China bleibt dem Verbrenner treu, obwohl Elektroautos längst das Straßenbild dominieren. Der scheinbare Widerspruch ist in Wahrheit eine wohlüberlegte Strategie. Geografie, wirtschaftliche Unterschiede und regionale Gegebenheiten machen den Verbrennungsmotor weiterhin unverzichtbar – und das aus gutem Grund.
China elektrisiert – aber Verbrenner bleiben unverzichtbar
China hat in den letzten zehn Jahren eine bemerkenswerte Verkehrswende vollzogen. Elektrische Autos, die einst nahezu unbekannt waren, prägen heute das Straßenbild. Im November waren nach vorläufigen Zahlen von Cui Dongshu, dem Generalsekretär der (China Passenger Car Association (CPCA) knapp 60% der neu verkauften Fahrzeuge sogenannte New Energy Vehicles (NEVs) – entweder Hybride oder reine Elektroautos. Doch obwohl China weltweit als Vorreiter der Elektromobilität gilt, hält es weiterhin am Einsatz von Verbrennungsmotoren fest. Warum das keine Widersprüchlichkeit, sondern eine pragmatische Strategie ist, zeigt ein genauerer Blick auf die Geografie, Bevölkerung und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Landes.
Die Förderung der Elektromobilität in China ist kein Selbstzweck, sondern Teil einer umfassenden Strategie, die darauf abzielt, das Land bis 2060 unabhängig von fossilen Energiequellen zu machen. Die Strategie fußt auf drei Säulen: Elektromobilität in den Städten, der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs auf Basis elektrischer Verkehrsträger und die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen sind wesentliche Bestandteile dieses Plans.
Die „Roadmap für die grüne und kohlenstoffarme Entwicklung der Automobilindustrie 1.0“ vom Dezember 2023 beschreibt, dass die Ziele der Marktdurchdringungsrate von Fahrzeugen aller Art mit alternativen Antrieben (NEV) für 2025 und 2030 auf 45% bzw. 60% festgelegt wurden, wobei die Marktdurchdringungsrate von PKW mit alternativen Antrieben jeweils 50% bzw. 65% erreichen soll. Er berücksichtigt jedoch, dass Verbrennungsmotoren weiterhin eine wichtige Rolle spielen werden. Um die Dekarbonisierung des Autosektors dennoch zu erreichen, werden in der Roadmap die Entwicklung und Anwendung von kohlenstoffarmen und kohlenstofffreien Kraftstoffen wie Wasserstoff, Ammoniak, fortschrittliche Biokraftstoffe und erneuerbare synthetische Kraftstoffe besonders gefördert.
Laut Miao Wei, dem ehemaligen Minister für Industrie und Informationstechnologie und Mitglied des Nationalen Komitees der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (CPPCC), nimmt der Trend zur Ablösung konventioneller Kraftfahrzeuge durch NEVs bereits Gestalt an, und das ursprüngliche Ziel einer Marktdurchdringung von mehr als 50 Prozent NEVs bis 2035 wird voraussichtlich vorzeitig bis 2025 – spätestens bis 2026 – erreicht werden.
Chinas Endgegner der Elektromobilität: Der Westen
Auf den ersten Blick erscheint es paradox, dass China trotzdem an Verbrennungsmotoren festhält. Ein Blick auf die geografischen und demografischen Gegebenheiten des Landes verdeutlicht die Gründe für diese Strategie. Über 96 Prozent der chinesischen Bevölkerung leben östlich einer imaginären Linie zwischen Tengchong im Süden und Heihe an der Grenze zu Russland im Norden. Die Mehrheit dieser Menschen lebt in urbanen Zentren wie dem Jing-Jin-Ji-Gebiet um Beijing, Tianjin und Hebei, dem Jangtse-Delta mit Städten wie Shanghai und Hangzhou sowie dem Perlflussdelta um Guangzhou und Shenzhen. Insgesamt leben etwa 66 Prozent der Bevölkerung in den Städten.
Der Westen Chinas, der über 50 Prozent der Landesfläche ausmacht, beherbergt hingegen nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung. In den weniger dicht besiedelten westlichen Regionen konzentriert sich die Bevölkerung ebenfalls stark auf Städte. Insgesamt leben etwa 144 Millionen Menschen in den 30 größten Städten des Westens, während auf dem gesamten übrigen westlichen Gebiet, das mehr als 3,57 Millionen Quadratkilometer umfasst – das entspricht der 15-fachen Fläche Deutschlands –, lediglich rund 350 Millionen Menschen leben.
Die Dichte an alternativen bzw. batteriebetriebenen Autos folgt der Bevölkerungsverteilung. Am dichtbesiedelten östlichen Küstenstreifen und in den Städten ist sie am höchsten, während sie nach Westen und in den ländlichen Gegenden graduell immer weiter abnimmt. Jenseits der gedachten Linie zwischen Ost- und Westchina und im Norden nimmt sie schlagartig ab.
Abbildung 1: Bevölkerungsdichte und Dichte von eAutos in China. Berechnungen durch Autor
Diese Ungleichverteilung zeigt sich besonders deutlich abseits der urbanen Zentren. Die weniger dicht besiedelten westlichen Regionen sind infrastrukturell nur gering erschlossen. Sie umfassen die Taklamakan-Wüste, die hochalpinen Gletscherregionen des Himalayas, das tibetische Hochplateau sowie die weiten Steppenlandschaften der Inneren Mongolei. Teilweise leben die Menschen in den Steppen noch in nomadischen Strukturen, was die Bereitstellung einer Ladeinfrastruktur illusorisch macht. In Gegenden, in denen die Infrastruktur ohnehin schon schwach ist, eine Ladeinfrastruktur aufzubauen, ist teuer und ineffizient.
In diesen Gegenden des westlichen Chinas sind Städte oft weit voneinander entfernt, und abseits urbaner Strukturen ist die Bevölkerungsdichte extrem niedrig. Zieht man die urbanen Gebiete ab, bleibt eine Dichte von etwa 38 Menschen pro Quadratkilometer – im Vergleich zu durchschnittlich 238 Menschen pro Quadratkilometer in Deutschland. Trotz dieser Herausforderungen leben hier Menschen, deren Alltag stark von den geografischen Gegebenheiten geprägt ist. Diese isolierte Lage und die dünne Besiedlung haben auch Auswirkungen auf die Art der Fahrzeuge, die hier genutzt werden können.
Die vorherrschenden Verkehrsmittel sind keine klassischen Autos, sondern multifunktionale, robuste Gefährte, die sich flexibel zwischen Feld und Straße bewegen lassen. Diese Fahrzeuge, oft eine Mischung aus Motorrädern, Lastwagen und Traktoren, zeichnen sich durch ihre einfache Bauweise und Reparierbarkeit aus. Sie sind darauf ausgelegt, mit begrenzten Mitteln einsatzfähig gehalten zu werden, auch durch improvisierte Reparaturen. Elektrofahrzeuge, die zwar weniger anfällig für Defekte sind, stellen hier keine praktikable Alternative dar, da ihre Reparatur spezielle Werkstätten und geschultes Personal erfordert – eine Infrastruktur, die in diesen Regionen nicht vorhanden ist.
Abbildung 2: Hauptstraße in Saga. Kailash Mansarovar Yatra, China. Quelle: Privat
Ein weiteres Hindernis ist das Gewicht der Batterien. Für die leichten, oft einfachen Fahrzeuge der ländlichen Bevölkerung sind Batterien schlicht unpraktisch. Um die Mobilitätsbedürfnisse in diesen Regionen dennoch zu decken, sieht die erwähnte Roadmap vor, dass Verbrennungsmotoren weiterhin genutzt werden, jedoch mit alternativen Brennstoffen wie E-Fuels oder Flüssigerdgas (LNG).
Übergangslösungen: LNG und E-Fuels im Verbrenner-Zeitalter
Bereits heute wird LNG im Schwerlastverkehr vermehrt eingesetzt, was zu einem Rückgang des konventionellen Dieselverbrauchs geführt hat. Der Anteil der LNG-betriebenen Lkw wird 2024 voraussichtlich über neun Prozent erreichen. In nordwestlichen Regionen Chinas, wo die Infrastruktur für LNG bereits besser ausgebaut ist, wird dieser Anteil voraussichtlich mehr als 50 Prozent betragen. Dennoch gilt LNG nur als Übergangslösung, da langfristig fortschrittliche Batterietechnologien und elektrische Antriebe den Markt dominieren werden. Experten erwarten, dass der Trend zu LNG-Lkw bis Ende des Jahrzehnts nachlassen wird, da batterieelektrische Fahrzeuge mit steigender Reichweite und niedrigeren Kosten eine bessere Alternative bieten.
Auch der Kostenvergleich zeigt, dass batteriebetriebene Lastwagen zunehmend wettbewerbsfähig werden. Auf Grundlage einer Laufleistung von 100.000 Kilometern betragen die Betriebskosten für klassischen Diesel rund 185.900 Yuan (ca. 23.800 Euro). LNG-Lkw liegen mit etwa 100.000 Yuan (ca. 12.800 Euro) deutlich darunter. Noch günstiger sind batterieelektrische Lastwagen: Ihre Kosten belaufen sich bei Nutzung von regulärem Ladestrom auf etwa 115.000 Yuan (ca. 14.700 Euro). Wenn subventionierter Strom für gewerbliche Unternehmen verfügbar ist, könnten die Ladekosten auf unter 100.000 Yuan fallen. Diese Betriebskosten machen elektrische Lkw nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich besonders auf Kurz- und Mittelstrecken – etwa im Lieferverkehr zwischen Städten oder innerhalb urbaner Ballungsräume – zu einer attraktiven Option. Zwar sind die Anschaffungskosten für Lastwagen mit alternativen Antrieben aktuell noch höher, doch können diese durch die deutlich geringeren Betriebskosten oft innerhalb von ein bis zwei Jahren kompensiert werden.
Abbildung 3: Vergleich der Kosten für verschiedene Antriebe bei einer Laufleistung von100.000 km. Quelle: Eigene Berechnungen.
Auch wenn LNG- und batteriebetriebene Lkw Vorteile bieten, spielen alternative Kraftstoffe wie E-Fuels weiterhin eine wichtige Rolle in Chinas Strategie, da sie in Regionen mit schwacher Infrastruktur oft die einzige praktikable Lösung darstellen. E-Fuels können in bestehenden Verbrennungsmotoren eingesetzt werden, ohne dass neue Fahrzeuge angeschafft oder zusätzliche Ladeinfrastruktur aufgebaut werden müssen. Ihre Herstellung ist jedoch extrem energieintensiv. Ein Liter E-Fuel benötigt derzeit zwischen 20 und 25 Kilowattstunden Strom – eine Energiemenge, die Elektrofahrzeuge viel effizienter nutzen können. Während E-Fuels aufgrund ihrer Kompatibilität mit bestehenden Verbrennungsmotoren eine Übergangslösung bieten, bleiben ihre Nachteile gravierend. Die energieintensive Herstellung und der Verlust von bis zu 80 Prozent der eingesetzten Energie im Fahrzeugbetrieb stellen ökologische und wirtschaftliche Herausforderungen dar. Diese Ineffizienz macht E-Fuels nur dort praktikabel, wo weder Ladeinfrastruktur noch andere Technologien kurzfristig zur Verfügung stehen.
Mobilität muss bezahlbar bleiben – auch ohne Elektro
Gleichzeitig bleibt die Versorgung in Chinas ländlichen Regionen eine besondere Herausforderung. Mit einem durchschnittlich monatlichen verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen von nur 1806 Yuan (etwa 235 Euro) ist die Kaufkraft in diesen Gebieten gering. Elektrofahrzeuge oder fortschrittliche Kraftstoffe sind für viele Menschen dort schlicht nicht erschwinglich. Die Entscheidung, auch in den kommenden Jahren auf Verbrennungsmotoren und alternative Brennstoffe zu setzen, erscheint daher weniger als Rückschritt, sondern vielmehr als pragmatische Anpassung an die Realität.
Verbrenner und Elektro: Chinas doppeltes Spiel
Die Entscheidung, weiterhin Verbrennungsmotoren einzusetzen, erscheint vor diesem Hintergrund logisch. Sie reflektiert die komplexe Realität eines Landes, das zwar eine technologische Vorreiterrolle einnimmt, gleichzeitig jedoch mit regionalen Ungleichheiten, geographischen Herausforderungen und wirtschaftlichen Einschränkungen umgehen muss. China plant, diese Gegensätze durch den schrittweisen Einsatz alternativer Kraftstoffe und eine langfristige Elektrifizierung zu überbrücken. Dabei versucht das Land, sowohl den Anforderungen der urbanen Zentren als auch den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung gerecht zu werden.
In Sachen Exporte seiner Elektroautos scheint China aber an Grenzen zu kommen, vor allem in Europa..
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Ich glaube kaum, dass auch nur ein Auto in China mit LNG angetrieben wird.
Wenn mit Flüssiggas, dann mit LPG.
LPG ist ein Mineralölproduckt.
Viele Grüße aus Andalusien Helmut
@Helmut
LNG steht für Liquefied Natural Gas (verflüssigtes Erdgas). Also kein Mineralölprodukt. Es handelt sich um Erdgas, das durch Abkühlung auf etwa -162°C verflüssigt wird, wodurch es ein viel kleineres Volumen einnimmt und leichter transportiert sowie gespeichert werden kann.
Im übrigen sind es LKW, die damit betrieben werden, kein Autos, auch wenn es in China durchaus früher Taxen gab, die mit LNG betrieben wurden.
Frohe Weihnachten
Hallo Doi Ennoson.
Das mit den unterschiedlichen Gasen ist mir natürlich schon bekannt.
Für Fahrzeuge, die praktisch im Dauerbetrieb fahren, kann natürlich LNG als Treibstoff eingesetzt werden.
Sobald ein Fahrzeug aber mit noch gefüllten Tank längere Zeit parken muss, wird es kritisch.
Ich denke, mit den Taxen hat es auch aus dem Grund Schwierigkeiten gegeben.
Auch frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch
@Helmut
Wie jetzt? Entweder du weißt über die Gase Bescheid, oder nicht. Wenn du über die Gase Bescheid wüsstest, dann wüsstest du, dass in China LKWs mit LNG und nicht mit LPG betrieben werden. Und Taxis werden in China im 2-Schicht-System gefahren, 24 Std. am Tag. Hat der angebliche Experte für China halt doch keine Ahnung?
Und wo ist nach diesem Artikel dein „Aber China setzt auf Verbrenner!“? Hat dir der Ennoson ganz elegant das Argument zerschossen und dir gezeigt, dass man mit ein wenig Recherche hätte wissen können, dass China halt doch nicht auf Verbrenner setzt? Bist du wieder Halbwahrheiten aufgesessen? Wenn du schon keine Ahnung hast, warum schweigst du nicht still? Ist es nicht peinlich, seine Unwissenheit so offen zu zeigen?
Ob neue Verbrenner einfacher als BEVs zu reparieren sind, würde ich stark bezweifeln.
Auch eine Ladeinfrastruktur aufbauen müsste man nicht zwingend aufbauen, wenn die Menschen dort nur lokal unterwegs sind.
China, Das nennt man Realität. Von der Realität umgeben. Dieser Artikel beschreibt die Realität.
Dies ist genau der Punkt was uns Sorgen bereiten sollte. Die jetzigen Kinder der Grünen Partei deren Eltern nicht mehr dabei sind. Ein schlichtes Gemüt mit Null, ja geradezu Beschämentes Wissen, ist an der Macht.
China ist doof und das wars. China ist böse und das wars. Vielleicht zuviel Star wars geschaut, oder zuviel Märchenfilme von,Disney. Schlicht, einfach. Bitte schön, weiter so. Wir sind dann,mal weg……..
@Albi
wo bitte haben wir in Deutschland eine auch nur annähernd so dünne Bevölkerungsdichte wie in China? Genau, nirgends. Wenn Du schon China zustimmst, dann nicht nur die Teile, die dir schmecken. China hat erkannt, dass e-Mobilität einen gesamtvolkswirtschaftlichen Nutzen hat. Wie beschrieben, strebt China an, bis 2035 60% NEV zuzulassen.
Also, vamos, Deutschland…
Ja Albi, die Zukunft liegt in Asien.
Im Westen ist noch viel “ Speckt“ aus vergangenen Zeiten vorhanden.
Gerade in Deutschland vergammelt aber seit über 20 Jahren die Infrastruktur und das Land wird durch eine Klima-Hysterie gegen die Wand gefahren.
Es wird aber unter Grün/Schwarz noch etwa 4 Jahre so weitergehen.
Viele Grüße aus Andalusien Helmut
@Helmut
du hast es erkannt. Die Zukunft liegt in Asien, genauer in China. Und China macht es vor, wie es geht:
Mit Mobilität und Erneuerbaren Energien.
Hallo DermitdemHellmuttanzt
Man sieht immer mehr, wie die BRICS untereinander Handel betreiben. Egal ob Weizenlieferungen, die China im Westen storniert hat, und nun in BRICS – Ländern gekauft werden. Auch Indien hat einen Milliardenhandel über Rohöl mit Russland abgeschlossen, und das Gold geht Richtung Asien.
Die Aufzählung könnte beliebig weitergeführt werden.
Der Westen versucht sich noch mit Zöllen zu wehren und Trump droht jedem Land mit 100% Zöllen, wenn der Dollar nicht mehr als Zahlungsmittel benutzt wird.
Ein Zeichen dafür, dass die Welt vom Dollar weg will, was die USA aber ca. 1 Billionen Dollar kosten würde, wenn sie selbst nicht mehr mit dem inflationären Dollar bezahlen kann.
Alle Imperien gehen zu Grunde, wenn ihre Aufwendungen, ihre Vasallen zu kontrollieren, überdehnt werden.
Man kann es gut an dem Schuldenstand
der USA ablesen.
Viele Grüße aus Andalusien Helmut
@Helmut
versuchst du wieder abzulenken?
Das Thema ist: China macht es vor. Mit elektrischen Autos und erneuerbare Energien.