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Börse: Die Woche der Margin Calls und der Hexensabbat

Über die große Enthebelung

Alte Hasen an der Börse werden es bestätigen: Es ist unglaublich schwer die großen Ausschläge an den Börsen mit ihren Amplituden, nach oben, wie nach unten, erahnen zu können – und wer da falsch liegt, bekommt nicht selten einen Margin Call. In Anlehnung an den Spruch des Universalgelehrten, Sir Isaac Newton: „Ich kann die Bahn der Himmelskörper auf Zentimeter und Sekunden genau berechnen, aber nicht, wohin die verrückte Menge einen Börsenkurs treiben kann.“

Nach oben ist es die unberechenbare Gier des Menschen und der Herdentrieb, nach unten sind es die Panikreaktionen derer, die den Extremverlust fürchten und etwas, was in Zeiten des billigen Geldes auch extreme Marktreaktionen auslösen könnte: Der Margin Call, die Nachschussverpflichtung für die durch Wertpapierkredite gehebelten Depots.

Börse: Wertpapierkredite (Margin Debt), die Ursache für die Margin Calls

Bereits mehrfach wurde an dieser Stelle schon über die Höhe der Wertpapierkredite berichtet, für beliehene Depots, die sich im November 2021 schon der Ein-Billionen-Dollar-Grenze genähert hatte. Seitdem geht es aufgrund der steigenden Kapitalmarktzinsen abwärts, aber so richtig reinknallen dürfte es in diesen Tagen, verstärkt durch den dreifachen Verfallstag am Freitag, den 17. Juni.

Hier die FINRA-Übersicht (Financial Industry Regulatory Authority) des letzten Monats, frische Daten kommen in Kürze. Es besteht ein eindeutiger Zusammengang zwischen dem Margin Debt und dem Kursverlauf des S&P 500.

Börse Finra Margin Debt Juni

Der Hintergrund für die immer wieder auftretende Zwangsenthebelung von Depots ist zunächst ein monetärer (Straffung der Finanzierungsbedingungen) und dann ein finanzmathematischer: Wenn in einem am Limit kreditfinanzierten Depot der Wert des Depots um z.B. 20 Prozent fällt, genügt kein gleich großer Verkauf von Assets, da damit automatisch die Beleihungsgrenze weiter nach unten fällt. Dies setzt sich umso dramatischer fort, desto stärker das Depot schrumpft. Und dergleichen erleben wir in den letzten Tagen, als selbst der marktbreite S&P 500 in nur drei Tagen über neun Prozent nach unten rauschte, 99 Prozent der Werte sich bereits unter der 50-Tage-Linie befinden.

Sollte man sich nur ein wenig für die spekulativen Tech-Werte beliehen haben, besteht höchste Gefahr im Verzug für das Depot – der Totalverlust. Aber es soll auch Anleger geben, die sich Geld aus anderen Quellen leihen, um zu verbilligen, in Hoffnung auf große Gewinne. Die prozentualen Anstiege bis zum „Break Even“ klingen ja so fantastisch.

Alles muss raus

Was geschieht in solchen Börsen-Phasen mit rasanten Kursrückgängen? Nicht nur die hochspekulativen Werte geraten unter Wasser, selbst die Dickschiffe oder auch die wertstabilen Reserven mancher Depotinhaber (wie das krisensichere Gold) müssen zu Cash gemacht werden, um die Depots auszugleichen. Gesehen im Corona-Crash oder auch in den letzten Tagen, in denen alles gefallen ist, sicherlich von vielen Depotinhabern nicht gerade bereitwillig verkauft. Wenn der Margin Call eintrudelt, vor dem mancher sich mit seinen Depots so sicher geglaubt hatte, keine andere Möglichkeit lässt. Dieses Problem ist natürlich nicht nur auf die USA beschränkt, sondern gängige Praxis in vielen Ländern.

Ganz besonders dürfte dabei der aktuelle Crash der Kryptos zur Notlage einiger Spekulanten beigetragen haben.

Und dann noch der Hexensabbat

Als sicher besonders unglückliche Koinzidenz, gibt es in dieser Woche noch den dreifachen Verfallstag, Triple Witching Day, mit dem Auslaufen der diversen Optionen, die wie manche Aktien eben kein „ewiges“ Leben haben. Dabei geht es dabei um das gigantische Volumen von 3,2 Billionen Dollar, von denen zahllose Wetten durch die Kurseinbrüche der letzten Tage arg in Schieflage geraten sein werden. Ganz besonders durch die große Hebelwirkung dieser Finanzinstrumente. Oder wie ein Optionshändler bemerkt hatte: In dieser Woche hagelt es Margin Calls! Dies alles könnte sich erst in der nächsten Woche beruhigen, wenn die Neupositionierung der Investoren erfolgt ist.

Fazit

Wie eingangs erwähnt, ist es gerade in Phasen der Einbrüche oder Bereinigungen an der Börse unglaublich schwer, einen möglichen Boden auszumachen. Keiner hat einen Gesamtüberblick über die Depotausrichtungen, deren Hebelung – erst recht nicht über die finanziellen Zwänge der Depotinhaber und deren Verpflichtungen.

Allein schon deshalb gibt es bereits seit langer Zeit den Börsenspruch: „Greife nie in ein fallendes Messer“, ganz besonders in heutigen Zeiten einer epochalen Wende in den Finanzierungsbedingungen. Deshalb dürfte dies nicht die letzte Woche gewesen sein, mit dem Damoklesschwert: Und ständig droht der Margin Call.



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