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Börse: Stimulusschecks – auf zum nächsten Sugar Rush?

In den letzten Wochen ist an den Märkten eine Bewegung entstanden, die Grundprinzipien der Börse konterkariert!

Verkehrte Welt an der Börse! In den letzten Wochen und Monaten ist an den Märkten eine Bewegung entstanden, die eines der Grundprinzipien des Börsenhandels konterkariert: Nicht die Bewertung und das künftige Wachstum von Unternehmen zählt, sondern die Organisation einer möglichst großen Anzahl an Gleichgesinnten, die sich auf billige und marktenge Titel stürzt, deren Kurs aufgrund der Nachfrage Jojo fährt.

In diesen Tagen verschicken US-Banken Millionen 1400 Dollar-Schecks aus dem American Rescue Plan. Kommt es noch einmal zum Sturm auf die Nebenwerte?

Börse und Stimulus: Wieder ein großer Zahltag für RobinHooder

Der Zusammenhang ist nachweisbar. Als die bisherigen Schecks der US-Regierung (1200 und 600 Dollar) aus den letzten Rettungspaketen die „bedürftigen und nicht bedürftigen“ US-Familien erreichten, sprangen die Umsätze an der Börse in die Höhe, besonders in den speziellen Segmenten niedrig kapitalisierter Unternehmen. „Billige“ Aktien wie GameStop, AMC oder Koss vervielfachten sich in wenigen Tagen.

Jetzt kommt das nächste Geld, auf WallStreetBets ist „Stimmy“ seit dem Wochenende das Codewort schlechthin, es ist angerichtet, „alles in GameStop“, heißt wieder einmal die Devise.

Über die Anspruchsberechtigungen hat Claudio Kummerfeld gestern schon geschrieben, aber wie will der Staat verhindern, dass die neue Generation RobinHood (Generation X oder Y) das Geld nicht zur Tilgung von Mietrückständen oder anderweitig verwendet, sondern zweckmissbräuchlich zum Zocken an der Börse, weil man eine neue Methode gefunden zu haben glaubt, rasch reich zu werden. Der anfängliche Aspekt, es den Großen und Bösen (Hedgefonds) zu zeigen, hat sich doch ganz schön schnell verflüchtigt.

Wie am 9. März in einem Artikel bereits erwähnt, sollen einer Umfrage der Deutschen Bank zufolge im Schnitt 37 Prozent von den zu erwartenden 1400 Dollar Schecks zum Handel mit Aktien verwendet werden, in etwa 170 Milliarden Dollar aus dem Konjunkturprogramm. Die Broker bereiten sich auf einen Ansturm in den kommenden Wochen vor. Denn die Kleinanleger wurden durch das Füllhorn des Staates zu einem immer wichtigeren Treiber für die Aktienmärkte.

Laut Bloomberg machen die Retailer (Privatanleger) schon 23 Prozent des US-Aktienhandels aus, doppelt so viel wie im Jahr 2019. Ein größeres Handelsvolumen als dass der Hedgefonds und Aktienfonds zusammen. Natürlich noch übertroffen durch die Hochfrequenzhändler.

Wie bei jedem Trend ist die Geldbranche flugs dabei, sich auf diesen Trend einzustellen, um davon zu profitieren, mit den schlussendlich bekannten Folgen.

New Yorker Datenfirmen checken die Redditforen in Windeseile, um die beliebtesten Aktien zu ermitteln. Was für eine Welt an der Börse: Das große Geld versucht zu eruieren, was das kleine Geld macht, so wirtschaftlich unsinnig die Trades auch sein mögen. Die Nöte einiger Hedgefonds und speziell der Shortseller haben die Branche wachgerüttelt, man versucht sich gegen manche „Unsinns-Trades“ zu wappnen.

Der „Stimmy“ könnte viele Unerfahrene wieder in GameStop und Co treiben, zum einen um erlittene Verluste zu begleichen und schließlich geht es um ein Geschenk des Staates mit dem man riskanter umgeht, aus psychologischer Sicht – also der nächste Hype ante Portas?

Die Finanzbranche setzt auf den Trend

Wie es in der Finanzbranche üblich ist, sobald sich ein neuer Trend an der Börse abzeichnet, versucht man daran zu partizipieren, sprich Anlageprodukte zu kreieren – uneigennützig zum Wohle des Kunden!

Seit Monatsanfang existiert bereits ein Exchange Traded Fund mit 75 der am meisten in den sozialen Medien erwähnten Aktien. Mit monatlich wechselnden Titeln. Das Limit liegt bei fünf Milliarden Dollar als Untergrenze in der Marktkapitalisierung, noch eine Hürde, aber bald?

Wieder einmal dabei, der Sportwetter Dave Portnoy, dem das neue Produkt ausgesprochen gut gefällt.

Doch damit nicht genug: Ein neues ETF zeichnet sich ab mit der Bezeichnung FOMO (in Anlehnung an Fear of Missing out, selten war ein Name zutreffender) will man nicht nur in die gehypten Aktien investieren, sondern auch in Derivate und SPACS (die teilweise sehr wertlosen Hüllen). Noch ist das Produkt nicht zugelassen.

Bewertung: Jetzt gibt es tatsächlich schon Produkte, die aus einer teilweise manipulierten Welt der sozialen Medien zusammengestellt werden, wo nicht nach dem Geschäftsmodell von Aktien gefragt wird, sondern wo es dem Käufer von Aktien nur um die Gewissheit geht, dass er seine Aktien zu einem höheren Preis an einen anderen weiterverkaufen kann. Wie alt ist dieses Muster schon, in neuer Auflage in einer digitalisierten Welt? Geht so lange gut, bis der Geldstrom abreißt.

Fazit

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass der Aktienmarkt in manchen Segmenten immer wieder entartet, so dürften die Jahre 2020/2021 später einmal wieder als Beispiel gelten. Wenn sich Aktien ohne tragfähige Geschäftsmodelle nur durch ein „noch“ legitimes Frontrunning oder Pump&Dump verzehnfachen, so wie bei GameStop.

Die Renditequelle der Aktien sind langfristig aber immer die Gewinne der Unternehmen, wenn diese sich nicht einstellen, stürzen die Kurse ab, die Aktien scheiden zunächst aus den Indizes und dann aus dem Markt aus.

Da zählt auch kein großer Name wie General Electric, Nokia oder Exxon.

Jetzt glauben die neuen Anleger, man könne dieses System aushebeln, indem man geschickt Nachfrage erzeugt. Ein Ponzi-Schema, bei dem es ein paar Gewinner, aber sehr viel mehr Verlierer geben wird. Das Lockmittel sind die hohen Aktienkurse und die riesigen Gewinne einzelner, die im Netz kommuniziert werden.

Der nächste Schub dürfte anstehen, bis das Geld ausgeht, der „Stimmy“ könnte der letzte sein, bei vielen Werten dürften bald diejenigen fehlen, die noch einen höheren Preis zu zahlen bereit sind oder dies auch können. „Auf der Party tanzen, so lange die Musik spielt, aber immer der Nähe des Ausgangs“, dieser schon legendäre Spruch der Börse, hat schon öfters in ein Debakel geführt, zumindest bei speziellen Werten und Branchen.

Ohne Spekulation verteufeln zu wollen: in vielen Fällen gilt an der Börse wieder einmal „Gier frisst Hirn“ – in der 398. Auflage.

Nächster Hype an der Börse wegen den nächsten Stimulusschecks?



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