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Boeing – Belastung für die gesamte US-Wirtschaft

Boeing belastet mit seinen Problemen nicht nur diverse Zulieferer und Fluggesellschaften, sondern als größter Exporteur auch die gesamte US-Konjunktur

Boeing belastet mit seinen Problemen nicht nur diverse Zulieferer und Fluggesellschaften, sondern als größter Exporteur auch die gesamte US-Konjunktur.

Boeing zieht die Reißleine – und die US-Konjunktur mit nach unten

Mitte November zeigte sich das Management des nach Airbus aktuell zweitgrößten Flugzeugbauers der Welt noch optimistisch, dass der Krisenjet 737 Max ab Januar dieses Jahres in den USA wieder in Betrieb genommen und ausgeliefert werden könne. Ende Oktober ließ der ehemalige Boeing-CEO Dennis A. Muilenburg noch verkünden, dass die 737 Max bereits ab Ende Dezember 2019 wieder fliegen würde.

Anstatt jedoch mit der 737 Max, die das Brot- und Buttergeschäft des Konzerns darstellt, wieder durchzustarten, entließ der Vorstand des Unternehmens einen Tag vor Weihnachten den seit Juli 2015 als CEO fungierenden Muilenburg. Aus dem Verwaltungsrat trat der ehemaliger Boeing-Manager ebenfalls aus. Der neue Mann auf dem Chefsessel ist David L. Calhoun, der als ehemaliger Vorsitzender des Boeing-Aufsichtsrats das gesamte 737 Max-Desaster eigentlich mitzuverantworten hat.

Wie üblich bei Führungswechseln in der Chefetage wird nun erst einmal der ganze Dreck hinausgekehrt. Dazu gehört auch die Weitergabe interner Dokumente über die skandalöse Kommunikation an die US-Flugaufsichtsbehörde FAA sowie den Sonderuntersuchungsausschuss des US-Kongress.

In den jüngst publizierten Dokumenten, die einen Zeitraum von 2013 bis 2019 umfassen, diskutierten die Mitarbeiter verschiedene Aspekte der Entwicklung und Produktion: „Würdest du deine Familie in ein Flugzeug mit einem von einem Max-Simulator ausgebildeten Piloten setzen? Das würde ich nicht.“, schrieb ein Mitarbeiter in einer Meldung vom Februar 2018 an einen anderen. Der zweite Mitarbeiter stimmt zu. In einer anderen Mail heißt es: „Dieses Flugzeug wurde konstruiert von Clowns, die von Affen beaufsichtigt wurden“. Besonders peinlich für die FAA, die Teile des Zulassungsprozesses an den Flugzeughersteller ausgelagert hatte, ist die Einschätzung eines Boeing-Mitarbeiters, dass es sich bei der 737 MAX um eine „solche Show“ handelt und dass er schockiert wäre, wenn die FAA das Flugzeug für den Luftverkehr zulassen würde.

Die FAA hat mittlerweile klargestellt, dass die 737 Max-Maschinen noch für unbestimmte Zeit am Boden bleiben müssen. Boeing hat bereits am 16. Dezember angekündigt, die Produktion der 737 Max im Januar dieses Jahres einzustellen, da bereits 400 Flugzeuge auf Halde stehen. Bis die FAA die Flugsicherheit erneut bestätigt, kann Boeing diese Maschinen nicht ausliefern. Das Unternehmen hatte noch bis Mitte Dezember 42 Stück pro Monat gebaut.

Enormer wirtschaftlicher Schaden

Der Schaden, den das „Grounding“ der Top-Sellers von Boeing verursacht, geht weit über den Konzern hinaus. Besonders Airlines leiden unter der massiven Verzögerung der dringend benötigten Maschinen. Allen voran ist Southwest Airlines als größter 737 Max Kunde betroffen. Das Unternehmen hat insgesamt 280 Maschinen der Baureihe bestellt und erst 31 Stück geliefert bekommen. Die Fluggesellschaften müssen nun ihre Flugpläne anpassen, geplante Expansionen und der Austausch von weniger effizienten Modellen müssen verschoben werden. Flüge fallen aus und Reisende müssen Verspätungen in Kauf nehmen.

Durch den Stillstand der Produktion sind nun aber auch Zulieferbetriebe wie GE Aviation betroffen, einem Tochterunternehmen von General Electric, die die Triebwerke für das zweistrahlige Schmalrumpfflugzeug bauen.

Die komplette Einstellung der Produktion der 737 Max ist eine schlechte Nachricht für die gesamte US-Wirtschaft. Da Boeing einer der größten Industriekonzerne der USA sowie der größte Exporteur des Landes ist, könnte die Aussetzung des meistverkauften Boeing-Produkts das US-BIP-Wachstum im ersten Halbjahr 2020 spürbar belasten.

Ein Produktionsstillstand, der über das gesamte erste Quartal 2020 andauert, könnte das Bruttoinlandsprodukt der Vereinigten Staaten um einen halben Prozentpunkt nach unten drücken.

Die Ökonomen von J.P. Morgan erwarten sogar eine gesamtwirtschaftliche Belastung von 0,6 Prozent oder ca. 35 Mrd. US-Dollar.

Die Analysten der Bank of America hat die Nachricht von der Produktionsstilllegung der 737 Max dazu veranlasst, ihre ohnehin schon schwache Wachstumsprognose für das erste Quartal dieses Jahres von 1,7 Prozent auf eine annualisierte Rate von 1,2 Prozent abzusenken.

Es wird erwartet, dass die Probleme bei Boeing besonders den US-Fertigungssektor, der sich in den letzten Monaten ohnehin schwach zeigte und im Dezember auf den tiefsten Stand seit Juni 2009 fiel, weiter belasten wird. Der Vorsitzende von FedEx, Fred Smith, hat im Rahmen der jüngsten Gewinnwarnung des Logistikkonzerns den 737 Max-Produktionsstopp als Probleme für eine in Schwierigkeiten geratene US-Industrie bezeichnet.

Bisher hielt sich der Schaden bei Boeing noch in Grenzen

Die Maschinen der Baureihe dürfen zwar schon seit März letzten Jahres nicht mehr fliegen, wurden aber noch weiter gebaut. Daher musste Boeing keine Mitarbeiter freisetzen, ebenso wenig wie die Zulieferbetriebe. Doch das könnte sich nun v. a. bei kleineren und mittleren Zulieferern und Dienstleistern ohne größere Kapitalpuffer schnell ändern.

Die seit dem Flugverbot der Krisenmaschine gebauten 400 Stück stellen hingegen größtenteils totes Kapital dar, da bis auf eine Anzahlung der überwiegende Teil des Flugzeugs erst bei der Auslieferung bezahlt wird. Dieses Geld wird vorerst nicht als Umsatz verbucht werden können. Da eine positive Veränderung der Lagerbestände das BIP-Wachstum statistisch hebt, hielt sich der gesamtwirtschaftliche Negativeffekt im vergangenen Jahr noch in Grenzen. Bis auf Weiteres wird Boeing aber seine Lagerbestände an 737 nicht weiter aufstocken, was das BIP-Wachstum ebenfalls belastet. Negativ wirkt sich der Produktionsstopp auch auf die Auftragseingänge aus. Bereits im vergangenen Jahr war das Ordervolumen in der zivilen Luftfahrtsparte bei Boeing negativ, da es mehr Stornierungen als Neubestellungen gab.

Fazit und Ausblick

Die Probleme bei Boeing scheinen momentan immer größer zu werden und sich zu einer veritablen Branchenkrise auszuweiten, bei der ganze Lieferketten Schaden nehmen könnten. Die jüngsten Enthüllungen zum 737 Max-Skandal sind jedenfalls erschreckend und werfen ein schlechtes Licht auf den bisherigen Branchenführer. Die Konsequenzen daraus reichen von einer Verzögerung bei der Wiederzulassung durch die Zulassungsbehörden weltweit bis hin zu einem endgültigen Flugverbot der 737 Max-Reihe.

Wenn Boeing die Produktion nach dem ersten Quartal 2020 wieder aufnimmt, könnte es hingegen gesamtwirtschaftlich betrachtet bei einem temporären Negativeffekt bleiben, vorausgesetzt, das Flugzeug darf wieder starten.

Der Produktionsstopp der 737 Max von Boeing schadet der US-Wirtschaft immens

Größte Werkhalle von Boeing nahe Seattle. Foto: Maurice King – Boeing Widebody assembly plant CC BY 2.0



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1 Kommentar

  1. Da eine positive Veränderung der Lagerbestände das BIP-Wachstum statistisch hebt, hielt sich der gesamtwirtschaftliche Negativeffekt im vergangenen Jahr noch in Grenzen.

    Baue Schrott, lege diesen auf Halde, und die Statistken florieren. America great again!

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