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Bundesbank-Weidmann hat Recht – die Solvenz der EU-Staaten zu erhalten ist nicht Aufgabe der EZB

Von Claudio Kummerfeld

Jens Weidmann, Bundesbank-Chef, hat gestern mal wieder Klartext gesprochen, und er hat Recht mit seiner Kritik an der EZB. „Das Mandat des Eurosystems lautet, Preisstabilität im Euro-Raum zu sichern. Es lautet nicht, die Solvenz von Mitgliedstaaten zu sichern, indem solche Haftungsrisiken über die Notenbankbilanz vergemeinschaftet werden“…

Jens Weidmann Bundesbank Chef EZB Rat
Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank.
Foto: Chatham House / Wikipedia (CC BY 2.0)

Wir hatten gestern bereits die wichtigsten Ausschnitte der aktuellsten Rede von Bundesbank-Chef Jens Weidmann veröffentlicht. Das oben von ihm gebrachte Zitat ist eine der Kernaussagen des gestrigen Redemanuskripts. Worum ging es? Hier ein Auszug aus seiner gestrigen Rede:

„Manch einer würde sogar sagen, dass letztlich das Eurosystem den Fortbestand der Währungsunion gesichert hat. Es wäre jedoch vorrangig die Aufgabe der Politik gewesen, dies zu tun. Am Ende des Tages gleichen die Instrumente der Notenbank auch eher Schmerzmitteln, die die Probleme vorübergehend erträglicher machen, sie aber nicht lösen und sogar mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind. Die Notenbanken haben hier gewissermaßen eine Ausputzerrolle übernommen. Und sie haben dazu Maßnahmen ergriffen, die sie in den Grenzbereich ihres Mandats führten. Ich denke dabei insbesondere an die gezielten Käufe von Staatsanleihen einzelner Krisenländer. Da die Gewinne und Verluste aus diesen Papieren zwischen den Notenbanken des Eurosystems geteilt werden, bedeuten diese Käufe ökonomisch nichts anderes als die Einführung von Euro-Bonds durch die Hintertür.“

Nach Ausbruch der Krise 2008 kaufte die EZB bereits (heute größtenteils schon vergessen) Staatsanleihen von Euro-Krisenländern auf. So was nennt man auch Staatsfinanzierung, was die EZB gar nicht machen darf. Aber (nur als Beispiel) 2010 griff man eindeutig ein, um kriselnde Eurostaaten vor dem Bankrott zu retten. Sie standen kurz davor am Anleihemarkt keine Käufer mehr zu finden, also kaufte die EZB Anleihen. Hier der entscheidende Auszug aus dem EZB-Originaltext aus Mai 2010:

„On 9 May 2010 the Governing Council decided and publicly announced that, in view of the current exceptional circumstances in financial markets, characterised by severe tensions in certain market segments which are hampering the monetary policy transmission mechanism and thereby the effective conduct of monetary policy oriented towards price stability in the medium term, temporary securities markets programme (hereinafter the ‘programme’) should be initiated. Under the programme, the euro area NCBs, according to their percentage shares in the key for subscription of the ECB’s capital, and the ECB, in direct contact with counterparties, may conduct outright interventions in the euro area public and private debt securities markets. The programme forms part of the Eurosystem’s single monetary policy and will apply temporarily. The programme’s objective is to address the malfunctioning of securities markets and restore an appropriate monetary policy transmission mechanism.

Der entscheidende Satz ist der am Ende fett markierte. Der Anleihemarkt funktionierte nicht mehr und seine Funktionalität musste wieder hergestellt werden. Und genau das gehört nun mal nicht zur Aufgabe der Europäischen Zentralbank (Staaten stützen, Staaten finanzieren).

Was ist eigentlich die Aufgabe der EZB?

Vorher ein kurzer Blick über den Teich. Die Federal Reserve, Notenbank der USA, hat neben der Preisstabilität vom Gesetzgeber auch die offizielle Aufgabe erhalten den Arbeitsmarkt möglichst gut zu unterstützen, damit die Wirtschaft möglichst viele Arbeitsplätze schaffen kann. Damit kann sie so ziemlich alles machen – aufgrund dieser Vorgabe fungiert sie in den USA de facto auch als Wirtschafts- und Finanzministerium – denn deren Chefs kennt in den USA niemand – sie werden verständlicherweise nicht beachtet, da ihre Arbeit größtenteils von den Fed-Entscheidungen überdeckt wird.

Ganz anders in Europa, genauer gesagt in den Ländern, die den Euro als Währung haben. Die EZB hatte bei ihrer Gründung als Kernaufgabe die Leitlinie der Deutschen Bundesbank übernommen. Kernaufgabe der Notenbank der Eurozone ist es die Preisstabilität zu gewährleisten. Nebenbei darf die EZB auch die Wirtschaftspolitik der EU fördern, hier der Originalauszug der EZB-Satzung:

„Das vorrangige Ziel des Eurosystems ist in Artikel 127 Absatz 1 des AEU-Vertrags festgelegt: Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken (im Folgenden ,ESZB‘) ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Weiter heißt es dort: Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen.“

Argumentativ leitet die EZB daraus auch die Rechtfertigung ab, dass sie über die nationalen Notenbanken der Eurozone derzeit Staatsanleihen der Länder aufkaufen lässt. Denn dadurch möchte man die Inflation anheizen rauf auf maximal 2%. Denn Preisstabilität gewährleisten bedeutet ja auch, dass die Preise nicht fallen, also keine Deflation entsteht. Wie gesagt, in der Satzung steht auch etwas von Unterstützung des Wirtschaftspolitik. Dort steht aber, wie Jens Weidmann zu Recht sagt, nichts von der Staatsfinanzierung der Euro-Mitgliedsländer.

Man muss sich schon die grundsätzliche Frage stellen, was die Integrität einer Notenbank noch wert ist, wenn sie so handelt. Denn letztlich geht es um bei Banken, Notenbanken und dem Geldsystem um Vertrauen! Jens Weidmann hat seine Bedenken immer wieder klar geäußert gegenüber seinen EZB-Kollegen. Sein Problem ist nur: Er ist als Bundesbank-Chef zwar automatisch Mitglied im EZB-Rat, aber er ist mit seiner klaren Haltung eindeutig in der Minderheit.




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2 Kommentare

  1. eine Frage an die FMW-Redaktion (off-topic): wie steht es eigentlich um die spezifischen Banken der großen Industrieunternehmen und deren Bilanz bzw. Solvenz – wäre das mal interessant zu beleuchten oder eher irrelevant? beispielsweise: Volkswagenbank, Siemens Bank …

    1. @Joah, sehr interessant – das ist ein gutes Thema, um das wir uns kümmern werden!

      Viele Grüsse!

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