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Brasilien in Not – Düngemittel aus Russland fehlen

Brasilien importiert 85 Prozent seines Düngerbedarfs aus Russland

Brasilien Düngemittel

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ist um die heimische Landwirtschaft besorgt: Seitdem der so wichtige Hafen von Odessa kriegsbedingt geschlossen wurde und die Sanktionen langsam ihre Wirkung zeigen, ist der Export von Düngemitteln aus Russland und Belarus zusammen gebrochen. Beide Länder sind wichtige Produzenten und Exporteure von Düngemitteln, auf Finanzmarktwelt.de wurde bereits detailliert darüber berichtet. Brasilien importiert 85 Prozent seines Düngerbedarfs aus Russland für einen Gegenwert von 3,5 Milliarden US-Dollar.

Brasilien, Ernährer der Welt, importiert 85 Prozent seiner Düngemittel

Die Agrarwirtschaft in Brasilien nimmt eine herausragende Stellung in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas ein. Sie ist für ein Viertel des BIPs und für ein Drittel aller Arbeitsplätze landesweit verantwortlich. Der Export von Agrarprodukten, angeführt von Soja, Fleisch, Getreide und Zuckerrohr, macht die Hälfte des Außenhandels aus. Zudem ist Brasilien Weltmarktführer beim Kaffee-Export, zweitgrößter Mais-Exporteur und ein bedeutender Rohtabak-Produzent.

Brasilien ist eines der flächenmäßig größten Länder unserer Welt. Insgesamt 248 Millionen Hektar werden landwirtschaftlich genutzt – das entspricht sieben Mal der Fläche Deutschlands. Theoretisch könnte Brasilien eine Milliarde Menschen ernähren, deshalb nennt man es auch „Ernährer der Welt“. Das Land importiert einen Großteil seines Düngerbedarf aus Russland und Belarus und steht nun vor großen Engpässen.

Brasiliens Verhältnis zum Ukraine-Krieg ist dadurch nicht frei von Zwängen. Obwohl es die UN-Resolution gegen Russland unterstützt hat, sprach sich der brasilianische UN-Botschafter, Ronaldo Costa Filho, gegen Sanktionen und Waffenlieferungen aus. Präsident Jair Bolsonaro, der noch eine Woche vor Kriegsausbruch in Moskau zu Gast war, hatte Anfang März erklärt: „Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine werden wir keine Partei ergreifen.“ Seine Neutralität begründete er mit ökonomischen Interessen, da er durch die Sanktionen für Brasilien massive Schäden in der Landwirtschaft befürchtet. Laut Brasiliens Verband für Düngemittel-Logistik reichen die aktuellen Düngervorräte noch für drei Monate und wirken sich somit erst für die Ernte im September und Oktober aus.

Umstrittenes Bergbau-Gesetz zur Ausbeutung der Gebiete indigener Völker

Nun versucht Bolsonaro, ein seit langem umstrittenes Bergbau-Gesetz im Parlament durchzupeitschen, mit dem er den verbotenen Bergbau in den Gebieten der indigenen Völker legalisieren würde. Bolsonaro nutzt die aktuelle Ukraine-Krise und behauptet, in genau diesen Gebieten die nötigen Rohstoffe zu finden, die Brasilien in die Lage versetzen würden, seine eigenen Düngemittel zu produzieren.

Die Folgen für die Umwelt und die indigenen Völker wären katastrophal, befürchten Umweltschützer. Vor allem liegen die bekannten Vorkommen, mit denen Brasilien tatsächlich seinen eigenen Düngerbedarf decken könnte, außerhalb dieser Gebiete. Mit dem Gesetz wäre aber in ganz Brasilien Bergbau ohne Einschränkungen möglich. Der Präsident hatte den Gesetzesentwurf bereits 2020 unterzeichnet. Das brasilianische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Abgeordnetenkammer und dem Bundesenat. Nun soll in einem Eilverfahren erst die Abgeordnetenkammer, und im Anschluss der Senat abstimmen, dann würde das umstrittene Gesetz in Kraft treten.

Präsident Bolsonaro ist offenbar kein Anhänger des Umweltschutzes. Umweltschützer hingegen möchte er, wenn er könnte, „am liebsten direkt in das Amazonas-Gebiet verbannen“. Aber so wie der Mensch schon seit Anbeginn seiner Geschichte gegen seinesgleichen Krieg führt, so tut er dies auch immer wieder gegen die Natur. Bis sie vermutlich irgendwann zurückschlägt. Letztes Jahr war es soweit. Auf die große Trockenperiode in 2021 folgte eine starke Frostperiode, die insbesondere im Kaffeeanbau breite Verwüstungen angerichtet hat. Manche Anbaugebiete fallen für ein bis drei Jahre aus, solange braucht die Kaffeepflanze, bis sie sich wieder regeneriert haben.

Wie reagieren die Agrar-Future-Märkte auf die Entwicklung?

Der Weizenpreis hat unmittelbar nach Kriegsbeginn einen raketenartigen Anstieg vollzogen und seinen alten Höchststand aus 2008 um ein paar Dollar übertroffen, seitdem korrigiert der Markt auf hohem Niveau. Seit Anfang 2022 gerechnet liegt der Weizenpreis satte 42 Prozent im Plus.

Der Maispreis reagierte erst etwas später auf den Krieg, steigt aber ebenfalls kontinuierlich an. Seit Jahresanfang summiert sich der Zugewinn auf beachtliche 31 Prozent. Insbesondere der Weizenpreis birgt eine Menge politischen Sprengstoff, hat er doch indirekt so manche Revolution ausgelöst. Eine der Hauptforderungen des arabischen Frühlings war, neben Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, günstiges Brot. Aktuell liegt der Weizenpreis auf dem Niveau von 2008, dem Jahr des arabischen Frühlings. Solange aber Russland, die Ukraine und Belarusse vom Weltmarkt ausgeschlossen sind, wird der Weizenpreis wohl weiter steigen. Auch der wird nun mal durch Angebot und Nachfrage gebildet – und bei Weizen wird es schwierig, die Nachfrage zu senken.

Beim Maispreis wird die Entwicklung ähnlich verlaufen, der fehlende Dünger wird sich auf die Ertragskraft auswirken und beide Rohstoffe weisen gerade auf lange Sicht klare Kursparallelen auf. Auch hier steht die Wirksamkeit der von der Weltgemeinschaft beschlossenen, in diesem Umfang noch nie erhobenen Sanktionen im Raum. Entweder man ist sich der Konsequenzen in keiner Weise bewusst oder es gleicht dem Versuch, ein Chaos durch ein noch größeres Chaos ersetzen zu wollen. Selbst wenn man Weizen- oder Düngemittel-Exporte zuließe und aus der Sanktionsliste streicht, wäre dies so, als wolle man einen Staudamm-Bruch mit ein paar Sandsäcken flicken. Die Exporthäfen sind zum Teil zerstört, die nötige Transport-Infrastruktur aus Straßen, Brücken und Bahnschienen ebenfalls, die Aussaaten sind ungewiss, die Felder und Betriebe kriegsbedingt in Mitleidenschaft gezogen – und das ist sicher nur die Spitze des Eisberges. Alleine der Zahlungsfluss ist durch den Ausschluss der Russischen Notenbank aus dem SWIFT nur unter enormen Umständen und Umwegen möglich.

Weizen und Mais Düngemittel Brasilien
Grafik: Weizen und Mais seit Jahresanfang 2022

Kaffee-Preis Anstieg noch moderat, Sojapreis kurz vor neuen Höchstständen

Der Sojapreis nähert sich seinem Höchststand aus 2012, damals notierte Soja bei 1789 US-Dollar, aktuell steht der Preis bei 1682. Soja, oder genauer, Sojamehl und Sojaschrot, werden hauptsächlich in der Tierfutterproduktion eingesetzt. Und damit sind nicht die kleinen bunten 80g Katzenfuttertütchen gemeint, sondern die industrielle Fütterung in der Massentierhaltung. Über 90 Prozent des Anbaus wird hierfür verwendet, aus den restlichen 10 Prozent werden Milch, Joghurt, Tofu oder Speiseöl hergestellt. Der Sojapreis übt somit indirekt einen Kostendruck auf Rindfleisch und alle weiteren tierischen Produkte aus.

Sojabohnen
Grafik: Soja-Bohnen seit 2007

Kaffee ist sicherlich kein Grundnahrungsmittel und bei weitem nicht so brisant wie Weizen, Mais oder Soja. Seit 2021 ist der Preis von 120 US-Dollar auf jetzt 276 US-Dollar gestiegen. Da sich fehlende Düngermittel auf die Ertragsmengen nachteilig auswirken, ist auch hier mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kaffee-Preis an den internationalen Terminmärkten weiter nach oben klettert.

Kaffee und Düngemittel Brasilien
Grafik: Arabica Kaffee seit 2011

Zuckerpreis im Steigflug

Brasilien ist ein wichtiger Zuckerrohr-Produzent. Für den Anbau werden ebenfalls große Mengen Düngemittel verwendet. An den Terminbörsen werden zwei unterschiedliche Zuckerkontrakte gehandelt. Der Sugar No.16 ist der Zuckerpreis in den USA, der Zucker No.11 bildet den internationalen Zuckerpreis ab.

Zucker
Grafik: Zucker No.11 seit 2015

Fazit

Weiter steigende Agrar-Rohstoffpreisen sind wahrscheinlich, mit allen Konsequenzen für die Stabilität einiger Länder, die auf Lebensmittelimporte angewiesen sind. Dieser Trend ist nicht so leicht aufzuhalten, da sich fehlende Düngemittel, die kurzfristig nicht zu ersetzen sind, auf die zukünftige Ertragskraft auswirken und somit weiteren Druck auf die Preise ausüben können.

Kursdaten aus https://de.tradingview.com

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1 Kommentar

  1. Ja- dort wird etwas eher angesät, als in Europa.
    Mal sehen was die deutschen Bauern machen werden.
    Ansäen ohne ausreichenden Dünger, und nur 60 bis 70% ernten, bei gleichen Kosten, oder überhaupt nicht ansäen, um Verluste zu vermeiden.
    Oder gleich BIO, und nur noch etwa 50% ernten.
    Kommt nicht Futtermittel aus Brasilien?
    Da wird es wohl die Schweineställen einsam werden.
    Aber vielleicht sind dann ja die wenigen Schweine glücklicher.
    Solange der Kunde beim Fleischer auch glücklich ist über die Preise, ist alles doch kein Problem.
    Pizza geht such ohne Salami.
    Wenn dann noch genug Gas für die Fabriken da ist.
    Pizza zu Hause geht doch auch, und wärmt auch die Wohnung.
    Wenn genügend Strom oder Gas vorhanden sind.
    Was kostet dann wohl der Strom für eine selbstgemachte Pizza?
    Wir werden es im nächsten Winter hautnah erfahren.
    Oder Gänsehautnah?
    Viele Grüße aus Andalusien Helmut

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