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Börse extrem: Die Hoffnungen auf den Impfstoff verändern die Lage!

Die Börse gestern mit einer fulminanten Rally aufgrund der neuen Impfstoff-Hoffnungen. Was aber kommt nach der extremen Rally gestern?

Der gestrige Tagesverlauf war wieder ein Beispiel dafür, wie die Börse blitzartig neue Entwicklungen einpreist. Wer auf die Meldung in den Nachrichten wartet, ist zumeist zu spät dran – manchmal auch glücklicherweise, bei all den Gerüchten. Nicht aber wenn es echte Überraschungen gibt, so wie die Impfstoffmeldung gestern gegen 13:00 Uhr.

Börse und die die Meldung von Pfizer/BioNTech

Bereits in nächster Zeit ein Antrag für die Zulassung eines Impfstoffes, mit einer 90-prozentigen Wirksamkeit – dies schlug an der Börse ein wie eine Bombe. Der klinisch geprüfte Impfstoff BNT162b2 hat in einer Phase-3-Studie offenbar eine gute Schutzwirkung erzielt, man spricht auch schon von 50 Millionen produzierten Impfdosen bis zum Jahresende – und bis dahin sind es nur noch ein paar Wochen. Beim Dax ging es binnen Minuten 500 Punkte nach oben, bis zum späten Nachmittag blieb ein 5 Prozent-Aufschlag.

Könnte dies ein Game Changer sein, der dazu führt, dass die Börse bereits jetzt die Nach-Covid-19-Ära einpreist?

Der Pfizer-Chef Albert Bourla jedenfalls behauptete, es sei der wichtigste medizinische Fortschritt der letzten 100 Jahre.

Was hat sich gegenüber Freitag geändert?

Schlagartig geriet das Aufregerthema, der Ausgang der US-Wahlen, etwas in den Hintergrund. Blitzschnell versuchte sich die Börse auf die neue, wenngleich noch nicht gesicherte Lage einzustellen. Fluggesellschaften, Kreuzfahrtlinien, Hotelketten haussierten um 20 bis 30 Prozent. Sektoren, die vor Kurzem keiner anfassen wollte, „Stay at Home-Aktien“, Technologie- aber auch Pharmatitel gerieten ins Abseits. Eine blitzartige Branchenrotation, wie es sie auch in diesem Jahr noch nicht gegeben hat.

Auch wenn es eigentlich noch zu früh ist, die Nach-Corona-Phase einzuläuten, so kann man sich zumindest ein paar Gedanken darüber machen, was die Börsen auf kurze Sicht belasten oder befördern könnte.

Der monetäre Rückenwind könnte etwas nachlassen

Hatte man in diesem Jahr aufgrund von Corona selbst im konservativen Deutschland alle Haushaltsgrundsätze über den Haufen geworfen, so könnte eine echte Impfstoffhoffnung die Wirtschaftspolitiker vorsichtiger machen: Stimulusprogramme dürften vor allem in ihrer zeitlichen Reichweite moderater ausfallen.

Auch seitens der Notenbanken könnten die Notprogramme reduziert werden, das Notprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programm) der Europäischen Zentralbank dürfte am 16. Dezember kaum mehr als um 500 Milliarden Euro erweitert werden – wenn überhaupt.

Aber eine Reduzierung der Notenbankbilanz scheint fast ausgeschlossen – haben denn Politiker nicht erst gewarnt, man solle die Unterstützung nicht zu rasch reduzieren?

Kurzfristig könnten sich die Vorteile sogar potenzieren

Sicherlich werden die Zentralbanken die gerade erst versprochenen Maßnahmen nicht wegen der Hoffnung auf einen Impfstoff eindampfen: Die regelmäßigen Anleihekäufe der EZB oder auch der Federal Reserve mit ihrem 120 Milliarden Dollar Paket pro Monat.

Auch haben die Notenbanken die Käufe bis weit ins Jahr 2021 terminiert, laut FED-Chef Powell bis zu „Maximum Employment“, oder bis die Inflation deutlich anzieht (über zwei Prozent und für längere Zeit). Bei der gegenwärtigen Schuldenaufnahme können die Notenbanken doch gar nicht anders, als ihre Anleihe-Aufkaufprogramne fortzusetzen.

Die US-Notenbank wird wohl nicht dem neuen US-Präsidenten bei seinem Coronaprogramm und dem versprochenen Wirtschaftsprogrammen monetär gleich in die Parade fahren.

Auf der anderen Seite kommt die Psychologie ins Spiel: noch kürzlich hat man von verantwortlicher Seite behauptet, die Gesellschaft müsse lernen mit dem Virus zu leben. Was gleichbedeutend ist mit ausgesprochen schlechten Aussichten für die Wirtschaft 2021, infolge partieller Lockdowns.

Und was wäre die Folge, sollte es wirklich zu der großen Versorgung mit einem Impfstoff im nächsten Jahr mit Milliarden Dosen kommen? Das Damoklesschwert einer ewig langen Durststrecke für bestimmte Branchen fiele weg.

Müsste man nicht die Wachstumserwartungen für 2021/2022 sogar etwas anpassen? Gestern hatten zeitweise 260 Aktien im S&P 500 ein neues Hoch erreicht, was für eine Breite! Allzeithochs bei Indizes gelten, wenn diese signifikant ausfallen, als starkes Kaufsignal für die Börse.

Was waren noch die Treiber der diesjährigen Rally?

Zu sagen, dass das Coronavirus gut ist für die Aktienmärkte stimmt – aber nur in der rückwärtigen Betrachtung. Die großen Profiteure der Pandemie aus dem Technologiebereich, die FANGMAN-Titel, haben eine sagenhafte Rally hingelegt, nicht nur 2020. Sie verkörpern etwa ein Viertel des Leitindex S&P 500, etwa 7 Billionen Dollar. Der Index ist aber 29 Billionen Dollar schwer und viele der Value-Aktien, wie aus dem Energie- und Bankenbereich liegen gewaltig am Boden. Vom ganzen Luftfahrt, Reise- und Freizeitbereich gar nicht zu reden. Sollten die in Summe gut 20 Billionen schweren Titel aus dem Value-Sektor nicht in einer von der Börse antizipierten Nach-Corona-Ära aufholen können?

So hatte gestern nicht zufällig der Nebenwerte-Index Russel 2000 die stärkste Reaktion gezeigt, bis man bei plus 7 Prozent den Handel unterbrochen hatte (circuit braker). Das ist doch fast schon ein Signal für den Wechsel von Growth zu Value. Natürlich alles unter Vorbehalt.

Sollte sich die Impfstoffgeschichte als valide erweisen, könnte man sich schon einmal auf eine gigantische Branchenrotation einstellen. Die Börse blickt mindestens ein halbes Jahr in die Zukunft und nicht auf den Dezember.

Und es gibt weitere offene Fragen

Was machen die Investmentfonds? Hat sich die Situation für die aktiven Fondsmanager, die noch nicht investiert sind und der Benchmark hinterherrennen, nicht deutlich verschlechtert? Was tun, wenn der Impfstoff tatsächlich kommen sollte und die Notenbanken den Fuß nicht vom Gas nehmen?

Was machen die vielen Leerverkäufer, die die ganzen Loser der kommenden Jahre geshortet haben, Fluggesellschaften waren eine sichere Short-Gelegenheit? Die heutigen Kurssprünge waren sicherlich einigen Short Squeezes geschuldet.

Thema Market Timing 2.0

„Aktienmärkte: Buy and Hold – nach wie vor im Vorteil?“ habe ich erst am 21. Oktober einen Artikel überschrieben mit den Fakten über die fatalen Auswirkungen auf die eigene Performance, sollte man die besten Tage des Jahres verpassen. Dafür genügen eine Handvoll Tage, wie zum Beispiel die ersten 48 Stunden nach dem Corona-Crash, als der Dax von seinem Tief am 23. März von 8480 Punkten (Tagestief 8255)) bis zum 25. März auf 10.137 Punkte gestiegen war. Oder der gestrige Tag, wenngleich in kleinerer Dimension.

Fazit

Nach einem Kursanstieg im Dow Jones von über 2700 Punkten in der Spitze und in wenigen Tagen ist eine Korrektur überfällig. Dies hat aber weniger mit dem neuen Umfeld zu tun, sondern ist technischer Natur.

Die Impfstoffmeldung erfolgte in eine Marktlage, die schon eine gewaltige Wahlrally vollzogen hatte.

Meine persönliche Einschätzung: Die Aktienmarkttrally wird vermutlich wieder einmal beendet werden durch einen Anstieg der Kapitalmarktzinsen. Dies dürfte aber substanziell nicht schon jetzt der Fall sein. Zu dringend muss die Wirtschaft noch unterstützt werden, zu stark sind die Auswirkungen von Corona auf die Beschäftigungslage und zu groß ist noch der Anlagenotstand. Deshalb scheint eine Jahresendrally an der Börse noch nicht bedroht zu sein.

Die Börse reagiert auf die Impfstoff-Hoffnung



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