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Brexit-Zugeständnisse? Nein! EU mit weiteren Maßnahmen für harten Brexit

Das britische Parlament schickt Theresa May nun erneut nach Brüssel um ihren Brexit-Deal nachzuverhandeln. Wir hatten heute schon darüber berichtet. Und, wird man sie in Brüssel mit offenen Armen begrüßen und alle Details neu durchverhandeln? Natürlich nicht. Sicher, es wird ein leckeres Mittagessen und einen netten Sektempfang geben. Mehr aber auch nicht.

Die heutige Veröffentlichung der EU-Kommission zum Thema Brexit beinhaltet nicht etwa eine offene, aufgeschlossene Reaktion auf die gestern Abend getroffenen Entscheidungen des britischen Parlaments. Nein, die EU-Kommission präsentiert heute weitere Vorbereitungen, damit die EU-Mitgliedsstaaten und Bürger auch gut vorbereitet sind auf einen harten Brexit. Dies ist der knallharte Austritt der Briten aus der EU, ohne jeglichen Handelsvertrag, aber mit Grenzen, Zöllen, Visa-Pflicht usw. Hier die EU-Kommission im Wortlaut:

Da es zunehmend wahrscheinlicher wird, dass das Vereinigte Königreich die EU am 30. März dieses Jahres ohne eine Vereinbarung verlassen könnte („No-Deal-Szenario“), hat die Europäische Kommission heute letzte Notfallvorschläge für das Programm Erasmus+, die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und den EU-Haushalt verabschiedet.

Im Vorfeld hatte der Europäische Rat (nach Artikel 50) im November und Dezember 2018 dazu aufgerufen, die Vorsorge im Hinblick auf die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs auf allen Ebenen zu intensivieren. Zudem erfolgte am 19. Dezember 2018 die Annahme des „Aktionsplans für den Notfall“ der Kommission, der mehrere legislative Maßnahmen umfasst, sowie der Notfallvorschläge, die in der letzten Woche für die EU-Fischereiwirtschaft vorgelegt wurden. Damit werden die umfangreichen Vorsorgemaßnahmen ergänzt, die die Kommission seit Dezember 2017 in Angriff genommen hat (siehe frühere Mitteilungen über Vorsorgemaßnahmen).

Durch die heute vorgestellten Maßnahmen soll im Falle eines ungeregelten Austritts Folgendes gewährleistet werden:

– Junge Menschen aus der EU und aus dem Vereinigten Königreich, die am 30. März 2019 am Programm Erasmus+ teilnehmen, können ihren Aufenthalt ohne Unterbrechung abschließen.

– Die Behörden der EU-Mitgliedstaaten berücksichtigen bei der Berechnung von Sozialversicherungsleistungen wie Renten auch in Zukunft die im Vereinigten Königreich vor dem Austritt aufgelaufene Versicherungs-, (auch als Selbstständiger erworbene) Erwerbstätigkeits- oder Aufenthaltszeiten.

– Empfänger von EU-Mitteln im Vereinigten Königreich sollen auch künftig Zahlungen im Rahmen ihrer laufenden Verträge erhalten, sofern das Land weiterhin seinen finanziellen Verpflichtungen hinsichtlich des EU-Haushalts nachkommt. Diese Frage ist getrennt von einer künftigen Finanzregelung zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich zu betrachten.

Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahmen die Gesamtauswirkungen eines No-Deal-Szenarios nicht abfedern werden bzw. abfedern können. Ebenso wenig können dadurch unzureichende Vorbereitungen ausgeglichen werden. Es wird auch nicht möglich sein, sämtliche Vorteile einer EU-Mitgliedschaft oder die günstigen Bedingungen für einen Übergangszeitraum – so wie im Entwurf des Austrittsabkommens vorgesehen – nachzubilden.

Die heute präsentierten Vorschläge sind zeitlich befristet, von begrenzter Tragweite und werden einseitig von der EU angenommen. Die mit den Mitgliedstaaten geführten Gespräche sind darin eingeflossen. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten weiterhin bei ihren Vorbereitungen unterstützen und sie hat ihre Anstrengungen verstärkt, indem sie beispielsweise Besuche aller Hauptstädte der verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten organisiert.

Schutz der Rechte von Erasmus+-Teilnehmern

Erasmus+ ist eines der Vorzeigeprogramme der EU. Am 30. März dieses Jahres werden sich dank Erasmus+ 14 000 junge Menschen aus den übrigen EU-Mitgliedstaaten (Studierende, Praktikantinnen und Praktikanten in der Hochschulbildung sowie in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, Auszubildende in der Jugendarbeit sowie Lehrkräfte) im Vereinigten Königreich befinden. Umgekehrt werden sich 7000 Erasmus+-Teilnehmer aus dem Vereinigten Königreich in der EU der 27 aufhalten. Falls keine Austrittsvereinbarung erzielt wird, könnten sie ihren Erasmus+-Aufenthalt nicht abschließen und eventuell kein Stipendium mehr erhalten. Mit dem heute präsentierten Vorschlag soll Abhilfe geschaffen werden. Für Erasmus+-Studierende und -Praktikanten, die sich zum Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs im Ausland aufhalten, soll bei diesem Szenario gewährleistet sein, dass sie ihren Studienaufenthalt abschließen und weiterhin ihr Stipendien und sonstige Zahlungen beziehen.

Sozialversicherungsansprüche wahren

Die Kommission hat stets deutlich gemacht, dass ihr die Rechte der EU-Bürgerinnen und Bürger im Vereinigten Königreich und die der Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs in der EU sehr wichtig sind. Sie sollten nicht den Preis für den Brexit zahlen. Mit dem heute vorgelegten Vorschlag soll sichergestellt werden, dass bei einem Austritt ohne Abkommen die Ansprüche der Personen, die ihr Recht auf Freizügigkeit vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs ausgeübt haben, gewahrt werden. Dazu gehören vor dem Austritt des Vereinigten Königreichs aufgelaufene Versicherungs-, (auch als Selbstständiger erworbene) Erwerbstätigkeits- oder Aufenthaltszeiten. Wenn beispielsweise ein Bürger aus den übrigen 27 Mitgliedstaaten vor dem Brexit 10 Jahre lang im Vereinigten Königreich gearbeitet hat, sollte dieser Zeitraum bei der Berechnung seiner Rentenansprüche von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem er in den Ruhestand geht, berücksichtigt werden.

Mit dem Verordnungsentwurf wird sichergestellt, dass die Mitgliedstaaten auch künftig die Grundprinzipien der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der EU (Gleichbehandlung, Gleichstellung von Leistungen und Zusammenrechnung von Versicherungszeiten) anwenden. Der vorliegende Vorschlag kann jedoch in keiner Weise die erheblichen Vorteile des am 14. November vereinbarten Austrittsabkommens nachbilden. Er gilt weder für nach dem 29. März 2019 erworbene Rechte, noch deckt er die Exportierbarkeit von Geldleistungen, die fortlaufende Bereitstellung von Sachleistungen bei Krankheit und die Bestimmungen zu den anwendbaren Rechtsvorschriften ab.

Schutz der Empfänger von EU-Mitteln

Wie bereits mehrfach betont wurde, sollten alle von den 28 Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen auch von den 28 Mitgliedstaaten eingehalten werden. Dies gilt auch für ein No-Deal-Szenario: In einem solchen Fall würde vom Vereinigten Königreich erwartet, dass es weiterhin alle während seiner EU-Mitgliedschaft eingegangenen Verpflichtungen einhalten würde.

Durch diesen Vorschlag wird die EU in die Lage versetzt, bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs ohne Abkommen ihren Verpflichtungen nachzukommen und bei vor dem 30. März 2019 unterzeichneten Verträgen bzw. getroffenen Entscheidungen auch im Jahr 2019 Zahlungen an Begünstigte im Vereinigten Königreich zu leisten, sofern das Vereinigte Königreich seinen Verpflichtungen gemäß dem EU-Haushalt für 2019 nachkommt und die erforderlichen Rechnungsprüfungen und Kontrollen akzeptiert. So könnten die erheblichen Auswirkungen eines No-Deal-Austritts auf eine Vielzahl von Bereichen, die mit EU-Mitteln gefördert werden, wie Forschung, Innovation oder Landwirtschaft, abgemildert werden.

Die Frage einer Finanzregelung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in einem Szenario, bei dem keine Einigung erzielt wurde, ist gesondert zu betrachten.

Die nächsten Schritte

Die Europäische Kommission wird eng mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zusammenarbeiten, um die Annahme der vorgeschlagenen Rechtsakte sicherzustellen, damit diese bis zum 30. März 2019 in Kraft treten. Die Kommission weist ferner das Europäische Parlament und den Rat darauf hin, dass es wichtig ist, dass delegierte Rechtsakte so rasch wie möglich in Kraft treten.

Brexit
© European Union, 2017 / Source: EC – Audiovisual Service / Photo: Mauro Bottaro



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