Wachstum der Wirtschaft um jeden Preis: China flutet die Märkte mit Schulden. Der Aufschwung ist gekauft – und könnte teuer enden.
China stützt Wirtschaft mit Kredit-Explosion
Die chinesische Statistikbehörde (NBS) hat in den letzten Tagen eine Reihe von Zahlen veröffentlicht, die ein gemischtes Bild zeichnen. Vor allem zeigen sie, dass die Wirtschaft zunehmend auf Pump finanziert wird, ein riskantes Spiel in Zeiten globaler Handelsspannungen. Die Wachstumsdynamik bröckelt, die strukturellen Ungleichgewichte vertiefen sich, und die Schuldenlast wächst in einem Tempo, das selbst Optimisten ins Schwitzen bringt. Während die Industrieproduktion überraschend robust bleibt, zeigen Konsum und Immobilienmarkt alarmierende Schwächen.
Industrieproduktion brummt, aber nicht für China
Das Zollmoratorium sollte den Exporten, dem Rückgrat der chinesischen Industrie, eine Atempause verschaffen. Überraschenderweise verzeichneten der Containerumschlag in den chinesischen Häfen in den ersten beiden Mai-Wochen nur ein Wachstum von rund 2 Prozent, nach einem Anstieg der Exporte um 8,1 Prozent im April.
Die Industrieproduktion legte im April im Jahresvergleich um 6,1 Prozent zu, nach 7,7 Prozent im März, und übertraf damit die Konsenserwartung von 5,5 Prozent. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die innerhalb des Landes abgesetzten Produktionsgüter nur in stark vermindertem Umfang zum Gesamtwachstum beitrugen, während die exportorientierten Fabriken überproportional stark abschnitten. Die Zahlen unterstreichen ein strukturelles Ungleichgewicht: Während die exportorientierten Sektoren kräftig zulegen, bleibt das Produktionswachstum im Binnenmarkt vergleichsweise schwach. Die politischen Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage zeigen bislang nur begrenzte Wirkung.
Daten aus der Vorwoche offenbaren zudem, dass dieses Wachstum maßgeblich durch eine massive Kreditexpansion getrieben wird. Neue Darlehen in Höhe von 10,06 Billionen Yuan (1,42 Billionen US-Dollar/1,31 Billionen Euro) wurden allein in den ersten vier Monaten des neuen Jahres ausgereicht. Der Anstieg der Gesamtverschuldung, gemessen als Total Social Financing (TSF), belief sich offiziell auf 424 Billionen Yuan (58 Billionen US-Dollar/54 Billionen Euro). Michael Pettis, Finanzprofessor an der Peking-Universität, rechnet vor: „Für ein nominales BIP-Wachstum von 4 Prozent war ein Schuldenanstieg von 35 Prozent des BIP nötig. Selbst wenn sich das Tempo verlangsamt, bräuchte es 29 Prozent des BIP, um 4 Prozent Wachstum zu erzeugen.“ Die Verschuldung liegt demnach bei 309% des BIPs. Das ist kein nachhaltiges Wachstum, das ist ein Schuldenrausch. Denn die wahre Verschuldung dürfte eher gegen 360% des BIPs liegen.
Konsum: Verbraucher bremsen Wirtschaft
Während die Industrie auf Hochtouren läuft, lahmt der Konsum. Die Einzelhandelsumsätze, ein Indikator für den privaten Konsum, wuchsen im April um 5,1 Prozent, nach 5,9 Prozent im März, und blieben unter den erwarteten 5,8 Prozent.
Die Schere zwischen Produktion und Konsum weitet sich, ein bekanntes Problem, das die strukturellen Ungleichgewichte Chinas verschärft. Ökonomen führen dies auf mehrere Faktoren zurück: nachlassende staatliche Subventionen, Unsicherheit über Arbeitsplätze und die anhaltende Immobilienkrise, die das Vertrauen der Haushalte untergräbt. Die Menschen sparen, statt auszugeben.
Preisdaten untermauern diese Zurückhaltung. Der Verbraucherpreisindex (CPI) stieg im April um 0,1 Prozent, während der Produzentenpreisindex (PPI) um 2,5 Prozent fiel, ein Zeichen für schwache Nachfrage und Preisdruck bei Produzenten. Ohne eine robuste Binnenwirtschaft bleibt Chinas Wachstum auf Exporte und staatliche Investitionen angewiesen, ein Modell, das vor dem Hintergrund des Zollkonflikts mit den USA und zunehmender Handelshemmnisse anderer Länder, die auf Chinas Überkapazitäten reagieren, immer mehr an seine Grenzen stößt.
Immobilienmarkt: Kein Ende der Talfahrt in China
Der Immobilienmarkt steckt weiter in der Krise. Eine leichte Erholung in den vergangenen Monaten ist vorbei. Nach Berechnungen des NBS beschleunigte sich der Rückgang wieder: In 70 Großstädten fielen die Preise im April um 0,6 Prozent gegenüber dem Vormonat, der stärkste monatliche Rückgang seit 2022. Im April stagnierten die Preise für neue Wohnimmobilien landesweit, und setzten damit den Abwärtstrend der vergangenen zwei Jahre fort. ING hebt hervor, dass die Unsicherheit durch den Handelsstreit mit den USA die Nachfrage zusätzlich dämpft. Kaohoon International fügt hinzu, dass selbst in Metropolen wie Shanghai und Shenzhen die Preise für Bestandsimmobilien um 1,2 Prozent sanken.
Die festverzinslichen Investitionen (Fixed Asset Investment), zu denen auch der Immobiliensektor zählt, wuchsen von Januar bis April um 4,0 Prozent, nach 4,2 Prozent im ersten Quartal, und verfehlten damit die Erwartungen. Jahre des Schuldenabbaus und sinkender Immobilienpreise haben Spuren hinterlassen. Ohne eine Trendwende im Immobiliensektor und damit im Vermögen der Haushalte wird der Konsum kaum an Fahrt gewinnen.
Wachstum auf Kredit gebaut
Die jüngste Kreditexpansion ist ein zweischneidiges Schwert. Die People’s Bank of China hat mit einer lockeren Geldpolitik die Finanzierungskosten gesenkt und eine Rally am Kreditmarkt ausgelöst. Die Renditespannen für einjährige Unternehmensanleihen mit Double-A-Rating im Vergleich zu Staatsanleihen sanken auf 41 Basispunkte, der niedrigste Stand seit 2007. Investoren, angeführt von Wertpapierfirmen und Investmentfonds, stürzen sich auf kurzfristige, niedriger bewertete Anleihen mit höheren Renditen und geringerem Durationsrisiko. „Die Finanzierungskosten sind kürzlich deutlich gesunken, und der Hebelhandel institutioneller Investoren hat einen Höchststand erreicht“, sagt Juan Nanjo, Chefanalystin für festverzinsliche Wertpapiere bei Hua Trang Securities.
Doch die Risiken steigen: Mit historisch niedrigen Risikoprämien und gedämpften Erwartungen an weitere stimulierende Maßnahmen, nicht zuletzt durch den Handelsstillstand mit den USA, könnten die Gewinne bald ausbleiben. Die Geldmenge M2 wuchs um acht Prozent. Das ist ein Anstieg um neun Prozentpunkte im Verhältnis zum BIP binnen eines Jahres. Solche Zahlen sind kein Zeichen von Stärke, sondern von Abhängigkeit.
Zahlen besser, Basis wacklig
Trotz der gemischten Signale gibt es vorsichtigen Optimismus. Die robuste Industrieproduktion und stabile Exporte haben einige Großbanken wie Goldman Sachs dazu veranlasst, ihre Wachstumsprognosen für 2025 nach oben zu korrigieren, auf etwa 5 Prozent. Allerdings setzt diese optimistischere Einschätzung voraus, dass der derzeitige Waffenstillstand im Zollstreit länger als die bisher avisierten 12 Wochen anhält.
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Moin, moin,
und wie immer, Aufschwung mit Kredite kaufen. Die Chinesen werden westlicher. Klappt es nicht mit der Wirtschaft, dann wird einfach Geld ins System gepumpt, anstatt die Ursachen zu beseitigen oder zu sagen, wir warten, bis das Problem vom Markt gelöst wird.
Das dicke Ende kommt immer, wenn kein Geld bzw. Kreditlinie mehr vorhanden ist, um weiteren Aufschwung zu kaufen. Was dann? Okay, the German Way, Sondervermögen.
Fazit: Mit Aufschwung kaufen klappt es in the long run leider nicht.