Indizes

Börsenfinale 2021: Rekordhochs in den letzten Handelsminuten des Tages

New Yorker Börse

Es sind nur noch ein paar Stunden im Börsenhandel 2021, für die Amerikaner wie immer einige mehr und damit geht ein Jahr zu Ende, welches schon außergewöhnliche Anomalien aufzeigt. Sowohl in den USA als auch in Europa kletterten einige Indizes zweistellig, obwohl die Mehrzahl der Aktien Abgaben erleiden mussten. Der marktbreite S&P 500 schaffte am gestrigen Tag in der letzten Handelsstunde ein knappes Plus, was dem Index nun auf ein Jahresplus von fast 30 Prozent bringt. Speziell in den USA machen sich aber unter der Oberfläche der Indizes Veränderungen bemerkbar, die im Jahr des monetären Klimawandels erst recht an Bedeutung gewinnen könnten. Hierzu ein paar Gedanken, in einer recht nachrichtenarmen Zeit.

Ein Chart sagt mehr als tausend Worte

In der Grafik wird die Entwicklung des Nasdaq im Vergleich zu Cathie Woods Spezialfonds ARK Innovation ETF dargestellt, die aufzeigt, dass sich bereits seit Frühjahr 2021 eine Änderung der Investmentlage ergeben hat. Der Technologieindex Nasdaq lief in Schwingungen weiter nach oben, der hoch bewertete Techfonds nach unten.

Nasdaq versus ARK Innovation

Nasdaq vs ARK Innovation

Just zur Zeit des Auseinanderdriftens der Kursverläufe hatte die Inflation begonnen, über das Ziel der Fed von zwei Prozent hinauszuschießen. Damit einher geht normalerweise ein Anstieg der Kapitalmarktzinsen, der aber dadurch unterbunden wurde, dass die US-Notenbank weiterhin 120 Milliarden Dollar monatlich in die Märkte gespült hatte und damit einen Anstieg der Kapitalmarktzinsen einbremste. Diese Situation ist seit Dezember vorerst Geschichte. Wachstumswerte, deren Bewertung von niedrigen Zinsen profitieren (Abdiskontierung künftiger Gewinne) geraten unter Druck, weil die Börse zumeist Entwicklungen vorwegnimmt, die noch nicht in den Medien breitgetreten werden.

2022, die Renaissance der kleinen Werte?

Natürlich ist diese Frage zunächst einmal zu relativieren, denn mit den Small Caps sind eben nicht die hoch bewerteten kleinen Werte aus der Tech-Branche gemeint, sondern eher die vielen kleinen Value-Aktien, die zuletzt noch stark unter der Corona-Krise gelitten haben.

S&P 500 Performance

Außerdem gibt es noch das Dauerthema der Konkurrenz zwischen dem Growth- und dem Value-Sektor, Aktiengattungen, die sich langfristig in ihrer Performance, so irreal wie es nach 12 Jahren Nasdaq-Hausse auch klingen mag, ausgleichen. Zuletzt dargelegt am 6. Oktober in einem Artikel „Aktienmärkte: Dominiert Growth Value auf Dauer?“, wo ich die Analysen des amerikanischen Wirtschaftsprofessors Ken French ins Spiel brachte, der diesen Zusammenhang über viele Jahrzehnte überprüft hat. Es wäre wieder einmal an der Zeit – 2022, das Jahr des monetären Klimawandels.

Die Bankbranche mit Rekordgewinnen, dennoch mit schlechter Laune

Ein Gewinn beim Marktführer JP Morgan von fast 45 Milliarden Dollar für 2021, dazu rekordhohe Ausschüttungen für die Banker. Wäre doch ein Anlass die Sektkorken knallen zu lassen. Was der Branche sauer aufstoßen könnte, ist die Entwicklung der Zinsstrukturkurve, speziell der Differenz zwischen den zwei- und zehnjährigen US-Staatsanleihen.

Zinsspreads

Ein absolutes Warnzeichen für die Konjunktur, deshalb noch einmal den bereits gezeigten Chart. Auch für das Bankgeschäft, bei dem das Geschäft mit der Fristentransformation (kurz leihen, lang verleihen) kollabieren würde. Die Differenz hat sich am gestrigen Tag auf etwas über 0,8 Prozent verbessert. Die Rezessionen sind im Chart grau schraffiert.

Chart mit Zinsspreads

Die Tagesperfomance am Mittwoch

Der gestrige Börsentag brachte ein „arges Gezerre“, wie es von der Wall Street berichtet wurde. Viele Händler befinden sich im Urlaub, die großen Umschichtungen wurden bereits vorgenommen, nur eines klingt nahezu unglaublich: Wenn es stimmt, was Börsenreporter Markus Koch gestern aus New York berichtet hat, nämlich dass 85 Prozent der aktiven Fotos hinter der Benchmark, dem S&P 500 hinterherhinken, so gibt es übermorgen ein extrem unangenehmes Jahresfazit. Wenn man zur Rechenschaft gezogen wird, durch die Fondsgesellschaft, durch die Kunden und für Jedermann ersichtlich in den kommenden Jahresranglisten.

Sehr zur Freude für die passiven Fonds (ETFs), die ohne Timingversuche mit der Benchmark nach oben gelaufen sind. Alles Auswirkungen eines Börsenjahres, in der die Performance der meisten Aktien zum Vergessen war. Am gestrigen Tag gab es zunächst wieder kleine Gewinnmitnahmen bei den Big Seven, die fast allein schon im Alleingang für die Börsenparty 2021 verantwortlich waren. Bis sich zum Handelsende wieder das Window Dressing durchsetzte, einige der großen Titel erreichten zum Handelsende die Pluszone.

Große Aktien im Vergleich zu Small Caps

Der Anlagezwang siegte damit einmal mehr, trotz anfänglicher Abgaben. Die Schlussstände bei den Indizes brachten ein Doppel-Allzeithoch, beim Dow Jones und beim marktbreiten S&P 500.

Dow Jones: 36.489 Punkte, plus 0,25 Prozent
S&P 500: 4793 Punkte, plus 0,14 Prozent. Es wurde das 70. Allzeithoch, bei dünnsten Umsätzen und nur mit einem Punkt über dem alten Hoch.
Nasdaq: 15.766 Punkte, unverändert
Russell 2000: 2249 Punkte, plus 0,12 Prozent

Die 10-jährigen US-Staatsanleihen begannen am gestrigen Tag an zu klettern, auf 1,558 Prozent (Vortag 1,484 Prozent). Die 2-Jährigen blieben gegenüber dem Vortag fast unverändert. Was die Bankbranche ersichtlich freute, sie war einer der Gewinnersektoren im S&P 500. Der Volatilitätsindex VIX fiel wieder um 3,42 Prozent auf 16,94 Punkte. Fast eine Halbierung seit dem Monatsanfang und ein Ausdruck großer Sorglosigkeit der Investoren innerhalb der Santa Claus Rally.

Fazit

Kurz vor dem Jahresultimo sehen die Kurstafeln für die Indizes auf Jahressicht (YTD) unglaublich positiv aus, speziell für die Anleger, die in Indexfonds investiert sind. Doch bei Einzelwerten kann dies nicht behauptet werden, wer versucht hat mittels persönlicher Aktienauswahl die Benchmark zu schlagen, dürfte ein „trauriges Lied davon singen“.

Wie könnte es 2022 weitergehen?

Eines scheint ziemlich wahrscheinlich zu sein. Nach einem Jahrzehnt der Underperformance von Value zu Growth scheint ein Favoritenwechsel auf der Agenda zu stehen. Ohne jetzt weissagen zu wollen: Viele Techtitel dürften weiter Schwierigkeiten bekommen, dazu brauchen die Zinsen nur ein wenig zu steigen. Es gibt auch ein Zweites, was als ein wahrscheinliches Szenario angenommen werden kann: 2022 dürfte nicht noch einmal ein Börsenjahr werden, mit derartig niedrigen Schwankungsamplituden bei den Indizes, mit Vola-Werten unter 20, die eine ständige Sorglosigkeit der Anleger verkünden, weil man sich der Unterstützung des großen Wals aus Washington (Sitz der Federal Reserve) sicher sein konnte.

Doch genug der mittelfristigen Spekulationen. Jetzt sollte erst einmal ein Auge auf den Monat Januar geworfen werden, mit dem berühmt-berüchtigten Effekt zu Monatsbeginn. Wenngleich dieser auch Fehlsignale aussendet, liegt seine Trefferquote aber doch weit über die 50-Prozentmarke (Wie der Januar, so das Jahr). An der Börse gilt bei allen Fehlsignalen stets das Antizipatorische, die letzten Wirtschaftszahlen sind Schnee von gestern. Aber mit dem Ausstieg der US-Notenbank aus der lockeren Geldpolitik fehlt demnächst (zunächst) ein Stabilitätsanker, für einen Schwenk zurück, müsste es erst einmal deutliche Abgaben geben. Hier eine meiner Lieblingsgrafiken, die maximalen Kursabschläge beim S&P 500 in der bald 13-jährigen Hausse.

Drawdowns im S&P 500
Grafik: Advisor Perspectives

Noch einmal ein Jahr mit Korrekturen von maximal fünf Prozent (wie 2017 und 2021) sollte es im Jahr der Zinswende 2022 nicht geben.

Übersicht von Kursveränderungen



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