen einige Investoren die Summe des in künstliche Intelligenz investierten Geldes von Big Tech in Frage. Dies nährt die Sorge um die Gewinnspannen und das Risiko, dass die Abschreibungskosten die Aktien nach unten ziehen, bevor sich die Investitionen für die Unternehmen auszahlen.
„Auf Cashflow-Basis haben sie alle stagniert, weil sie alle zusammen mit ihrem gesamten Kapital massive Wetten auf die Zukunft abschließen”, sagte Jim Morrow, Gründer und CEO von Callodine Capital Management. „Wir konzentrieren uns stark auf Bilanzen und Cashflows, und deshalb haben sie für uns ihre historisch attraktive Cashflow-Dynamik verloren. Sie ist einfach nicht mehr da.“
Laut den von Bloomberg zusammengestellten Daten werden einige der Big Tech Werte wie Alphabet, Amazon.com, Meta Platforms und Microsoft in ihren laufenden Geschäftsjahren voraussichtlich 311 Mrd. USD und im Jahr 2026 satte 337 Mrd. USD für Kapitalausgaben aufwenden. Dies beinhaltet einen Anstieg von mehr als 60 % im ersten Quartal gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gleichzeitig ist der freie Cashflow im gleichen Zeitraum um 23 % gesunken.

Tsunami von Abschreibungen
„Es kommt ein Tsunami von Abschreibungen auf uns zu“, sagte Morrow, der sich von den Tech-Aktien fernhält, da er eine Verschlechterung der Gewinne ohne einen entsprechenden Anstieg der Einnahmen erwartet.
Ein großer Teil des Geldes fließt in Dinge wie Halbleiter, Server und Netzwerkausrüstung, die für die Berechnung künstlicher Intelligenz entscheidend sind. Diese Geräte verlieren jedoch viel schneller an Wert als andere abnutzbare Vermögenswerte, beispielsweise Immobilien.
So verzeichneten Microsoft, Alphabet und Meta im ersten Quartal zusammen Abschreibungen in Höhe von 15,6 Milliarden US-Dollar, gegenüber 11,4 Milliarden US-Dollar im Vorjahr. Berücksichtigt man zusätzlich Amazon, das einen Großteil seiner Barmittel in Investitionen statt in Rückkäufe oder Dividenden investiert hat, verdoppelt sich die Summe nahezu.
„Die Leute dachten anfangs, dass KI eine Monetarisierungsmaschine sein würde, aber das war nicht der Fall“, sagte Rob Almeida, globaler Investmentstratege bei MFS Investment Management. „KI wird nicht so schnell angenommen, wie die Leute dachten.“
KI-Aufschwung
Natürlich haben die Anleger nach wie vor großen Appetit auf die Aktien der Technologieriesen, da sie eine dominante Marktposition innehaben, über starke Bilanzen verfügen und ihr Gewinnwachstum, wenn auch verlangsamt, immer noch stärker ist als das des S&P 500. Dies erklärt die starke Performance der KI-Aktien in letzter Zeit.
Seit dem 9. April, dem Tag, an dem Präsident Donald Trump seine globalen Zölle aussetzte und damit eine Börsenschwäche in einen Boom verwandelte, ist der größte börsengehandelte KI-Fonds, der Global X Artificial Intelligence & Technology ETF, um 34 % gestiegen. Die Aktien des Chiphersteller Nvidia sind im selben Zeitraum sogar um 49 Prozent gestiegen. Meta legte um 38 % zu und Microsoft um 33 % – und übertreffen damit den Sprung des S&P 500 um 21 % und den des technologielastigen Nasdaq-100-Index um 28 %.

Erst am Dienstag berichtete Bloomberg News, dass Meta-Chef Mark Zuckerberg ein geheimes Team aus Forschern und Ingenieuren zusammengestellt hat, um dem Unternehmen dabei zu helfen, eine „künstliche allgemeine Intelligenz“ zu erreichen, also eine Maschine zu entwickeln, die bei vielen Aufgaben genauso gut abschneiden kann wie ein Mensch. Dies ist ein monumentales Unterfangen, das enorme Kapitalinvestitionen erfordert. Als Reaktion darauf machten die Meta-Aktien den Rückgang vom Montag wieder wett und stiegen um 1,2 Prozent.
Da jedoch immer mehr abschreibungsfähige Vermögenswerte in die Bilanz einfließen, wird der Druck auf die Unternehmen zunehmen, höhere Renditen für ihre Investitionen zu erzielen.
Der Umgang mit Abschreibungen
Aus diesem Grund war die Abschreibung ein häufiges Thema in den Gewinnmitteilungen für das erste Quartal. Anat Ashkenazi, Chief Financial Officer von Alphabet, warnte davor, dass die Ausgaben im Laufe des Jahres steigen würden und das Management versuche, die nicht zahlungswirksamen Kosten durch die Rationalisierung seiner Geschäfte auszugleichen.
„Wir konzentrieren uns darauf, das Tempo des Vergütungswachstums weiter zu drosseln, unseren Immobilienbestand zu überprüfen und unsere technische Infrastruktur im gesamten Unternehmen auszubauen und zu nutzen“, sagte sie bei der Bilanzpressekonferenz von Alphabet am 24. April.
Andere Unternehmen gehen ähnliche Schritte. So verlängerte etwa Meta Platforms Anfang dieses Jahres die Nutzungsdauer bestimmter Server und Netzwerkanlagen auf fünfeinhalb Jahre, statt wie bisher auf vier bis fünf Jahre. Diese Änderung führte im ersten Quartal zu einem Anstieg des Nettogewinns um rund 695 Millionen US-Dollar bzw. 27 Cent pro Aktie, wie Meta in einer Mitteilung bekannt gab.
Microsoft hat im Jahr 2022 dasselbe getan und die Nutzungsdauer von Server- und Netzwerkausrüstung von vier auf sechs Jahre erhöht. Auf die Frage, ob die gesteigerte Effizienz zu einer weiteren Verlängerung führen könnte, sagte Finanzchefin Amy Hood, dass solche Änderungen eher von der Software als von der Hardware abhängen.
„Wir möchten eine lange Vorgeschichte haben, bevor wir eine dieser Änderungen vornehmen”, sagte sie und fügte hinzu: „Wir konzentrieren uns natürlich darauf, die Lebensdauer unserer Anlagen so lange wie möglich zu verlängern.”
Amazon hat jedoch den gegenteiligen Ansatz gewählt. Im Februar erklärte das E-Commerce- und Cloud-Computing-Unternehmen, dass die Lebensdauer ähnlicher Geräte eher kürzer als länger werde, und reduzierte die Nutzungsdauer von sechs auf fünf Jahre.
Morrow von Callodine sieht das große Risiko darin, dass die KI-Investitionen nicht zu einem dramatischen Anstieg von Umsatz und Rentabilität führen. Ein solcher Marktschock ereignete sich im Jahr 2022, als ein Gewinnrückgang und steigende Zinsen der Fed die Technologie-Aktien in den Keller schickten und den S&P 500 nach unten zogen.
„Wenn es klappt, ist es gut“, sagte Morrow. „Wenn es nicht klappt, wird es einen großen Gegenwind bei den Gewinnen geben.“
FMW/Bloomberg
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