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Brexit: Gut für City of London, schlecht für den Rest der Insel?

FMW-Redaktion

Die britische Kampagne „Leave.EU“, die mit voller Kraft für einen Austritt Großbritanniens aus der EU trommelt (Brexit), dreht ein ganz großes Rad! Jetzt veröffentlichte sie eine Denkschrift (Aufruf, Studie, Analyse, wie immer man es nennen will). Dabei geht es um das wirtschaftlich wichtigste Gut Großbritanniens, die Londoner Finanzindustrie genannt „City of London“.

Brexit David Cameron
Brexit? David Cameron riskiert viel. Foto: UK Prime Minister´s Office / Wikipedia (OGL)

Leave.EU möchte mit den Ängsten und Bedenken aufräumen, dass ein Brexit der City of London schaden würde, weil Geschäft aus London abwandern könnte. Die Bedrohung für den Finanzplatz London komme nicht aus Frankfurt oder Paris als Konkurrenten, sondern von Konkurrenten wie Singapur und Hong Kong, weil dort die Regulierung lascher ist, so darf man es verstehen. Die EU-Regulierungen und ständig ändernden Gesetze würden die City of London ersticken und bremsen, um es mal so zusammenzufassen. Zitat:

„The critical factors are business culture, critical mass, skilled labour availability, rule of law and economic stability and stable but moderate regulation. London meets this criteria, no other EU centre comes close and will not do so following BREXIT. So long as the UK continues to adopt a global, stable regulatory and taxation regime the threat to London’s globally dominant position will not come from Frankfurt or Paris, but from Hong Kong, Singapore and New York. Indeed the risk to London’s position comes from remaining within the EU.

The need for financial regulation to preserve the failing Eurozone, financial taxation such as a transaction tax and constant changing of the rules is the primary risk to the City’s prosperity. Indeed BREXIT is very likely to breathe even more life into UK financial services as the UK Government can adopt policies to help this critical industry flourish. The EU, fixated with the Euro’s problems has no such incentive, it has singularly failed to grow its own financial services market and Eurozone share of global financial services is in steady decline.“

Die britische Finanzindustrie sei unbeeindruckt von einem Brexit, im Gegensatz zu den Bedenken weniger. Auch nach dem Brexit werde der britische Finanzsektor eine dominierende Rolle einnehmen, Zitat:

„There should be little doubt that the City would continue to dominate outside the European Union, just as it did back in the 1920’s when Sterling ceased to be the world’s global reserve currency.“

Wie erfolgreich UK insgesamt und die City of London außerhalb der EU wirklich sein können, würde davon abhängen, auf welche Art und Weise die EU und Großbritannien als Nicht EU-Mitglied zukünftig nebeneinander existieren würden. Es gibt nämlich vielfältige Arten der Kooperation wie Zollfreiheit, freier Wirtschaftsverkehr, oder eine strikte Trennung. Entscheidend wird für die City of London sein, ob die EU ihren Banken brutale Zockereien in London (also außerhalb der EU) einfach so erlauben wird? Denn genau das könnte passieren – direkt vor der Haustür „können wir endlich wieder auf den Putz hauen“, ohne die nervigen Kontrolleure aus Brüssel. Die neu geschaffene EU-Bankenaufsicht könnte Banken mit Hauptsitz innerhalb der EU aber strenge Auflagen machen, welche Risiken ihre Tochtergesellschaften „außerhalb“ der EU tätigen dürfen und welche nicht. Umgekehrt könnten britische Banken, die in der EU tätig sein wollen, extrem streng durch die EU-Bankenaufsicht reguliert werden, was der City schaden könnte. Es hängt also stark davon ab wie Brüssel und London zukünftig nebeneinander existieren wollen.

Wahrscheinlich aber ist, dass die City of London eher Gewinner als Verlierer des Brexit ist, weil man im globalen Wettbewerb mit Singapur und Co. wieder richtig Gas geben kann – auf einen Schlag kann man die ganze nervige Brüsseler Aufsicht über die Finanzindustrie einstampfen und sich selbst zu einer Art totalem Offshore-Markt werden, schön unreguliert – dadurch zieht man wieder jede Menge Spekulation und Hebel-Geschäfte an. Kurz- und mittelfristig bringt das gute Geschäfte und höhere Steuern für UK, langfristig aber würde die nächste große Finanzkrise die für sich allein stehende Insel zerschießen – denn kein Brüssel und keine Europartner wären da für eine Rettung. Kaum vorstellbar, dass eine deutsche Bundesregierung oder eine EU-Kommission ihren Bürgern verkaufen könnte, dass man dem selbst ausgetretenen Großbritannien finanziell unter die Arme greifen sollte bei einer Krise.

Der große Verlierer eines Brexit wäre wohl der „Rest“ von Großbritannien, also alles um den Londoner Finanzdistrikt herum. Egal wie liberal EU und UK ihre Zusammenarbeit gestalten. Für sich allein würde Großbritannien als Volkswirtschaft in der globalen Bedeutungslosigkeit verschwinden. Zu dem Thema Brexit hatten wir uns grundsätzlich schon einmal geäußert. Abgesehen von den langfristigen Folgen wäre es für die EU und ihre Mitglieder ein großes Aufatmen, dass der ewige Störenfried Großbritannien endlich weg ist – zugeben wird das wohl kaum ein Staatschef, aber hinter vorgehaltener Hand wäre die Erleichterung groß, weil UK eher in der EU Mitglied ist um Dinge bremsen zu können, und nicht um zu gestalten. Auch in Großbritannien selbst scheint der Anteil der Bevölkerung pro Brexit immer weiter zu wachsen. Noch ist das eine rein gefühlte Annahme, aber schon in wenigen Monaten sind wir aller schlauer. David Cameron wird wohl ja nach Antwort seiner EU-Partner auf seine Reform-Forderungen schon im Sommer oder Herbst 2016 für die Bürger in Großbritannien die Wahl bzgl. Austritt aus der EU abhalten lassen.

Hier zur kompletten Mitteilung von Leave.EU zum Thema City of London.




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2 Kommentare

  1. hi,

    wie wird denn kurz vor – einem BREXIT und wenn Brexit kommt – dann – mit DAX und EUR/GBP ausschauen?

  2. Hallo,
    wurde hier etwas oberflächlich recherchiert? eine suche nach – city of london der mächtigste staat wolfgang berger – zeigt eine ganz andere macht- resp abhängigkeits-struktur auf…

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