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CETA, TTIP, Schiedsgerichte: Der aktuelle Fall „El Salvador“ zeigt was alles möglich ist!

Ein jetzt nach sage und schreibe 7 Jahren abgeschlossenes Schiedsgerichtsverfahren vor dem "Schiedsgericht" der Weltbank (ICSID) zeigt den Fall des bettelarmen mittelamerikanischen Landes...

Von Claudio Kummerfeld

Die Thematik ist hochinteressant und aufschlussreich. Man hört ja immer wieder von den schlimmen Schiedsgerichten, von Doppeljustiz, von „Konzernjustiz“, von der Ausbeutung und Erpressung der ärmsten Länder des Planeten. Ein jetzt nach sage und schreibe 7 Jahren abgeschlossenes Schiedsgerichtsverfahren vor dem „Schiedsgericht“ der Weltbank (ICSID) zeigt den Fall des bettelarmen mittelamerikanischen Landes El Salvador, über den wir bereits letztes Jahr berichteten.

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El Salvador´s Präsident Salvador Sanchez Ceren setzt das Verbot gegen die Goldmine durch. Der Fall „El Salvador“ mahnt zur Vorsicht bei TTIP & CETA. Foto: U.S. Department of State / Gemeinfrei

Ein kanadischer Bergbaukonzern hatte in El Salvador mit hochgiftigen Chemikalien Gold abgebaut. Die Gifte wurden in den größten Fluss des Landes gespült, und verseuchten das Trinkwasser für viele Menschen. Daraufhin untersagte die Regierung von El Salvador den weiteren Betrieb der Miene – ganz normal, wie jede Regierung in so einem Fall in jedem anderen Land auch agiert hätte. Aufgrund von Umweltgefährdung und Trinkwassergefährdung wurde der Betrieb untersagt. Gemäß internationalen Abkommen können ausländische Unternehmen eine Regierung vor einem internationalen Schiedsgerichtshof verklagen, wenn sie der Meinung sind ihre Investitionen seien gefährdet, oder sie würden diskriminiert.

Das gibt quasi jedem finanzstarken Unternehmen die Möglichkeit so ein Millionen Dollar teures komplett von privaten Anwälten veranstaltetes Privatgerichtsverfahren durchzuführen. Es ist immer eine zweite Chance, ein neuer Anlauf. Funktioniert eine Klage im dortigen Land nicht, geht man eben vor das internationale Schiedsgericht. Der Bergbaukonzern verklagte El Salvador auf 250 Millionen US-Dollar Schadenersatz, weil man aufgrund der Einstellung der Goldförderung seine Investitionen durch die dortige Regierung gefährdet sah (Klage auf Erstattung nicht erzielter zukünftiger Gewinne). Der ICSID hat nun El Salvador Recht gegeben. Daher muss nun in diesem Fall der Bergbaukonzern an El Salvador bisher entstandene Anwaltskosten erstatten, die in diesen Fällen eigentlich immer jede Seite selbst trägt, egal wie das Urteil ausgeht.

Jetzt könnte man sagen „ist doch alles in Ordnung“. Auch ein Schiedsgericht kann also Entscheidungen gegen die „bösen Konzerne“ fällen. Traurig beziehungsweise bedenklich ist aber, dass Unternehmen, die die Umwelt massiv gefährden oder sogar bereits schädigen, auf Erstattung von in Zukunft möglicherweise entstehenden Gewinnen klagen können, obwohl sie gegen im Land geltendes Umweltrecht verstoßen, und die Gesundheit von Menschen gefährden. In jedem Land, auch in Europa und den USA, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Unternehmen ihre Tätigkeit untersagt wird, wenn sie nachweislich Flüsse vergiften und direkt für die Erkrankungen von Menschen verantwortlich sind. So eine „Schiedsgericht“ gibt den Unternehmen die Möglichkeit doch noch an Gewinne zu kommen, die sie vielleicht erst in Zukunft durch so eine Goldmine erzielt hätten.

Aktuell läuft ja auch die Klage des schwedischen Stromversorgers Vattenfall vor selbigem „Schiedsgericht“ in Washington, der einfach die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil man hierzulande nach dem Fukushima-Unfall die AKW´s früher stilllegte als gedacht. Wieder, entgangene Gewinne, die der Staat dem Unternehmen ersetzen soll. In Kanada waren Kommunen und Zentralregierung ebenfalls mehrfach betroffen durch Klagen von US-Konzernen, die klagten, weil die kanadischen Behörden Öl-Bohrungen wg. Umweltgefährdung ablehnten. Kommen CETA und TTIP, dürfte das fast schon zur Regel werden. Ein Unternehmen hat fast schon die Pflicht im Sinne seiner Eigentümer alles an Geld rauszuholen, was drin ist. Kommt diese Schiedsgerichtsbarkeit durch, sind nicht die Unternehmen schuld – die versuchen nur abzugreifen, was geht – im Sinne ihrer Eigentümer. Schuld wären diejenigen, die so eine zweite Gerichtsbarkeit offiziell zulassen! Jedes Mal aufs Neue dürfte der Steuerzahler zittern, wofür er jetzt wieder zur Kasse gebeten wird.



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10 Kommentare

  1. Ganz einfach: rückwärts verklagen zur Beseitigung der entstandenen Umweltschäden – Sache gegen Sache.

  2. Ich traue den Schiedsgerichten mehr als der Regierung. Manche dieser Umweltregelungen sind bescheuert. In Deutschland herrscht in der Hinsicht die totale Dekadenz.

    1. Bei mir ist es Gott sei Dank genau andersherum.
      a) Es ist Tatsache, daß die Flüße vergiftet wurden. Für alle Menschen der Umgebung. Für ein paar Dollars einiger weniger in den USA.
      b) Der Stopp der Regierung ist richtig und rettet die Umwelt der Gesellschaft. Wo ist das bitte übertrieben? Was machen denn die Amis mit ihrem Fracking? Für Generationen das Grundwasser vergiften. Ach, ist doch egal?
      c) Das Problem des CETA = TTIP ist genau dies: Das eine Firma überhaupt das Recht hat, einem Land sein Recht gegen umweltzerstörende, gesellschafts-schädigende Handlungen (z.B.aus den USA) abzusprechen. Hier hatte ElSalvador Glück. Was ist, wenn es Pech hat? Wenn die Gegenseite reicher, einflußreicher, korrupter ist? Man muß sein natürliches Recht erst noch erstreiten?
      Das ist, wie wenn sie vor Gericht erstreiten müssen, daß sie weiterleben dürfen. Wenn das Gericht ihnen nach längerem Prozess dann recht gibt, sagen sie dann auch, ist doch klar, das Gericht hat ja Recht gegeben, solche Prozesse sind in Ordnung?

      An FMW: Vielen Dank für den in jeder Hinsicht wirklich sehr guten Artikel!

      1. zu Fracking:
        das Rechtssystem in den USA ist ganz anders als hier bei uns. Wir lassen ein neues Verfahren zu, wenn sicher steht, dass davon keine Beeinträchtigungen ausgehen, oder wenn sie sicher verkraftet werden können (Vorsorgeprinzip).
        In den USA ist erst einmal ziemlich alles erlaubt und man fängt erst an darüber nachzudenken, wenn der Schaden tatsächlich entstanden ist.
        Investitionsschutz:
        Stellen Sie sich vor, Sie betreiben in einem Industriegebiet einen Baumarkt mit guten Umsätzen. Nun kommt die Regierung auf die Idee, eine daran vorbei führende Autobahn zu verbreitern und erhebt Anspruch auf einen wesentlichen Teil des Grundstücks Ihres Baumarkts. Dann werden Sie mit Recht einen Ausgleich beanspruchen. Wir kennen nicht das damalige Umweltrecht von El Salvador. Daher wissen wir nicht, welche tatsächlichen Änderungen dann in diesem Land eingeführt wurden und ob es Übergangsbestimmungen gab für bestehende Anlagen.
        Bei IBM wurde mir 1990 erklärt, dass das Unternehmen weltweit tätig ist und es gibt Länder ohne vernünftiges Umweltrecht. Daher haben sie interne Standards, die in einigen Ländern durchaus strikter sind als die nationalen Gesetze – und es wird jeweils die schärfere Regel befolgt. Leider handeln nicht alle Unternehmen mit solcher Verantwortung.

  3. Die Angst vor den ominösen Schiedsgerichten ist maßlos übertrieben. Grundsätzlich finde ich die Idee dahinter nicht richtig, aber wieso sollte man einem nicht legitimen EU-Gericht mehr trauen? Und der Fall El Salvador beweist dass diese Gerichte gerecht entscheiden.

    1. Werden dieses es auch noch tun, wenn die derzeitige Kritik an denen verflogen ist? Das ist doch – neben der Fremdbeeinflussbarkeit – die alles entscheidende Frage.

    2. „Der neue Text hat bezeichnenderweise auch kein Inhaltsverzeichnis, auf daß man sich möglichst schwer auf seinen anderthalb Tausend Seiten zurechtfinde.“
      https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/CETA-SPOe-macht-Weg-frei-Wallonie-will-blockieren/Eine-interessante-Aenderung-im-Inhalt-von-CETA-TELEPOLIS-Bitte-veroeffentlichen/posting-29374582/show/

  4. Die Schiedsgerichte verringern auch bei Ceta unsere Freiheit. Bisher urteilt jedes Gericht in Deutschland nach unseren eigenen Gesetzen. Unsere Gesetze kommen von unserem Parlament, und unser Parlament wählen WIR. Sie erinnern sich? Grundgesetz? Alle Macht geht vom Volke aus?
    Sind wir jetzt wirklich so blöd, dass wir Gerichte zulassen, die ÜBER unserem Grundgesetz stehen? Die „Recht“ sprechen ohne Gesetze, die von den Parlamenten stammen?
    Bitte alle nochmal nachdenken!

    1. Gerichte in Deutschland urteilen nach deutschem Recht. Nach welchem Recht ist dann ein Handelsabkommen der Europäischen Union mit Canada geschlossen?
      Und vor welchem Gericht soll eine Unklarheit verhandelt werden?
      Es soll ja schon vorgekommen sein, dass Fälle wo wir uns bei unserem Grundgesetz sicher waren, vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wurden.

  5. habe gerade gelesen das die Stadt Florenz dem McDonald 20 Mio. Entschädigung für entgangenem Gewinn bezahlen soll weil die Behörden den Antrag auf Eröffnung des McDonald auf der historischen Piazza del Duomo ablehnten . Der Bürgermeister von Florenz Dario Nardella lehnte den Antrag im Juni ab.
    Das ist Wahnsinn, wir haben noch nicht einmal das TTIP im Sack und es geht schon los… Welcome to the new reality!

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