Im Handelskrieg gegen USA greift China auf die Strategie von Mao zurück – ein Aufruf zu Geduld, Entschlossenheit und langem Atem im geopolitischen Ringen.
China setzt auf Mao im Handelskrieg gegen die USA
Im aktuellen Handelskrieg setzt China auf strategische Lehren Maos, um den Druck der USA standzuhalten. Im Sommer 1938 saß Mao Zedong in einer Höhle in Yan’an, dem legendären Rückzugsort der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) am Ende des „Langen Marsches“, und schrieb in sieben Tagen und Nächten sein strategisches Meisterwerk „Über den langwierigen Krieg“. Mit dialektischem Scharfsinn zeigte er, wie China trotz militärischer Unterlegenheit die japanische Invasion überdauern und besiegen könne.
Mao, 1938, schreibend in den Höhlen von Yang‘an Quelle: KK News
Yan’an, mehr als nur ein Ort, wurde zu einem der Gründungsmythen der KPCh – ein Symbol für revolutionäre Reinheit, Volkseinheit und unbezwingbaren Widerstandsgeist.
Fast neun Jahrzehnte später, greift heute ein WeChat-Post im staatlichen Beijing Daily diese historische Erzählung auf, um den Handelskrieg mit den USA zu framen. Unter dem Titel „Heute ist es notwendig, ‚Über den langwierigen Krieg‘ erneut zu lesen“ ruft der Text die Chinesen zu einem langfristigen geopolitischen Kampf auf. Begleitet von Bildern von Mao in Yan’an und Wuhe Kirins patriotischem Kunstwerk „Ich werde nicht knien“, ist der Post ein strategisches Narrativ der KPCh, das nationale Entschlossenheit beschwört.
Handelskrieg als historisches Echo
Die USA unter Donald Trump haben am 2. April eine neue Welle von „reziproken Zöllen“ gegen ihre Handelspartner verhängt, die globale Lieferketten erschüttert und die Weltmärkte in Unsicherheit stürzt. China, als Hauptziel dieser Zölle, reagierte mit wirtschaftlicher Gegenwehr und diplomatischer Offensive. Der WeChat-Post, veröffentlicht im Beijing Daily, einem Sprachrohr der KPCh, fängt diesen Moment ein. Er beschreibt die unerwartete globale Kritik an der US-Politik und Chinas entschlossene Haltung, „bis zum Ende zu kämpfen“. Doch er warnt vor zwei Fehleinschätzungen: der Illusion, durch Kompromisse Frieden zu erkaufen, und dem überoptimistischen Glauben, ein Sieg stehe bevor.
„Über den langwierigem Krieg“, Quelle: Visual China
Stattdessen plädiert der Text für eine langfristige Strategie, inspiriert von Maos „Über den langwierigen Krieg“. Der Rückgriff auf dieses Konzept, geboren in den Höhlen von Yan’an, ist kein Zufall. Yan’an war in den 1930er und 1940er Jahren nicht nur die Basis der KPCh, sondern der Ort, an dem die Partei ihre ideologische Identität schmiedete. Hier wurde der „Mao-Gedanke“ geformt, hier wuchs die Überzeugung, dass Einheit und Ausdauer jede Übermacht besiegen können. Der Post rahmt den Handelskrieg als moderne Entsprechung dieses Kampfes: China, heute eine wirtschaftliche Supermacht, muss Geduld und strategische Weitsicht beweisen, um die USA zu überdauern.
China: Patriotische Bilder im Handelskrieg
Die visuelle Sprache des Posts verstärkt diese Botschaft mit tief verwurzelter Symbolik. Bilder von Mao, wie er in einer Yan’an-Höhle schreibt, rufen den Gründungsmythos der KPCh herauf. Yan’an ist mehr als ein historischer Ort – es ist ein emotional aufgeladenes Symbol für Opferbereitschaft, ideologische Klarheit und den Glauben an den Sieg trotz Widrigkeiten. Für die KPCh, insbesondere unter Xi Jinping, ist Yan’an eine Pilgerstätte, die regelmäßig besucht wird, um den Geist der Revolution zu beschwören. Xi selbst hat Yan’an als Quelle der „ursprünglichen Mission“ der Partei gefeiert, ein Ort, der die Partei an ihre Wurzeln erinnert: die Einheit des Volkes und den Kampf gegen äußere Feinde.
Diese Bilder im Post verknüpfen die heutige Führung mit der heroischen Vergangenheit, legitimieren die KPCh als Hüterin der nationalen Bestimmung und rufen die Chinesen dazu auf, den Handelskrieg mit derselben Entschlossenheit zu führen.
Wu He Qilin’s ‚I Won’t Kneel‘. Quelle: David Roth-Lindberg
Ebenso kraftvoll ist die Einbindung von Wuhe Kirins Kunstwerk „Ich werde nicht knien“. Der politische Karikaturist, bekannt für seine patriotischen Werke, zeigt eine stolze Figur, die westlichem Druck trotzt. Das Bild ist ein moderner Widerhall von Yan’ans Geist, der historische Symbolik mit der heutigen geopolitischen Realität verbindet. Es spricht jüngere Chinesen an, die über soziale Medien mit solcher Kunst vertraut sind, und verstärkt die Botschaft: China wird sich weder US-Zöllen noch westlicher Hegemonie beugen.
Xi Jinping und die Rückkehr zu Yan’an
Die Veröffentlichung im Beijing Daily macht klar, dass der Post die offizielle Linie der KPCh unter Xi Jinping widerspiegelt. Seit seiner Machtübernahme 2012 hat Xi die ideologische Kontrolle verschärft, historische Narrative wiederbelebt und Yan’an als Symbol der Parteieinheit und -reinheit zentral gestellt. Der Handelskrieg wird nicht nur als wirtschaftlicher Konflikt, sondern als Teil eines größeren Kampfes um globale Vorherrschaft gerahmt. Der Post spiegelt Xis Agenda wider, die Nationalismus, anti-westliche Rhetorik und die Betonung der „nationalen Verjüngung“ vereint.
Die USA werden als chaotischer, von inneren Widersprüchen geplagter Akteur dargestellt. Die Trump-Regierung, so der Vorwurf, sei unzuverlässig und setze auf Täuschung, etwa durch Falschmeldungen über chinesische Verhandlungen. Diese Darstellung delegitimiert die USA und positioniert China als verantwortungsvolle Großmacht, die den Multilateralismus verteidigt. Gleichzeitig betont der Text Chinas Stärken – vom „Doppelkreislauf“-Modell bis zu Fortschritten in KI und erneuerbaren Energien – als Beweis für seine Resilienz.
Der WeChat-Post richtet sich ausschließlich auf die chinesische Bevölkerung, um Zweifel zu zerstreuen und nationale Einheit zu fördern. Veröffentlicht auf WeChat, einer Plattform, die im Westen kaum genutzt wird, und auf Chinesisch im staatlichen Beijing Daily – nicht in international ausgerichteten Medien wie People’s Daily oder Xinhua – spricht der Text gezielt die heimische Öffentlichkeit an. Er kritisiert defätistische Stimmen, die Kompromisse im Handelskrieg fordern, und überoptimistische Annahmen, die einen schnellen Sieg erwarten. Diese doppelte Warnung spiegelt die Sorge der KPCh wider, dass interne Uneinigkeit oder falsche Erwartungen die kollektive Entschlossenheit schwächen könnten. Stattdessen beschwört der Post die Volkseinheit – „das wahre Fundament des Sieges“, wie Mao es in Yan’an formulierte – als entscheidenden Schlüssel zum Erfolg und ruft die Chinesen dazu auf, sich geschlossen hinter die Führung zu stellen.
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Grenzen historischer Vergleiche
Die Parallele zwischen dem antijapanischen Krieg und dem Handelskrieg ist rhetorisch wirkungsvoll, aber begrenzt. 1938 war China ein militärisch schwaches Land, das auf Guerillataktiken angewiesen war. Heute ist China eine wirtschaftliche Supermacht mit globalem Einfluss. Dennoch greift der Post auf Maos Konzept zurück, um Geduld und Flexibilität zu betonen. Der Handelskrieg wird nicht durch einen Verhandlungserfolg entschieden, sondern durch Chinas Fähigkeit, langfristig zu bestehen.
Die Grenzen der Analogie sind offensichtlich: Ein wirtschaftlicher Konflikt ist komplexer als ein militärischer, und die multipolare Welt von 2025 erfordert, dass China nicht nur die USA, sondern auch andere Akteure wie die EU berücksichtigt. Doch für die KPCh ist die Yan’an-Erzählung ein mächtiges Werkzeug, um die Bevölkerung zu mobilisieren und die Führungsrolle der Partei zu festigen.
China: Yan’ans Geist als politische Waffe
Der WeChat-Post ist ein Musterbeispiel für die Propaganda unter Xi Jinping. Er nutzt Yan’ans Gründungsmythos, um den Handelskrieg in einen größeren Kontext zu stellen, und bedient sich moderner Elemente wie Wuhe Kirins Kunst, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Die Veröffentlichung im Beijing Daily unterstreicht seine Funktion als offizielles Narrativ. Doch die martialische Sprache und die vereinfachte Darstellung der USA könnten international Skepsis hervorrufen und Chinas Soft-Power-Bemühungen erschweren.
Für die Chinesen ist der Post ein Aufruf zur Einheit und zum Durchhaltevermögen, tief verwurzelt in Yan’ans Geist. Die Bilder von Mao und Wuhe Kirins „Ich werde nicht knien“ sind emotionale Anker, die Vergangenheit und Gegenwart verbinden und den Glauben an Chinas Sieg nähren.
Alte Ideale, neuer Kampf
Der WeChat-Post postuliert, dass der Handelskrieg erste Risse im US-Lager offenbart. Globale Kritik und wirtschaftlicher Druck zwangen die Trump-Regierung zu Zugeständnissen. Doch der Post mahnt zur Vorsicht: Ein schneller Sieg ist unwahrscheinlich, Kompromisse ein Fehler. Stattdessen fordert er einen klaren Blick auf den langfristigen Konflikt – eine Botschaft, die aus Yan’ans Höhlen stammen könnte.
Der Post der Beijing Daily zeigt, wie China Yan’ans Gründungsmythos nutzt, um die Zukunft zu gestalten. Unter Xi Jinping positioniert sich die KPCh als Hüterin eines unbezwingbaren Geistes, der in Yan’an geboren wurde und durch Wuhe Kirins Kunst lebendig bleibt. Ob dieser Geist den Handelskrieg gewinnt, wird die Zeit zeigen. Doch China bereitet sich auf einen langen Kampf vor – und es kniet nicht.
Kommentare lesen und schreiben, hier klicken
Es wurde immer erzählt, dass China grosse Probleme hat mit den Immobilien und plötzlich hat China jetzt einen langen Atem. Typische Propaganda gegen Trump. Wurde auch von Biden so berichtet? Natürlich nicht. Ich kann das doofe, einseitige Geschwatze langsam nicht mehr hören.
@Müller, unterkomplexer Kommentar! China hat grosse Probleme mit Immobilien – und dennoch einen langen Atem, das scheinen Sie nicht zu verstehen!
@Müller
Sie scheinen den Artikel nicht gelsen zu haben. Der Artikel beschreibt lediglich, wie die chinesische Propaganda agiert. In wieweit das der Realität entspricht, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Die Wirtschaftsdaten zeigen eine Wirtschaft, die sich langsam erholt, aber längst nicht einen gesunden oder gar starken Zustand erreicht hat.
Nicht umsonst wird hier das Bild des Krieges gegen Japan bemüht. Damit wird nicht nur der Gründungsmythos der KPCh bemüht, sondern die Zeit war auch eine, die von viel Leid und Entbehrungen geprägt war.
Bei seinen „Immobilienproblemen“ kommt China eine Bedrohung von außen geradezu gelegen. Sie ist eine wunderbare Gelegenheit, die Schuld dem Westen (allen voran den USA zu zuschieben). Dies ist eine alte Binsenweisheit. „Hast du Probleme im Inneren, suche einen Feind im Äußeren.“ Da machen weder China noch vice versa die USA eine Ausnahme.