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Börse: Über Erwartungen – und die aktuellen Lieferengpässe

Börse, Erwartungen, Lieferengpässe

Es ruft immer wieder Erstaunen hervor und es ist doch so typisch für die Börse: Da meldet ein Unternehmen Rekordergebnisse, die weit über den vorherigen Schätzungen liegen, gibt sich beim Ausblick aber zurückhaltend aufgrund der Lieferengpässe. Ergebnis: Ein deutlicher Abverkauf, es zählt die Zukunft.

Das alte Thema: Börse bewertet Zukunft

Dennoch scheitern immer wieder Viele an der Börse, weil sie Kursveränderungen misstrauen, es kann doch nicht sein, dass…!

In den meisten Fällen kommen dann die Unternehmenszahlen, die die vorherigen Kursbewegungen bestätigen. Wenn nicht, wird dies sofort abgestraft, außer es gibt neue zukünftige Aspekte, die die Marktteilnehmer nicht auf dem Schirm haben konnten.

Grund für die Vorwegnahme der Ergebnisse bei großen Titeln (nicht bei spekulativen Nebenwerten oder bei Aktien mit einer Fangemeinde wie Tesla) sind die vielen Firmeninsider, die zugleich Aktionäre sind. Wie viele Mitarbeiter bei Volkswagen oder Siemens besitzen und handeln Papiere des eigenen Unternehmens! Sicher gibt es für Vorstände klare Regeln, aber selbst der Pförtner in einem Industrieunternehmen erkennt am zu- oder abnehmenden Zulieferverkehr, ob sich die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens verändert.

Vor wenigen Tagen hat man bei BMW wieder einmal gesehen: Nach einem Verlust von 666 Millionen Euro im Vorjahresquartal wurde jetzt ein Gewinn von 4,8 Milliarden Euro gemeldet.

Aber es waren diese Worte vom BMW-Chef Zipse, die die Börsenreaktion auslösten: „Aufgrund diverser Risiken wie der Rohstoffpreise und Halbleiterversorgung dürfte das zweite Halbjahr für die BMW Group jedoch volatiler werden.“

Vorbei war es mit einem Kursanstieg, die Aktie gab im Tagesverkauf um fünf Prozent nach. Wie der SAP-Effekt im vergangenen Jahr. Das IT-Unternehmen meldete damals einen Rekordgewinn, senkte aber die Gewinnerwartungen für die kommenden Jahre um wenige Prozent. Das Resultat war ein Kurseinbruch von 20 Prozent.

Es geht um das Delta der Erwartungen: Die Börse blickt in der Regel sechs bis 12 Monate in die Zukunft und da beginnt das Problem, sollte man den Versuch wagen, die Märkte zu timen.

Aktuelles Wachstum, dauerhaft?

Für die USA erwartet sogar der internationale Währungsfond ein Wachstum von 7 Prozent in diesem Jahr und von 4,9 Prozent in 2022. Aber wie realistisch ist so etwas, wenn sich die Effekte der Stützungsmaßnahmen durch die Regierung plus die der Notenbanken in Bälde abnutzen – Stichworte Helikoptergeld, Tapering?

Misstraut man bei vielen Unternehmen nicht bereits den Kursanstiegen und gibt es selbst bei gigantischen Ergebnissen keine Gewinnreaktionen? Selbst bei den FANGMA-Titeln oder bei Caterpillar, dem Frühindikator auf die Weltkonjunktur? Gar nicht zu reden von den Einkaufsmanagerindizes, vor allem in China, dem bisherigen Antreiber der Weltwirtschaft.

Aktuelle Engpässe, dauerhaft?

Keine Stunde vergeht, in der nicht Meldungen über die Ticker laufen, über Lieferengpässe bei Produkten jedweder Art. Insbesondere im Automobilsektor bei den so dringend benötigten Chips. Die Branche spricht von Verzögerungen von 9-12 Monaten, aber was bedeutet dies für die Börse, die eine Vorlaufzeit hat von bis zu einem Jahr? Sicher ist die Situation im Automobilbau eine Besonderheit durch den Umbau der Antriebssysteme, aber ansonsten? Werden sich die Produzenten nicht mit allen Kräften um Produktionsausweitungen bemühen, wann wird man je wieder so viel Geld verdienen können?

Beispiel Containerschifffahrt: Wie lange werden sich Preise von weit über 10.000 Dollar für einen Standardcontainer auf bestimmten Strecken noch halten können? Die Redereien weltweit werden alle Hebel in Bewegung setzen, um von der Nachfrage zu profitieren.

Daher sprach Hapaq Lloydchef, Rolf Habben Jansen, immerhin die fünftgrößte Reederei weltweit, vor Kurzem schon von einer Besserung der Lage in den Spätherbst hinein.

Lieferengpässe forever? Sicher nicht. Ist es der Wissenschaft sowie der Pharmaindustrie nicht gelungen, innerhalb von eineinhalb Jahren Impfstoffe gegen Covid-19 zu entwickeln und für bereits über zehn Milliarden Dosen Produktionszusagen abzugeben? Und über vier Milliarden Impfdosen zu verabreichen, mit all der Logistik. Und da sollen andere Produktionsketten in der heutigen Zeit auf Jahre gestört sein?

Hierzu eine aktuelle Aussage des Chefs der Deutschen Post bei der Vorlage der Quartalszahlen: „Das Wachstum wird sich bis zum Jahresende wieder normalisieren.“ Auch das spricht gegen dauerhafte Lieferengpässe!

Fazit

Die aktuelle Gemengelage ist zugleich spannender und verwirrender denn je. Dennoch gibt es weiterhin kaum größere Kursbewegungen bei den Indizes mit den immer gleichen Themen: Inflation, Federal Reserve, Tapering, Delta-Variante und das Reopenig.

Anscheinend sind die aktuellen Wirtschaftsmeldungen für die Börse ziemlich irrelevant, fast schon wie sie es vor einem Jahr gewesen sind. Wir sind mit dem Versuch von über 150 Staaten dieser Welt wieder auf Normalisierung zu schalten in eine Situation geraten, die temporär äußerst ungewöhnlich ist!

Die Börse ist dabei ständig bemüht, die kommenden Entwicklungen einzupreisen, mit all den Irrtümern, den Unwägbarkeiten, aber immer noch besser als irgend ein Individuum dazu auf Dauer imstande wäre. Anscheinend kommt doch stets ein Gleichgewicht zwischen Positiv- und Negativfaktoren heraus.

Kriegen wir 2021 eine Phase der Stagflation – oder beschleunigt sich das Wachstum wieder? Was machen die Kapitalmarktzinsen, wenn die Fed versuchen wird, ihre Anleihekäufe zu reduzieren oder gar Zinsanhebungen zu kommunizieren? Wie geht das große Experiment der Notenbanken weiter, die 20 Billionen Dollar ins System gespült haben? Was macht die Börse mit dieser Gemengelage im Jahr 2022? Unpredictable for today. Erwartungen sind dafür da, um geändert zu werden..



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