China startet mit der AI+ Initiative die größte KI-Offensive der Welt. Bis 2030 soll Künstliche Intelligenz Alltag für fast alle Bürger und Hebel globaler Macht sein.
China: KI-Offensive für neue Weltordnung
China treibt seine KI-Offensive für eine neue Weltordnung mit Nachdruck voran. Ende Juli verabschiedete der Staatsrat die AI+ Initiative, die weit mehr ist als ein Industrieprogramm. Sie dient als Fahrplan für eine umfassende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft und soll das Land bis 2030 an die Spitze der weltweiten Entwicklung setzen. Während in den USA und Europa meist über Regulierung und Risiken gesprochen wird, setzt Peking auf Geschwindigkeit, zentrale Steuerung und ein offenes Ökosystem. Die Dimension ist enorm und entfaltet längst Wirkung über die Grenzen Chinas hinaus.
Zentralisierung trifft Open Source
Im Kern verbindet die Strategie zwei Ansätze, die auf den ersten Blick gegensätzlich wirken. Einerseits wird die Entwicklung zentral durch den Staatsrat und die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission gesteuert. Andererseits bildet Open Source den Hebel, um eine möglichst breite Wirkung zu entfalten. Die Regierung betrachtet quelloffene Modelle nicht nur als technisches Werkzeug, sondern als geopolitisches Instrument. Indem Entwickler weltweit Zugang zu chinesischen Modellen wie Qwen, Kimi oder DeepSeek erhalten, verankert Peking seine Technologien tief im globalen Ökosystem.
Ein Blick in die Start-up-Szene zeigt, wie stark dieser Ansatz bereits greift. Der US-Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz bestätigt, dass ein Großteil seiner Beteiligungen chinesische Open-Source-Modelle einsetzt. Das senkt Kosten, beschleunigt Innovation und schafft internationale Abhängigkeiten, diesmal nicht zugunsten westlicher Anbieter, sondern zugunsten Pekings.
China plant KI-Alltag für 90 Prozent der Bevölkerung
Die AI+ Initiative definiert präzise Ziele. Bis 2027 sollen 70 Prozent der Bevölkerung KI-gestützte Anwendungen nutzen, bis 2030 sogar 90 Prozent. In Peking entstehen noch 2025 mehrere Benchmark-Projekte, die internationale Maßstäbe setzen sollen. Geplant sind große Basismodelle mit hoher Parametertiefe, dazu hunderte branchenspezifische Lösungen und tausende industrielle Anwendungen.
Der Anspruch reicht von Industrie und Landwirtschaft über Finanz- und Rechtswesen bis hin zu Konsumgütern. Wearables, Elektrofahrzeuge, Drohnen oder Brain-Computer-Schnittstellen, kaum ein Bereich bleibt ausgespart. Selbst Bildung und Philosophie werden ausdrücklich in die Roadmap aufgenommen. Parallel verknüpft die Regierung die KI-Strategie mit anderen Zukunftsfeldern wie Biotechnologie, Quantencomputing und 6G.
China exportiert KI-Standards durch Open Source
Die staatliche Förderung zielt darauf ab, Modelle nicht nur im Inland, sondern auch weltweit durchzusetzen. Cloud-Plattformen für Training und Datensätze unterstützen Entwickler, während internationale Konferenzen und Kooperationen die Sichtbarkeit steigern. Die Regierung belohnt Beiträge zur Open-Source-Community mit Preisen und Karriereschritten für Forscher und Studierende.
Damit etabliert sich eine Parallelstrategie. Einerseits schafft Peking die technologische Basis im eigenen Land. Andererseits streut es die Ergebnisse gezielt in den Weltmarkt. Open Source wird zur Brücke für globale Standards, die am Ende nicht mehr in Kalifornien, sondern in Peking definiert werden.
China bleibt bei Chips auf Nvidia angewiesen
Ein zentraler Risikofaktor bleibt die Abhängigkeit von westlicher Chip-Technologie, wie eine Analyse zur chinesischen KI-Strategie feststellt. Huawei und andere Konzerne entwickeln eigene KI-Chips, doch kurzfristig bleibt China auf Nvidia und andere Anbieter angewiesen. Die „East Data, West Computing“-Strategie, versucht dieses Problem teilweise abzufedern. Sie verlagert Datenverarbeitung aus den überlasteten Metropolen im Osten in die energie- und flächenreichen Regionen im Westen.
So entsteht ein landesweites Netz aus Rechenzentren, gespeist aus Wind- und Solarenergie. Ziel ist nicht nur Kostensenkung, sondern auch eine robustere und nachhaltigere Infrastruktur. Bis Ende des 14. Fünfjahresplans 2025 sollen bereits Millionen IT-Frames installiert sein. Der Westen Chinas wird damit zu einer Art Energiespeicher für die KI-Offensive.
Demografie zwingt China zu Automatisierung
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Die AI+ Initiative richtet sich klar auf Wachstum und technologische Dominanz. Arbeitsplatzsicherung tritt in den Hintergrund. Automatisierung verdrängt klassische Tätigkeiten, etwa im Transportsektor, wo Robotaxis bereits im Einsatz sind. Historische Erfahrungen zeigen, dass Peking bereit ist, hohe Beschäftigungsverluste in Kauf zu nehmen, wenn strategische Ziele auf dem Spiel stehen. Zwischen 1995 und 2001 verloren mehr als 30 Millionen Beschäftigte in Staatsbetrieben ihre Stellen.
Der demografische Trend verändert jedoch die Ausgangslage. Die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter erreicht voraussichtlich 2027 einen letzten Höchststand und sinkt danach deutlich. Laut UN schrumpft die Gruppe der 15- bis 64-Jährigen bis 2050 um bis zu 180 Millionen Personen im Vergleich zu 2023. Das Durchschnittsalter der Arbeitskräfte steigt auf über 45 Jahre. China bewegt sich damit in eine Lage, die zwischen Schwellenländern wie Vietnam und alternden Industriestaaten wie Japan liegt.
Für die Regierung bedeutet das: Weniger Arbeitskräfte bedeuten weniger gesamtwirtschaftliche Produktivität und damit weniger Wohlstand. KI soll diesen Rückgang ausgleichen. Automatisierte Systeme übernehmen Aufgaben, die durch die alternde und schrumpfende Bevölkerung nicht mehr vollständig abgedeckt werden. Die politische Logik lautet nicht, Arbeitsplätze zu schützen, sondern den Verlust menschlicher Arbeitskraft durch technologische Mittel zu kompensieren.
Open Source trägt Überwachung in alle Welt
Auf internationaler Bühne verzichtet China darauf, seine KI-Strategie mit ideologischen Begriffen aufzuladen. Stattdessen betont Peking Zusammenarbeit, besonders mit dem Globalen Süden. Über die Vereinten Nationen laufen Programme, die den Zugang zu KI erleichtern sollen. Nach außen wirkt dieser Ansatz pragmatisch und inklusiv, doch er transportiert indirekt ein eigenes Wertemodell.
Das Paradox liegt darin, dass gerade durch den Verzicht auf eine explizite Werte-Rhetorik ein stiller Werterahmen gesetzt wird. In China dient KI längst dazu, gesellschaftliches Verhalten zu lenken. Gesichtserkennung überwacht den öffentlichen Raum, smarte Kameras kontrollieren Verkehrsverstöße, und Systeme zur Stimmanalyse erfassen emotionale Muster. Der geplante Ausbau von Social-Scoring-Mechanismen bindet digitale Technologien noch enger an politische Steuerung. Das Ergebnis ist eine technologische Ausweitung der Rule of Law im chinesischen Verständnis, weniger als Schutz individueller Rechte, sondern als Instrument der Erziehung und Disziplinierung.
Wenn chinesische Open-Source-Modelle weltweit Verbreitung finden, exportieren sie nicht nur Algorithmen, sondern auch diese implizite Vorstellung von Ordnung. Entwickler weltweit greifen auf Modelle wie Qwen oder DeepSeek zurück, weil sie leistungsfähig und frei verfügbar sind. Doch mit jedem Einsatz verbreitet sich ein technologisches Fundament, das in einem politischen Umfeld entstanden ist, in dem Überwachung und Steuerung Vorrang vor Privatsphäre haben. Damit prägt Peking nicht nur die Standards der KI-Entwicklung, sondern auch die stillschweigend eingebauten Annahmen darüber, wie Gesellschaft und Individuum in Relation zueinander stehen.
China verschiebt die Achsen der globalen KI-Welt
Die AI+ Initiative ist mehr als ein Industrieprogramm. Sie steht für den Versuch, die Regeln der technologischen Ordnung neu zu schreiben und gleichzeitig das chinesische Herrschaftsverständnis zu exportieren. An die Stelle einer freiheitlichen und wertebasierten Ordnung tritt ein System, das auf Kontrolle und Sanktion setzt bis tief hinein in intime Lebensbereiche.
Open-Source-KI schafft die globale Reichweite, staatliche Steuerung sorgt für Geschwindigkeit, und die Verbindung aus Datenmacht, Infrastruktur und nationaler Mobilisierung verleiht dem Projekt ein Gewicht, das westliche Beobachter lange unterschätzt haben. Schon jetzt verschiebt sich das Kräfteverhältnis in der globalen KI-Landschaft. Während im Westen über Regulierung diskutiert wird, treibt Peking den Ausbau und die internationale Verbreitung voran und etabliert damit ein Wertesystem, das dem westlichen diametral gegenübersteht.
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ME ein äußerst wertvoller Beitrag! Vielen Dank dafür.
Super vielen dank für den tollen Breicht sehr Intressant ihr macht eine super Arbeit
Palantir macht wohl kein Social-Scoring, wenn es Verbrechen vorhersagen will? Das ist natürlich ganz was Anderes und weil das amerikanische System sonst keiner beherrscht, dürfen Palantir-Mitarbeiter in deutschen Polizeistationen an deutschen Polizeidaten arbeiten. Man stelle sich vor, da säßen Chinesen drin und werten unsere Daten aus – dann wäre was los.
Open Source ist kein so großes Problem, weil der Entwickler bestimmt, wofür er es einsetzt und nötigenfalls etwas daran ändern kann. Man muss es ja nicht verwenden, aber manchmal kann es trotzdem nützlich sein. Zum Beispiel wäre so etwas gut geeignet für Computerspiele. Dann können die Spieler darin mit ihrem Verhalten sozial bewertet werden…und eine mögliche psychische Störung rechtzeitig erkannt und mögliche Amokläufe verhindert werden. Ach ja, das geht ja nicht, weil ohne Straftat niemand bestraft werden darf. Aber wozu braucht die Polizei dann Palantir?
Es ist schon ungewohnt, einmal rational durchdachte Strategien zu hören von einer Regierung, die weiß was sie will. Gewiss haben unsere technologieoffenen Politiker eine viel bessere Strategie, dürfen sie aber nicht verraten. Natürlich ist das alles noch Zukunftsmusik. Sprachmodelle können das nicht leisten und werden nicht intelligent durch noch mehr Chips. Sie wissen und können nur das, was ihnen antrainiert wurde und erkennen, wenn etwas so ähnlich oder anders ist als gewohnt. Das kann einen Wachhund ersetzen oder einen Pauker, aber keinen Türsteher und keinen Pädagogen. Immerhin kann ein Computer nun sinnvoll sprechen und schreiben. Fehlt nur noch die Intelligenz, etwas Eigenes zu sprechen und nicht alles woanders abzuschreiben.
Ja, die Chinesen sorgen auch dafür, dass dafür eine sichere Stromversorgung vorhanden ist.
Viele Grüße aus Andalusien
Helmut
@Helmut
Ja, im Gegensatz zu Spanien. Da gibt’s ja regelmäßig Stromausfälle, wie ein gewisser Helmut aus Andalusien berichtet. Und wie wir wissen, ist das Stromnetz dort sollte marode, dass da landesweit der Strom ausfällt. Deswegen siedeln die Datencenter in Europa auch nicht in Spanien, sondern in Deutschland mit seiner hervorragenden Infrastruktur.
2-Gigawatt-KI-Datacenter in Spanien geplant https://share.google/dhAtDhF9Zlke9dkD3
Viele Grüße aus Andalusien Helmut
@Helmut
Also Spanien plant dass, was Deutschland schon längst hat..
Ach, und dafür musste eines deiner geliebten AKWs geopfert werden. Und das Datencenter soll vollständig mit diesem komischen Zappelstrom betrieben werden. Ich dachte, das geht gar nicht, sagt jedenfalls Helmut aus Andalusien…