Aktien

Börse: Die Aktienmärkte in den Fängen von Neulingen

Die neue Generation der „Robinhooder“ spielt eine immer größere Rolle für die Börse: über gehebelte Optionen beinflussen sie den Gesamtmarkt immer stärker. Auf Dauer wird das aber nicht funktionieren

Wenngleich sich die Masse der Aktien in den Depots von Kapitalsammelstellen, Staatsfonds, Investmentfonds und weiterer Langfristinvestoren befinden, spielt sie doch eine immer größere Rolle für die Börse: Die neue Generation der „Robinhooder“, die in bestimmten Marktphasen sogar den großen Hedgefonds eine lange Nase gezeigt hat. Mittlerweile haben die Neuen eine derartige Größe angenommen, dass sie (gehebelt) den Gesamtmarkt beeinflussen. Mit immer größerem Risiko.

Börse: RobinHood, das Symbol für eine neue Generation

Wieder so ein Börsen-Märchen in den USA: Die Trading-App RobinHood, im Jahre 2013 gegründet, bietet eine Plattform an, um nahezu kostenlos Aktien, ETFs, Optionen und sogar Krypto-Währungen zu handeln. Mit immer größerem Kundenkreis. Jetzt strebt man sogar einen Börsengang für 2021 an, der von Goldman Sachs begleitet werden soll. Bereits jetzt kalkuliert man mit einem Börsenwert von über 20 Milliarden Dollar.

Die Geschäftsidee:

Man wollte einen Markt für Mikroinvestoren schaffen, in dem nicht fünf bis zehn Dollar pro Trade gezahlt werden müssen und auch keine Mindestdepotsumme von 500 Dollar, wie früher üblich. Man verlangt keine Gebühren für einen Trade, erzielt die Einnahmen durch die Weitergabe der Kleinaufträge an eine größere Einheit, die in der Lage ist Tausende Aufträge zu bündeln, um bessere Konditionen zu erhalten. Dafür enthält RobinHood eine Zahlung – das Verfahren ist nicht ganz ununmstritten, da dies etwas gegen die Interessen der Wall Street verstößt, mit dem Vorwurf nicht den besten Preis zu erzielen. Dafür musste das Unternehmen auch schon einmal eine Strafe bezahlen (2019 – 1,25 Millionen Dollar). RobinHood erwirtschaftet anscheinend nur einen Cent pro Trade, aber bei 13 Millionen Kunden ergeben sich Skaleneffekte. Außerdem verdient man an Sparkonten, Krypto-Handel u.w.

Die Entwicklung des Unternehmens:

Schon vor dem Start der App hatten sich im Jahr 2015 – 700.000 Kundenanträge angehäuft Im Jahr 2016 überschritt man die erste Million, 2018 sechs Millionen und im Coronajahr ist man schon bei 13 Millionen Kunden angelangt. Das Durchschnittsalter betrug zu Beginn 26 Jahre und ist aktuell mit 31 Jahren immer noch ein Zeichen dafür, dass der Finanzdienstleister Zielgruppe für viele Neueinsteiger an der Börse ist.

Auch die Umsatzentwicklung ist rasant: Von 2,9 Millionen Dollar (2015), 9,3 Millionen (2016), 69 Millionen (2018) hat man allein schon im zweiten Quartal 2020 180 Millionen Dollar erreicht. Umsatz, denn die Transaktionen liegen schon länger im Milliardenbereich.

Hier noch der Vergleich Robinhood – Assets unter Verwaltung:

Robin Hood: 20 Milliarden Dollar

E-Trade: 600 Milliarden Dollar

TD Ameritrade: 1,3 Billionen Dollar

Charles Schwab: 3,8 Billionen Dollar

 

Interessant auch der Vergleich der durchschnittlichen Depotgröße:

Robin Hood: 1.000 bis 5.000 Dollar

E-Trade: 100.000 Dollar

TD Ameritrade: 110.000 Dollar

Charles Schwab: 240.000 Dollar

Warum soll mit so kleinen Depotgrößen die Börse bewegt werden können? Weil man sehr viele Trades pro Tag absetzt, häufig durch Optionen stark gehebelt handelt – und viele andere auf den Zug aufspringen.

Die Konkurrenz in den USA

Der Erfolg von RobinHood führte dazu, dass die wesentlich größere Konkurrenz nachzog. CharlesSchwab, E-Trade und Ameritrade haben im Jahr 2019 ihre Gebühren radikal gesenkt, um mit dem Aufsteiger Schritt zu halten. Die Übernahme von TD Ameritrade durch Charles Schwab für 26 Milliarden US-Dollar und die Übernahme von E-Trade durch Morgan Stanley im Wert von 13 Milliarden US-Dollar gelten als Ergebnis einer durch Robinhood initiierten Entwicklung.

Weitere Folgen:

„Die Rückkehr dieser Investorengruppe hat den gesamten Charakter des Marktes verändert“, so die Meinung des Börsenmoderators Jim Cramer, (Mad Money bei CNBC). „Sie agieren anders als es Experten tun. Gleichwohl sollte man sie ernst nehmen.“ Denn sie waren ein wichtiger Grund dafür, dass die Börse nach dem Corona-Crash so drastisch gestiegen sind. Zum Beispiel Tesla oder auch Zoom – Aktien, die in Jahr diesem Jahr 500 bis fast 700 Prozent geklettert sind. Denn nur wenige Profiinvestoren haben wohl noch auf diesem Niveau noch zugegriffen, außer sie taten es mit Käufen in Indexfonds und weil man den Aufstieg Teslas in den S&P 500 einpflegen musste. Auch sind die Neuen für die derzeitige Anomalie im Optionshandel mitverantwortlich, für die exorbitant hohe Zahl an Calls, vor allem auf die Highflyer. Marketmaker müssen zur Absicherung die sehr teuren Titel auch immer wieder nachkaufen. Für die Börse gilt also: Die Hausse nährt die Hausse, diesmal in leicht anderer Form.

Für Options-Orders erhält Robinhood von den Marktmachern aber das Dreifache gegenüber Aktien-Orders. Entsprechend groß ist der Anreiz der Plattform, die Kunden statt in Aktien in Optionen zu treiben.

Mit 180 Millionen Dollar Quartalsumsatz hat sich Robinhood auf den zweiten Platz der Retail-Broker gesetzt. Nummer eins in diesem Segment war beim Umsatz noch TD Ameritrade mit 324 Millionen Dollar Erlösen in dem Vergleichsquartal. Andere, alteingesessene Handelsplattformen für Kleinanleger wie E-Trade und Charles Schwab hat Robinhood damit aber schon überholt.

Da nach Angaben des Brokers die Hälfte aller Neukunden im Jahr 2020 junge Menschen sind, die das erste Mal an der Börse handeln, hat sich ein großes Risiko aufgebaut, speziell im Bereich von Optionen und Hebelprodukten. Eine Gefahr für die Rally im neuen Börsenjahr?

Und was ist in Deutschland?

Der Hype der Jungen in Sachen Börse hat sich über die sozialen Medien natürlich auch in Deutschland herumgesprochen. Hierzulande berichten auch ING, Comdirect, Corsorsbank oder DKB von Rekordzahlen bei Depoteröffnungen, so viele wie seit der Dotcom-Bubble vor 20 Jahren nicht mehr. Aber auch für die Billigbroker gibt es schon seit 2019 Nachahmer, sie heißen Trade Republic, Gratisbroker, Smartbroker, Just Trade und Scalable Capital.

2020 hat eine neue Generation live miterlebt, wie die Aktienmärkte unglaubliche Bewegungen vollzogen haben, in unglaublich kurzer Zeit.

Wie einfach ist es da geworden, per Smartphone zu handeln, im Sinne von „Buy the Dip“ und von jedem Ort aus.

Ja, und die Robinhood-App ist derzeit nur in den USA verfügbar, der Marktstart in Europa aber nur eine Frage der Zeit. Wenn es da vorher nicht schon eine kalte Dusche für die Börse gegeben hat.

Fazit

Es ist fast schon wieder ein Déjà-vu, mit den Entwicklungen des Aktienhandels um die Jahrtausendwende. Auch damals wurden selbst in Deutschland Tausende Depots von Daytradern eröffnet, um in kurzer Zeit möglichst viel an der Börse zu verdienen.

Ein paar kleine Unterschiede gibt es: Damals wurde noch viel mehr mit Werten gehandelt, die überhaupt kein funktionierendes Geschäftsmodell besaßen, außerdem hatte die Federal Reserve von 1999 auf 2000 sechs Mal die Zinsen angehoben von 4,75 auf 6,5 Prozent und den Geldhahn zugedreht. Aber dennoch: Rendite ist zu jeder Zeit mit Risiko assoziiert. Zudem: Gewinne verleiten zum Leichtsinn, man erhöht den Einsatz und den Hebel, bis ein Ereignis (The Unknown Unknown) zur Marktbereinigung führt – vor allem bei den Gierigen und Unvorsichtigen. Kostenloser Handel, ein neuer Weg zum Reichwerden? Mitnichten: „There is no such thing as a free lunch“, heißt es. Es gibt nichts umsonst – und jede Studie der Welt zeigt, dass laienhafte Trader an der Börse auf Dauer kein Geld machen.

Neulinge - die Robinhooder - spielen für die Börse eine immer größere Rolle

 

 



Kommentare lesen und schreiben, hier klicken

Lesen Sie auch

2 Kommentare

  1. Wenn der Altersdurchschnitt so um die 30-ig ist, hat von den Jungs noch keiner einen Bärenmarkt erlebt. Ausser laufend nur die Richtung nach oben und immer neue Geldflut der Notenbanker gab es für die Generation nichts. Bei der Frage, wer für all die Exzesse Verantwortung hätte, wäre wohl diese bei den Notenbanker zuerst zu suchen. Denn die erzählen auch bei wirtschaftlich guter Situation, man müsse noch weiter stimulieren, um Inflation zu erzeugen. Diese Inflation werden sie eines Tages mit Sicherheit auch noch kriegen. Nur ist dann die Frage, ob sie dafür auch Verantwortung übernehmen werden oder wieder einen anderen Schuldigen finden.

  2. Es gibt auch viele ältere, erfahrene „Profis“ die schon 3 oder 4 grosse Korrekturen erlebt haben und trotzdem meinen diesmal sei die Hausse endlos.Vor allem wüssten alle diese Schlaumeier, das bei Optionsgeschäften ca. 80 % wertlos verfallen und die Verkäufer die Gewinner sind.Wenn jetzt die Baby- Optionskäufer wegen der Riesenaktien -Manipulation kurzfristig Gewinne gemacht haben, werden sie später eines Besseren belehrt werden.
    Was für mich fast unglaublich ist , ist dass anscheinend einige Tausend Anfänger die Märkte so stark bewegten.Natürlich ist mit Optionen eine grosse Hebelung möglich.Aber hat denn nicht bei jedem Geschäft ein Analyst/ Bänker oder Berater die Hände im Spiel die die Baby- Zokker hätten warnen müssen.
    Eine unausweichliche Korrektur wird für gewisse Dünnfische tragische Folgen haben.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert




ACHTUNG: Wenn Sie den Kommentar abschicken stimmen Sie der Speicherung Ihrer Daten zur Verwendung der Kommentarfunktion zu.
Weitere Information finden Sie in unserer Zur Datenschutzerklärung

Meist gelesen 7 Tage