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Milde Winterrezession BIP -0,2 % – Kommentare von ifo, Bloomberg und Commerzbank

Das deutsche BIP ist um 0,2 % geschrumpft. Kommt nun also die Rezession? Hier dazu aktuelle Aussagen von Experten.

Metall schweißen

Das Statistische Bundesamt hat heute Vormittag für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) eine Schrumpfung von 0,2 % bekanntgegeben im Vergleich vom dritten auf das vierte Quartal 2022 – nachdem man vor zwei Wochen noch anhand vorläufiger Daten 0,0 % ausgewiesen hatte. Ist das der Auftakt zur Rezession? So richtig wäre es erst eine Rezession, wenn die Wirtschaftsleistung auch im laufenden ersten Quartal 2023 schrumpfen würde. Was sagen die Experten dazu? Hier schauen wir auf die Aussagen vom ifo-Institut, von Bloomberg und von der Commerzbank.

ifo: Milde Winterrezession in Deutschland

„Die hohen Inflationsraten haben die deutsche Wirtschaft in die Winterrezession getrieben. Nach gängiger Definition muss das Bruttoinlandsprodukt für eine Rezession zwei Quartale in Folge schrumpfen. Im laufenden Quartal ist mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem weiteren Rückgang zu rechnen, der noch etwas größer ausfallen dürfte. Damit wird die Wirtschaftsleistung wieder niedriger sein als noch vor Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2019“, so das ifo-Institut in seinem aktuellen Kommentar.

Dass der Rückgang des BIP im Schlussquartal 2022 nicht noch größer ausfiel, dürfte laut ifo an dem überraschend kräftigen Anstieg der Kfz-Zulassungszahlen am Jahresende gelegen haben. Durch das Auslaufen und Absenken staatlicher Förderprämien für Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge zum 31. Dezember schnellten die Neuzulassungen um 20 Prozent im Vergleich zum Vorquartal in die Höhe. Dies dürfte für sich genommen den privaten Konsum um etwa 0,8 Prozent ausgeweitet und damit die rückläufigen preisbereinigten Umsätze im Einzelhandel und in anderen konsumnahen Dienstleitungsbereichen teilweise ausgeglichen haben, so die Wirtschaftsforscher.

Für das laufende Quartal dürfte es bei den Autokäufen zu einem kräftigen Rückpralleffekt kommen, da die vorgezogenen Käufe nun wegfallen. Zudem werden die hohe Inflation und steigende Zinsen die übrigen Konsumausgaben und die Bauproduktion weiter sinken lassen, so ifo weiter. Die hohen Auftragsbestände und nachlassende Engpässe bei Energie und Vorprodukten dürften hingen die Industriekonjunktur stützen. Insgesamt werde das BIP im ersten Quartal 2023 wohl nochmals um 0,4 Prozent schrumpfen und dann im zweiten Quartal stagnieren. Erst im weiteren Verlauf des Jahres dürfte sich die Konjunktur erholen, weil die Inflationsraten spürbar sinken und die Einkommen kräftig steigen werden. „Im Jahr 2023 insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt daher nur auf der Höhe des Vorjahres verbleiben “, so ifo.

Commerzbank-Analyse

Dr. Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank. Er hat sich auch zum leicht rückläufigen BIP im letzten Quartal geäußert. Auch die zurückliegenden Daten haben die Statistiker etwas revidiert. So haben sie das Wachstum im dritten Quartal um knapp 0,1 Prozentpunkte nach oben genommen. Wegen des Rückgangs im vierten Quartal um gut 0,2 % hat sich die Ausgangsbasis für das Jahr 2023 in der Summe aber um etwa 0,2 % verschlechtert, so Krämer.

Zahlen zu den Verwendungskomponenten des Q4-BIP werden die Statistiker erst am 24. Februar veröffentlichen. Aber laut Pressemitteilung ging das Minus vor allem auf den privaten Verbrauch zurück. Die Konsumenten sind nicht immun gegen die Erosion ihrer Kaufkraft durch die rekordhohe Inflation. Für eine wenn auch milde Rezession sprechen laut Dr. Jörg Krämer außerdem folgende Argumente:

– Die Zentralbanken haben in vielen Ländern wegen der hohen Inflation ihre Leitzinsen deutlich angehoben. Die Zinsstrukturkurve ist auch in Deutschland invers, was in den 70er und 80er Jahren, als die Inflation ebenfalls hoch war, häufig ein Vorbote von Rezessionen war.

– Die Industrieproduktion hat sich vor allem deshalb gut gehalten, weil die deutschen Unternehmen die während der Corona-Krise entstandenen Auftragsberge abarbeiten. Aber die ifo-Umfragen zeigen, dass die Unternehmen hier wohl bereits große Fortschritte gemacht haben und nicht mehr sehr viele von ihnen die Auftragsbestände für zu hoch halten.

Wir erwarten, dass das BIP in den ersten drei Quartalen des Jahres etwas sinken wird. Für das gesamte Jahr rechnen wir weiter mit einem Minus von 0,5 %.

Bloomberg: Deutschlands Wirtschaft schrumpft also doch – Rezession droht

Bloomberg schreibt aktuell: Die deutsche Wirtschaft ist im Schlussquartal 2022 um 0,2 % geschrumpft und hat sich damit schwächer entwickelt als erwartet. Die erste Schnellschätzung und der Konsens der Volkswirte hatten beide nur eine Stagnation erwarten lassen. Mit dem Anstieg der Energiekosten im Zuge des russischen Kriegs in der Ukraine würde es zu einer technischen Rezession kommen, sollte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auch im ersten Quartal 2023 zurückgehen.

Entwicklung des deutschen BIP - pro Quartal ein Balken

In den vergangenen Wochen hatten mehrere Indikatoren wachsende Zuversicht signalisiert. Vor allem der milde Winter und die auch deshalb gut gefüllten Gasspeicher haben die Gefahr von Engpässen während der Heizperiode nahezu gebannt. Die Gas-Großhandelspreise sind gegenüber den Rekordhochs abgesackt. Dies nährt die Hoffnung, dass die Inflation schneller nachlassen wird als bisher angenommen.

Die noch immer enorme Teuerung belastet jedoch die Nachfrage der Verbraucher. Dies ist auch in Schweden zu beobachten. Auch hier schrumpfte das BIP laut heute vorgelegten Konjunkturdaten, wobei Volkswirte mit leichtem Wachstum gerechnet hatten. Deutschlands verarbeitendes Gewerbe leidet unter rückläufigen Bestellungen. Der Auftragsbestand allerdings ist groß und Lieferengpässe lassen nach.

Die Bundesregierung prognostizierte vergangene Woche für das Gesamtjahr 2023 plus 0,2 % Wirtschaftswachstum (BIP) — eine deutliche Verbesserung gegenüber der vorangegangenen Prognose einer Schrumpfung um 0,4 %. Wirtschaftsminister Robert Habeck warnte dennoch vor einer möglichen Rezession. Die von Russlands Einmarsch in der Ukraine ausgelöste Krise sei noch nicht vorbei.

Die Aussichten bleiben ungewiss. Die Inflation könnte sich angesichts der wachsenden Forderungen nach höheren Löhnen als hartnäckig erweisen. Die in den Streik getretenen Postangestellten fordern 15 % Gehaltsplus, und auch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes streben eine zweistellige Erhöhung an. Die EZB ist entschlossen, die Teuerung mit einer weiteren Zinsanhebung zu bekämpfen. Für diese Woche rechnen Volkswirte mit einer Erhöhung um 50 Basispunkte. Die volle Wirkung der aggressivsten Straffungskampagne der EZB-Geschichte muss sich indessen erst noch zeigen.

FMW/Bloomberg/ifo-Institut/Commerzbank



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