China nimmt immer mehr Schulden auf, doch das Wirtschaftswachstum verliert an Dynamik. Sinkende Effizienz und steigende Risiken stellen das aktuelle Wachstumsmodell infrage.
Chinas Wirtschaft wird zunehmend von Schulden getragen, doch die Effizienz dieser Strategie nimmt ab. Während immer mehr Kredite nötig sind, um Wachstum zu erzeugen, steigt das Risiko finanzieller Instabilität. Dieser Kurs hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und den globalen Handel.
China: Neue Kredite treiben Schuldenquote
Letzte Woche veröffentlichte das Nationale Büro für Statistik (NBS) die Schuldenaufnahme für das vergangene Jahr. Die Zahlen waren mit Spannung erwartet worden, nachdem die chinesische Führung im Herbst ein Rekord-Stimulus-Programm im Umfang von über 10 Billionen Yuan (ca. 1,3 Billionen Euro) angekündigt hatte. Nach Angaben des NBS lag die chinesische Gesamtverschuldung, auch bekannt als Total Social Financing (TSF), Ende 2024 bei 408,3 Billionen Yuan (ca. 54,5 Billionen Euro) oder 303 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – ein Anstieg um 8,3 % im Vergleich zum Vorjahr.
Allerdings sind dies nur die offiziell erfassten Schulden. Berücksichtigt man auch versteckte Verbindlichkeiten, insbesondere durch lokale Finanzvehikel und außerbilanzielle Kreditinstrumente, dürfte die tatsächliche Schuldenquote eher zwischen 330 und 360 % des BIP liegen.
Abbildung 1: China: Beziehung zwischen dem nominalen BIP und dem ausstehenden TSF, Quelle: NBS
Diese Entwicklung verdeutlicht ein Muster, das sich in den letzten Jahren zunehmend abzeichnet: Während das Wirtschaftswachstum sich verlangsamt, bleibt die Schuldenaufnahme hoch. Eine Analyse des Verhältnisses zwischen TSF-Wachstum und BIP-Wachstum zeigt, dass für jede Einheit BIP-Wachstum immer mehr Schulden aufgenommen werden müssen. In den Jahren 2017 und 2018 lag dieses Verhältnis mit 2,89 bzw. 2,23 noch auf einem moderaten Niveau, vergleichbar mit westlichen Industrienationen. Doch 2020 explodierte dieser Wert auf 12,33, da die Wirtschaft in der Pandemie stagnierte, während die Regierung mit massiven Krediten gegensteuerte. Auch wenn das Verhältnis danach wieder zurückging, stieg es 2024 erneut auf 5,14.
Abbildung 2: China: Verschuldung pro Wachstum. Datenquelle: NBS, eigene Berechnung
Chinas Exportstrategie und ihre Grenzen
Chinas Exportstrategie und ihre Grenzen
Chinas Schulden sind nicht zwangsläufig unproduktiv. Ein zentraler Punkt in der Debatte ist Chinas wachsender Handelsüberschuss. 2023 erreichte der Überschuss mit 823 Milliarden US-Dollar ein Rekordniveau, was 4,6 Prozent des BIP entsprach. 2024 wuchs er sogar um 20 Prozent auf 992 Milliarden US-Dollar. Damit trägt der Außenhandel stärker als je zuvor zum Wachstum bei – 30,3 Prozent des BIP-Wachstums im Jahr 2024 gingen auf Nettoexporte zurück, der höchste Wert seit 1997.
Diese Zahlen belegen, dass China seine Schulden teilweise über Exporterlöse absichert. Während die hohe Verschuldung fraglos ein Risiko darstellt, zeigt das steigende Verhältnis von Handelsüberschuss zu Schuldenwachstum, dass Exporte eine zentrale Rolle spielen. Vor allem von 2019 bis 2021 lag das Verhältnis stabil über 2, was bedeutet, dass der Handelsüberschuss schneller wuchs als die Schulden.
Abbildung 3: Vergleich des Wachstums des Handelsüberschusses vs. des Schuldenwachstums, Datenquelle: NBS, eigene Berechnungen
Ein Blick auf andere Volkswirtschaften zeigt, dass das Verhältnis von Schuldenaufnahme zu BIP-Wachstum typischerweise zwischen 2 und 4 liegt. In den USA schwankt dieser Wert zwischen 3 und 4, insbesondere nach Krisen wie 2008. Deutschland, mit einer konservativeren Finanzpolitik, bewegt sich näher an 2. Chinas Zahlen hingegen zeigen große Schwankungen. Während der Faktor in normalen Jahren mit 2 bis 3,7 mit westlichen Industrienationen vergleichbar war, erreichte er 2020 mit 12,33 einen extremen Höchstwert – ein Zeichen für ein stark schuldengetriebenes Wachstum. Seit 2022 steigt der Wert erneut, von 3,68 auf 5,14 im Jahr 2024, was darauf hindeutet, dass immer mehr Schulden nötig sind, um ein vergleichbares Wirtschaftswachstum zu erzielen.
Lokale Finanzvehikel treiben Chinas Schulden hoch
Ein erheblicher Teil der neuen Schulden fließt nicht mehr direkt in Wachstum, sondern dient zur Abdeckung alter Verbindlichkeiten. Dies zeigt sich besonders in den lokalen Regierungshaushalten, wo Schulden in immer größerem Umfang für Umschuldungen genutzt werden. Lokale Behörden in wirtschaftsstarken Provinzen wie Guangdong, Jiangsu und Anhui haben bereits 60 % ihrer Schuldenkontingente für das Jahr 2025 ausgeschöpft. Gleichzeitig verschärfen sich die finanziellen Engpässe, sodass in einigen Regionen Gelder aus anderen Bereichen abgezogen werden müssen, um Schulden zu bedienen.
Die chinesische Regierung betont weiterhin die Notwendigkeit, die Fiskalpolitik zu optimieren, insbesondere durch Investitionen in Technologie und Infrastruktur. Die Effizienz dieser Maßnahmen bleibt jedoch umstritten, da bereits einige lokale Verwaltungen Finanzmittel umleiten, um bestehende Verbindlichkeiten zu tilgen. In mehreren Fällen wurden Gelder aus dem Bildungsbereich zweckentfremdet, um Schulden zu bedienen.
Warum Chinas Verbraucher weniger ausgeben
Eine weitere Herausforderung stellt der schwache Binnenkonsum dar. Während der Exportsektor floriert, hinkt der Konsum hinterher. Dies liegt nicht nur an strukturellen Problemen, sondern auch daran, dass viele lokale Regierungen durch ihre hohe Verschuldung gezwungen sind, ihre Sozial- und Infrastrukturinvestitionen einzuschränken. Sinkende Einkommen, steigende Lebenshaltungskosten und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit verstärken diese Tendenz.
Besonders betroffen sind kleinere Städte und ländliche Regionen, wo der Staat traditionell eine tragende Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung spielt. Wenn lokale Verwaltungen gezwungen sind, Schulden zu bedienen anstatt neue Projekte zu finanzieren, drohen stagnierende Löhne und ein Rückgang der Verbraucherausgaben.
Neue Handelskonflikte belasten China
Hinzu kommt der wachsende internationale Druck auf China, seinen Handelsüberschuss zu reduzieren. Dieser gewinnt mit der Wiederwahl von Donald Trump eine neue Dynamik. Die USA und Europa, aber auch viele Staaten des „Globalen Südens“, fordern verstärkt, dass China seine Handelsbilanz ausgleicht. Sollte dieser Druck Wirkung zeigen, müsste die chinesische Führung Wege finden, Kapital produktiver im Binnenmarkt einzusetzen. Eine solche Strategie würde erfordern, dass mehr Investitionen in den Binnenmarkt statt in Infrastrukturprojekte fließen, die oft nur kurzfristige wirtschaftliche Impulse setzen.
China: Kreditgetriebenes Wachstum stößt an Grenzen
Chinas Schuldenwachstum bleibt ein zweischneidiges Schwert. Während die Verschuldung Risiken birgt, zeigen die Exporterlöse, dass sie zumindest teilweise wirtschaftlich produktiv genutzt wird. Kritisch wird es jedoch, wenn das Schuldenwachstum weiter zunimmt, während der Handelsüberschuss stagniert oder sinkt. Gleichzeitig stellt der zunehmende internationale Druck eine Herausforderung dar. Sollte Peking gezwungen sein, seinen Handelsüberschuss zu reduzieren, wird es schwieriger, Schulden durch Exporte zu stabilisieren.
Die interne Herausforderung liegt darin, dass die Regierung ihre Strategie zur Wachstumsförderung anpassen muss. Ohne nachhaltige Reformen in der Steuerpolitik, eine gezieltere Förderung des Binnenkonsums und eine Reduzierung ineffizienter Kreditvergabe könnten die wirtschaftlichen Spannungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob China einen tragfähigen Weg findet, um Schulden produktiver im Inland einzusetzen und den internationalen Anforderungen gerecht zu werden.
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Wachstum geht nur über Verschuldung. Mehr Verschuldung, mehr Wachstum. Siehe USA.
Moin, moin,
die Welt und ihre Schulden. Schulden von heute sind die Minderausgaben von morgen.
Schulden sind wie Drogen, mehr, noch mehr und immer mehr (vgl. die EU bzw. den Westen).
Wo liegt das Problem? Der Bürger, der vorsichtig wirtschaftet, Rücklagen bildet und für die Zukunft spart, wird am Ende die Zeche zahlen müssen, egal ob West, China oder sonst wo.
Es muss doch möglich sein mit den gegebenen Mitteln seine Ausgaben zu decken, ansonsten müssen die Ausgaben gekürzt werden, bis sie mit den gegebenen Mitteln deckungsgleich sind.
Faztt: Man darf bei Staaten keine wirtschaftliche Vernunft unterstellen.