Die Schulden in China explodieren, während die Einnahmen stagnieren. Die Regierung setzt auf Kreditfinanzierung, doch das fiskalische Defizit erreicht Rekordhöhen – mit unabsehbaren Folgen.
Die chinesische Regierung kämpft mit einer wachsenden Schuldenlast, während die Staatseinnahmen kaum steigen. Trotz eines offiziell angestrebten Wachstums von 5 % bleiben die fiskalischen Spielräume begrenzt. Peking will mit einer lockereren Finanzpolitik gegensteuern, doch die strukturellen Defizite könnten die Wirksamkeit dieser Maßnahmen untergraben. Ein Blick auf die fiskalischen Trends und wirtschaftlichen Realitäten zeigt die Risiken dieser Strategie.
China: Sinkende Einnahmen trotz Wachstum
Bereits Ende 2024 zeichnete sich ab, dass China auf eine restriktivere Haushaltspolitik zusteuert. Eine Analyse von Rhodium Group zeigt, dass die Einnahmen der öffentlichen Hand sowohl absolut als auch relativ zum BIP zurückgehen. Selbst bei einem angenommenen Wachstum von 5 % steigen die Staatseinnahmen laut den offiziellen Daten, die im Rahmen der „Zwei Sitzungen“ veröffentlicht wurden, nur um 0,1 %, was praktisch einer Stagnation gleichkommt. Betrachtet man die gesamten Einnahmen, ergibt sich ein noch düsteres Bild: Sie befinden sich seit 2023 im Rückgang.
Das Finanzministerium nennt sinkende Produzentenpreise als einen Hauptgrund für die rückläufigen Fiskaleinnahmen. Im Haushaltsbericht für 2025 wird darauf hingewiesen, dass „unzureichende Binnennachfrage und das derzeitige Preisniveau die Steuereinnahmen, die auf aktuellen Preisen basieren, weiter belasten werden.“ Zudem sind einige der wichtigsten Branchen von einem verlangsamten Wachstum betroffen, während Unternehmen weiterhin mit Produktions- und Absatzproblemen kämpfen. Zusätzlich sorgt die Unsicherheit im Außenhandel für zusätzlichen Druck auf die Einnahmen.
China: Schuldenberg wächst – Defizit erreicht Rekordniveau
China hat für 2025 das offizielle Haushaltsdefizit auf 4 % des BIP angehoben – den höchsten Wert seit mindestens 2010. Diese Zahl bezieht sich jedoch nur auf die fiskalischen Schulden, also die Differenz zwischen den staatlichen Einnahmen und Ausgaben innerhalb des offiziellen Budgets. Ein vollständigeres Bild der Verschuldung ergibt sich erst bei Berücksichtigung der Total Social Financing (TSF).
Nach Angaben des National Bureau of Statistics (NBS) lag die Gesamtverschuldung Chinas, bekannt als TSF, Ende 2024 bei 408,3 Billionen Yuan (ca. 54,5 Billionen Euro) oder 303 % des BIP – ein Anstieg um 8,3 % im Vergleich zum Vorjahr. Doch das sind nur die offiziell erfassten Schulden. Berücksichtigt man versteckte Verbindlichkeiten, insbesondere durch lokale Finanzvehikel und außerbilanzielle Kreditinstrumente, dürfte die tatsächliche Schuldenquote eher zwischen 330 und 360 % des BIP liegen.
Abbildung 2: China: Beziehung zwischen dem nominalen BIP und dem ausstehenden TSF, Quelle: NBS
Lokale Regierungen haben 2024 ihre Investitionen drastisch gesenkt. Infrastrukturprojekte wurden um durchschnittlich 15 % gekürzt, während in einigen Regionen wie Guizhou oder Yunnan sogar Rückgänge von bis zu 25 % verzeichnet wurden. Gleichzeitig wurden die Gehälter vieler Staatsbediensteter verspätet ausgezahlt.
Der Grund für Chinas sinkende Fiskaleinnahmen ist eindeutig. Das Steuersystem hängt von investitionsgetriebenem Wachstum ab, das sich signifikant verlangsamt. Weniger Investitionen bedeuten also auch geringere Steuereinnahmen.
Die neue Agenda: Lockerung trotz finanzieller Engpässe
Im Dezember 2024 erklärte Chinas politische Führung, dass sie 2025 eine expansivere Finanzpolitik verfolgen werde. Auch Finanzminister Lan Fo’an betonte Anfang März bei der Vorstellung der Haushaltspläne für das laufende Jahr, dass China „Raum für fiskalische Maßnahmen“ habe. Doch dieser Handlungsspielraum ist begrenzt. Die Schuldenlast der Lokalregierungen bleibt ein erhebliches Risiko, insbesondere da sich die Zinsen für kommunale Anleihen im letzten Jahr um durchschnittlich 1,2 Prozentpunkte erhöht haben.
Ein wichtiger Punkt ist die Staatsverschuldung. Während die zentrale Regierung noch über fiskalische Kapazitäten verfügt, sind viele Provinzen faktisch insolvent. Bereits 2023 mussten über 20 % der regionalen Schulden refinanziert werden, eine Quote, die 2025 voraussichtlich auf über 25 % steigen wird. Gleichzeitig sinken die Steuereinnahmen, was den Spielraum weiter einschränkt. Besonders betroffen sind Regionen, die stark von Landverkäufen abhängig waren – eine Einnahmequelle, die aufgrund der Immobilienkrise nahezu versiegt ist.
Die Einnahmen aus Landverkäufen, die für viele Lokalregierungen essenziell sind, sind seit dem Höchststand von 8,7 Billionen Yuan (ca. 1,1 Billionen Euro) im Jahr 2021 auf nur noch 4,9 Billionen Yuan (ca. 625 Milliarden Euro) im Jahr 2024 gesunken. Da die Erlöse aus Landverkäufen mit einem Jahr Verzögerung an die Lokalregierungen fließen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Einnahmen in diesem Bereich 2025 weiter zurückgehen werden. Zwar gibt es erste Anzeichen für eine Stabilisierung der Immobilienbranche, doch es ist unwahrscheinlich, dass Landverkäufe wieder zu einer verlässlichen Einnahmequelle für lokale Regierungen werden.
Strafzölle und Überproduktion: Gefahr für Chinas Einnahmen
China bewegt sich auf einem schmalen Grat. Einerseits besteht die Notwendigkeit, die Wirtschaft durch fiskalische Impulse zu stützen, andererseits darf die wachsende Verschuldung nicht außer Kontrolle geraten. Das strukturelle Problem der lokalen Schulden wird 2025 durch steigende Refinanzierungskosten verschärft werden. Schon 2024 betrug der Anteil der regionalen Schulden, die umgeschuldet werden mussten, rund 6,5 Billionen Yuan (ca. 870 Milliarden Euro), ein Anstieg um fast 15 % gegenüber 2023.
Hinzu kommt der Einfluss geopolitischer Entwicklungen. Die von Trump angedrohten Strafzölle und vor allem die geplanten zusätzlichen Anlegegebühren für Schiffe, die in China gebaut werden, haben das Potenzial, Chinas Exporte in die USA erheblich zu mindern. Zudem führt die massive Überproduktion chinesischer Fabriken, die dann zu Dumping-Preisen auf den Weltmarkt geworfen wird, zu immer heftigeren Gegenreaktionen und hat bereits Strafzölle anderer Staaten nach sich gezogen.
Die chinesische Regierung muss also mehrere Fronten gleichzeitig managen: Wirtschaftswachstum sichern, ohne die Schuldenkrise zu eskalieren, das Vertrauen der Investoren stabilisieren, den Binnenkonsum beleben und sich in einem sich verändernden globalen Umfeld neu positionieren.
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