China rettet Arbeitsplätze um jeden Preis – selbst wenn dafür Zombie-Unternehmen künstlich am Leben gehalten werden. Die Folgen für Wirtschaft und Weltmarkt sind gravierend.
China rettet Jobs – und züchtet Zombie-Firmen
China rettet Jobs und nimmt dafür tiefgreifende wirtschaftliche Verzerrungen in Kauf. Um Entlassungen und soziale Unruhen zu verhindern, hält die Regierung gezielt Unternehmen am Leben, die längst nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die offiziell niedrige Arbeitslosenquote von durchschnittlich 5,2 Prozent in diesem Jahr, gemeldet vom Nationalen Statistikbüro, vermittelt den Eindruck wirtschaftlicher Stabilität. Doch hinter dieser Zahl verbirgt sich eine Wirtschaft, die unter schwachem Wachstum und stagnierender Binnennachfrage leidet. Viele Betriebe können nur durch staatliche Hilfen und Eingriffe weiter produzieren. Anstatt Überkapazitäten abzubauen und die Produktivität zu steigern, verhindern die Verantwortlichen eine Marktbereinigung. Auf diese Weise wird wirtschaftliche Effizienz geopfert, um Beschäftigung und soziale Ruhe um jeden Preis zu erhalten.
Zombie-Firmen sichern Chinas soziale Ruhe
Ein anschauliches und stereotypisches Beispiel ist Daun Automobile, ein Elektroauto-Hersteller in der Provinz Shanxi. Wie viele Automobilbauer für seine Arbeitsplatzschaffung gefeiert, geriet das Unternehmen nach seinem Höhepunkt 2017 in Schieflage, als der Versuch, auf Premium-Elektroautos umzusteigen, scheiterte. Trotz Steuervergünstigungen und Subventionen für Elektrofahrzeuge musste Daun 2024 eine gerichtlich angeordnete Umstrukturierung durchlaufen. Dennoch produziert es weiter Lastwagen, ein Zeichen für die Zurückhaltung lokaler Behörden, Marktaustritte zuzulassen.
Solche Fälle sind keine Ausnahme. Der Anteil verlustbringender Industrieunternehmen ist heute so hoch wie zuletzt 2001, gerade in der Automobilindustrie. Obwohl der Markt übersättigt ist und die Branche unter Schulden leidet, lassen die Führung auf lokal- und Provinzebene eine Schließung aus einer Mischung aus falsch verstandenen Lokalpatriotismus und Arbeitsbeschaffung.
Die Ursachen sind komplex. Die Binnennachfrage stagniert, das Konsumentenvertrauen leidet unter dem Zusammenbruch des Immobiliensektors, und globale Handelspartner reagieren mit Sanktionen auf Chinas Überproduktion. Deflation, geschwächtes Vertrauen und ein Handelskrieg, angeführt von US-Zöllen unter Donald Trump, verschärfen die Lage. Viele Exporteure stehen vor Zöllen von bis zu 30 Prozent, während Anti-Dumping-Untersuchungen durch USA, EU und andere Handelspartner die Märkte einschränken. Besonders betroffen sind Sektoren wie Stahl, Chemie und Automobil, wo Überkapazitäten die Preise drücken.
Reformstau bremst wirtschaftliche Erneuerung
In den 1990er Jahren schloss Premier Zhu Rongji tausende ineffiziente Staatsbetriebe, was Chinas Produktionsboom ermöglichte. Heute liegt die Überkapazität vor allem bei privaten Unternehmen, über die lokale Regierungen weniger Einfluss haben. Xi Jinpings Priorisierung von nationaler Sicherheit und technologischer Autarkie lässt wenig Raum für marktwirtschaftliche Volatilität. Lokale Beamte werden an Wachstum und Beschäftigung gemessen, was sie davon abhält, unrentable Betriebe zu schließen.
Peking versucht, das Problem anzugehen. 2023 erließ der Staatsrat Richtlinien, um lokale Subventionen zu begrenzen, und Banken wurden angewiesen, Kredite an Zombie-Unternehmen einzustellen. Doch die Umsetzung bleibt schwach. In Shanxi, einem ehemaligen Kohlezentrum, das sich als Standort für saubere Energie neu erfindet, verzeichnen fast 40 Prozent der Industrieunternehmen Verluste – doppelt so viel wie im Landesdurchschnitt. Die Provinz zeigt, wie tief das Dilemma verwurzelt ist: Wirtschaftliche Reformen kollidieren mit dem Imperativ sozialer Stabilität.
China: Soziale Stabilität über alles
Das chinesische Insolvenzsystem ist ein weiterer Stolperstein. Gerichte zögern, Schließungen zu genehmigen, da Richter für soziale Unruhen haftbar gemacht werden. Ein juristisches Papier von 2021 zeigt, dass Gerichte oft verpflichtet sind, Proteste im Vorfeld zu entschärfen, bevor Insolvenzen genehmigt werden. Zahlungsausfälle bleiben selten, doch die ineffiziente Ressourcenallokation schadet der Wirtschaft. „Das Fehlen von Marktdisziplin schadet gesunden Unternehmen“, sagt der Chefvolkswirt für Asien-Pazifik bei S&P Global Ratings, Shaun Roache.
Die soziale Lage ist angespannt. Laut dem China Dissent Monitor stiegen Proteste Ende 2024 um 41 Prozent im Jahresvergleich. Die Regierung reagiert vorsichtig: 51.com oder Qiánchéng in Chinesisch, eine große Rekrutierungsplattform, stellte die Veröffentlichung von Lohndaten ein, vermutlich um die Schwäche des Arbeitsmarktes zu verschleiern. Die Proteste 2022, die zum Ende der Zero-COVID-Politik führten, haben die Sensibilität für soziale Stabilität weiter erhöht.
Überproduktion verschärft Handelskonflikte
Die Politik hat weitreichende Konsequenzen. Michael Pettis, Finanzprofessor an der Peking-Universität, betont: „Politische Maßnahmen zur Reduzierung von Arbeitsplatz- und Einnahmenverlusten für Unternehmen mögen wie ein rein innerstaatliches Problem erscheinen, aber da diese Politiken zu einem schnelleren Anstieg der Produktion als des damit verbundenen Konsums führen, sind sie auch effektiv Handelspolitiken.“ Die Subventionierung unrentabler Unternehmen steigert die Produktion schneller als den Konsum, was Chinas hohe Sparquote weiter erhöht. Da Immobilieninvestitionen zurückgehen, führt dies zu einem Exportüberschuss, der globale Handelsungleichgewichte verschärft.
Reformvorschläge ohne Durchbruch
Einige Experten drängen auf Lösungen. Der Ökonom David Li Daokui schlägt ein Quotensystem vor, bei dem Unternehmen Produktionsrechte verkaufen können, um Überkapazitäten marktorientiert abzubauen. Doch Peking zeigt wenig Bereitschaft, solche Maßnahmen umzusetzen. Stattdessen setzt die Regierung auf kurzfristige Stabilität. Dies sichert Arbeitsplätze, bremst aber das langfristige Wachstum.
Die niedrige Arbeitslosenquote ist ein trügerischer Erfolg. Sie wird durch ineffiziente Ressourcennutzung und wachsende Handelsspannungen erkauft. Ohne Reformen droht China eine Stagnation, die selbst die kommunistische Partei nicht ignorieren kann. Die Regierung steht vor einer schwierigen Wahl: Entweder sie riskiert soziale Unruhen durch Schließungen oder sie opfert weiterhin wirtschaftliche Effizienz. Die Zeit für halbherzige Maßnahmen läuft ab.
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